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Jürgen Sparwasser Jürgen Sparwasser: «Das Siegtor war mehr Fluch als Segen»

Von Lars Reinefeld 02.06.2008, 12:31
Jürgen Sparwasser schießt die DDR bei der WM 1974 in Führung. (Foto: dpa)
Jürgen Sparwasser schießt die DDR bei der WM 1974 in Führung. (Foto: dpa) dpa

Frankfurt/Main/dpa. - «Es stimmt schon, dass das Tor im Rückblick nichtnur positiv für mich war», sagte Sparwasser am Montag in einemGespräch der Deutschen Presse-Agentur dpa. Einige Landsleute seiendamals genervt davon gewesen, im Fernsehen immer wieder den Trefferzum 1:0-Sieg der DDR gegen die Bundesrepublik Deutschland bei derFußball-Weltmeisterschaft 1974 zu sehen. Zudem seien Gerüchtegestreut worden, «ich hätte ein Auto, ein Haus und eineWahnsinnsprämie bekommen», erinnert sich der einstigeOffensivspieler. An diesem Mittwoch feiert er mit alten Weggefährtenin Magdeburg seinen 60. Geburtstag.

Für Franz Beckenbauer war die Szene aus der 78. Minute deseinzigen Duells der beiden deutschen Teams dagegen mitentscheidendfür den späteren WM-Titel der BRD-Auswahl. «Eigentlich gehört demJürgen Sparwasser noch eine Medaille. Der hat uns mit seinem Torrechtzeitig wachgerüttelt», sagte der damalige Kapitän in der Elf vonBundestrainer Helmut Schön. Während die DFB-Auswahl ins Finalevorpreschte und dort gegen die Niederlande 2:1 gewann, schied die DDRin der 2. Finalrunde aus. «Dennoch war die WM ein einzigartigesErlebnis. Eben das Größte für einen Fußballer», sagte Sparwasser.

Der Treffer gegen Sepp Maier machte ihn zwar berühmt, daswichtigste Tor seiner Karriere war es für den heute im hessischen BadVilbel bei Frankfurt lebenden Familienvater aber nicht. «Da war das2:0 gegen Sporting Lissabon im Halbfinale des Europapokals derPokalsieger schon bedeutender», meinte der damalige Spieler des 1. FCMagdeburg. Durch den 2:1-Sieg gegen die Portugiesen zogen dieMagdeburger 1974 ins Endspiel ein, wo der große AC Mailand mit 2:0besiegt wurde. «Diese Spiele sind für mich noch heute unvergessen.»

Neben dem Europacupsieg feierte Sparwasser mit dem 1. FC Magdeburgnoch drei DDR-Meisterschaften und vier Pokalsiege. Nach seineraktiven Laufbahn arbeitete er als Diplomsportlehrer an der UniMagdeburg. Doch weil er nicht den Posten des Cheftrainers bei seinemalten Club übernehmen wollte, drohten ihm die Parteigewaltigen mitRausschmiss. Sparwasser reagierte und setzte sich im Januar 1988 mitseiner Frau Christa in den Westen ab.

«Das war eine schwere Zeit damals. Ich war 40 und musste einenkompletten Neuanfang machen.» Große Unterstützung erhielt er beiEintracht Frankfurt und besonders vom damaligen Trainer Karl-HeinzFeldkamp. «Das werden wir dem Verein nie vergessen. Besonders dieMenschlichkeit der Familie Feldkamp war beeindruckend», erinnert sichder heutige Großvater Sparwasser. Im brandenburgischen Brieselangplant er eine Fußballschule, doch gibt es noch Differenzen wegen derFinanzierung.

Eine Funktion bei seinem gerade in die 4. Liga abgestürztenHeimatverein 1. FC Magdeburg kann sich Sparwasser dagegen nichtvorstellen. «Der Zug ist abgefahren. Die verpasste Qualifikation fürdie 3. Liga hat mir aber sehr wehgetan», meinte er. Mehr Freudeerhofft sich der 20-fache Europapokaltorschütze bei der EM von derdeutschen Mannschaft. Allerdings erwartet der 53-malige DDR-Nationalspieler keinen Selbstläufer. «Ich warne davor, Polen,Kroatien und auch Österreich als Punktelieferanten zu sehen.»Schließlich hat er mit der DDR selbst vorgemacht, wie man einenFavoriten zum Stolpern bringt.