Italien Italien: Die verkannte Stadt am Arno
Halle/MZ. - Pisa, soweiß fast jeder, ist die Stadt mit dem SchiefenTurm. Doch bei der Frage, was es dort sonstnoch zu sehen gibt, zucken Toskana-Urlaubermeist mit den Achseln. Sie planen für dieVisite der Hafenmetropole am Arno im Schnitteinen halben Tag ein. "Viel zu wenig", wieSerena Grazzini vom örtlichen Fremdenverkehrsamtmeint. Allein für den Domplatz müsse man mindestenseinen Tag reservieren.
"Campo dei Miracoli - Platz der Wunder" -so hat der italienische Kitschautor GabrieleD'Annunzio den Dombezirk im Nordwesten derStadt einst getauft. Der Plural ist keineÜbertreibung: Wer den Platz von Süden herbetritt, ist geblendet von vier weißen, monumentalenMarmorbauten, die sich gegen das Blau desHimmels darüber und das Grün des frisch gemähtenRasens darunter abheben. Wie Ausstellungsstückeim Freilichtmuseum sind die "Wunderwerke"aus dem Mittelalter auf der Wiese verteilt.Im Zentrum der Anlage erhebt sich der romanischeDom Santa Maria Assunta, dessen ArchitekturRichtung weisend für weitere toskanische Sakralbautenwar wie für den Dom von Siena und den vonFlorenz. Sein unglücklich in die Schieflagegeratener Glockenturm ist eigentlich nur einBeiwerk.
Während nach der Turmbesteigung im normalenTouristenprogramm noch Zeit für eine oberflächlicheBesichtigung des Doms oder für einen kurzenBlick in das Baptisterium mit der Kanzel NicolaPisanos bleibt, wird der Camposanto am Randdes Platzes meist übersehen. Dabei war geradeer bis in die 30er Jahre des 20. JahrhundertsPisas größter Publikumsmagnet. Künstler, Dichterund Gelehrte aus ganz Europa kamen in dieStadt, nur um den berühmten Freskenzykluszu betrachten, der die Innenwände der Begräbnisstätteschmückte. Seit 1944 blieben diese Kulturtouristenjedoch aus. Bei den Luftangriffen der Alliertenhatte eine Bombe das Dach des Camposanto getroffen.Durch das herabtropfende geschmolzene Bleiwurden die meisten Gemälde zerstört, die Überrestenahm man von den Wänden, um sie zu restaurieren.Trotzdem lohnt der Friedhof, der eine Artarchäologisches Museum ist, einen Besuch.Römische Sarkophage und Grabplatten aus demdritten Jhd. v. Chr. sind hier zu besichtigen,denn die reichen Pisaner des Mittelaltersließen sich gerne in den antiken Steinsärgenbestatten.
Wer einen ganzen Tag für den Campo dei Miracolieingeplant hat, dem bleibt Zeit, zwei Museenzu besichtigen, die sich ebenfalls auf demAreal befinden: das Museo delle Opera delDuomo, das einige Domschätze beherbergt, unddas Museo delle Sinopie. Dort sind die sogenannten Sinopien, die Vorzeichnungen derFresken, ausgestellt, die beim Abnehmen derzerstörten Gemälde im Camposanto zum Vorscheingekommen waren.