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Italien Italien: Das Tauferer Ahrntal bleibt bodenständig

Von Dagmar Gehm 02.12.2004, 12:19
Eisiges Vergnügen - das Tauferer Ahrntal bietet Herausforderungen für Wintersportler ganz unterschiedlichen Typs. Langläufer kommen genauso zu ihrem Recht wie Eiskletterer. (Foto: dpa)
Eisiges Vergnügen - das Tauferer Ahrntal bietet Herausforderungen für Wintersportler ganz unterschiedlichen Typs. Langläufer kommen genauso zu ihrem Recht wie Eiskletterer. (Foto: dpa) Ferienregion Tauferer Ahrntal

Sand in Taufers/dpa. - Es sind vor allem drei Dinge, dieWintersportler ins Tauferer Ahrntal in Südtirol locken. Erstens dieFamilienfreundlichkeit: In «Mini Ski Clubs» sind die Pistenzwergeschon ab zwei Jahren gut aufgehoben, auch sonst gibt es speziell fürKinder ein buntes Programm. Zweitens die Preise: Gemessen am Angebotbraucht das 40 Kilometer lange Tag keinen Vergleich im Alpenraum zuscheuen. Und drittens die Zweisprachigkeit: Auf der sonnenverwöhntenSüdseite der Alpen spricht jeder ebenso gut Deutsch wie Italienisch.

Das Tauferer Ahrntal, umrahmt von 80 Dreitausendern, liegt vor dereindrucksvollen Kulisse der Zillertaler Alpen und den Ausläufern derHohen Tauern. In einer Höhe von 862 bis 2400 Metern verteilen sich 35Kilometer Pisten auf die Skigebiete Klausberg und Speikboden.Langläufer ziehen auf fast 100 Kilometer Loipen ihre Spuren.

Um den Kuhglockenspieler Franz zu erleben, müssen Urlauber schonrecht gut Ski fahren können. Denn seine Minibühne hat das Originalmit dem Filzhut direkt an der steilen Rennstrecke «Hühnerspiel» imGebiet Klausberg aufgebaut, die zu den schwersten im Tal zählt. Andiesem Punkt angekommen, braucht man das tiefrote «Oxenblut»eigentlich gar nicht mehr zu trinken, das Franz nach einemGeheimrezept braut und zum Mutmachen anbietet - denn hier ist derschwerste Teil der zwei Kilometer langen Strecke schon bewältigt.

Ansonsten sind die Abfahrten der beiden Skigebiete nicht nur fürKönner, sondern auch für Anfänger und Fortgeschrittene geeignet.Genuss-Skifahren lautet das Motto, mit vielen «Einkehrschwüngen» inHütten wie «Gidi's Skihütte» auf dem Klausberg, wo Wirtin Gidi Hoferein skurriles Almmuseum mit alten Skiern, Schlitten und Fundstückeneingerichtet hat. Ein Schneeparadies sind die Hänge auch für dieKinder, die - in gleichfarbigen Westen schon von weitem als Skikurserkennbar - in Reih und Glied hinter ihrem Lehrer herzockeln.

Zum Unterhaltungsangebot für die Kleinen gehört neben Brotbackenund einer wöchentlichen Kinderparty auch die «Geisterstunde», bei derdie Kinder mit Ketten rasselnden Gespenstern begegnen. Sie findetstatt auf Burg Taufers, dem Wahrzeichen des Tales aus dem 12.Jahrhundert. Mit seiner Bibliothek und dem «Reiterkachelofen», einerKapelle mit herrlichen Fresken, der Rüstkammer und dem Rittersaalzählt der Wehrbau zu den am besten erhaltenen Burgen Südtirols.

Die Frage, ob die im Sommer 2004 im deutschen Fernsehen gesendeteShow «Die Alm» ein guter Werbeträger für das Tal im Herzen desNaturparks Rieserferner-Ahrn war, spielt im Winter keine Rolle mehr.Glaubwürdiger repräsentiert ohnehin der Extrembergsteiger HansKammerlander seine Heimat: 13 Achttausender hat er ohneSauerstoffgerät bezwungen, davon 7 mit seinem Lehrmeister ReinholdMessner. Als bisher Einziger wagte er die Abfahrt vom höchsten Bergder Welt, dem 8848 Meter hohen Mount Everest.

Doch immer wieder zieht es Kammerlander zurück in die nördlichsteund kleinste Ferienregion Südtirols. «Die Berge meiner Heimat warender Grundstock für meine späteren Erfolge im Himalaya», sagt er. Auchim Winter vermitteln die Alpinschulen von Kammerlander und anderenAnbietern ein Gefühl für Grenzerfahrung - zum Beispiel beim Kletternauf natürlichen Eisfällen und künstlichen Eistürmen.

Die Szene wirkt wie ein nächtlicher Drehort für einen Film: DieEistürme von Rein sind in ein gleißendes Licht getaucht. Es herrschtfast gespenstische Stille, die nur von den knappen Anweisungen jenerAlpinisten durchbrochen wird, die die Kletterer unten mit dem Seilsichern. Keuchend hangeln sich die Wagemutigen an der senkrechtenWand nach oben, nach geeigneten Vertiefungen suchend, in denen sieden Eispickel einhängen können. Doch kaum hat man einen Meter Höhegewonnen, rutschen die Füße trotz der Steigeisen wieder ab.

10 Meter in zwölf Minuten aufzusteigen, ist nicht unbedingt eineGlanzleistung. Denn Kletterprofis können den mit 18 Metern höchstender Eistürme in dieser Zeit locker dreimal bezwingen. Doch wer nochKraft in den Armen verspürt, darf es wieder und wieder probieren andiesem Abend.

Um das Adrenalin wieder auf Normalnull zu pegeln, geht es nach derEisklettertour und einem kräftigen Schluck Glühwein in den HauptortSand, der mit einem übersichtlichen Après-Ski-Angebot jungeDiscogänger ins «Dancing Sportcenter» lockt, Junge und Junggebliebenein den «Pik Club» und Weintrinker in die «Sandgrube». Eine weitereDiscothek ist die «Almdiele» in Luttach. Manchmal mischt sich auchHans Kammerlander ins eher bodenständige Nachtleben.

«Der Hans lässt sich hier überall blicken, der will gar nichtsBesonderes sein», sagen die Einheimischen. Ein «bäriger Typ» sei ereben, der nach eigenen Aussagen mal ein «kleiner Bergbauer» war undheute ein Supersportler ist, der auch mal ein Hefeweizen trinkt, eineZigarette raucht und allemal «luschtig» ist. Er sei eben einer vonihnen: genauso unprätentiös und wenig abgehoben wie das ganze Tal.

Zu hart haben die Menschen hier arbeiten müssen, um sichStarallüren zu erlauben. Mehr als 500 Jahre lang wurde bis 1893 amRötbach im Bergwerk Prettau Erz abgebaut. Heute führt imSchaubergwerk eine Grubenbahn ins Innere des Sankt-Ignaz-Stollens.Ein Teilstück wurde zum Klimastollen umfunktioniert, um Kuren beiErkrankungen der Atemwege anzubieten. Im «Kornkasten», dem einstigenLebensmittelmagazin des Bergwerks in Steinhaus, ermöglicht es eine«virtuelle Wunderkammer», die Modelle alter Werkzeuge per Mausklickaus dem Regal zu nehmen und in ihre Arbeitsweise Einblick zu nehmen.

Überhaupt werden Traditionen im Tal auf zeitgemäße Weise lebendiggehalten – etwa im ganzjährig geöffneten Krippenmuseum Maranatha inLuttach, wo Krippen und lebensgroße Holzfiguren aus aller Weltausgestellt sind. In der angeschlossenen «Galerie of Modern Art»werden Exponate internationaler Künstler gezeigt. Die Schätze derAlpen zeigt das Mineralienmuseum in St. Johann: Die 750 Schaustückesind vor etwa 30 Millionen Jahren in den Tiefen der Erde entstanden.

Überall im Tal ist der Einfluss zweier Kulturen spürbar: Die Modeist einen Hauch extravaganter und «italienischer», der Sinn fürBeschaulichkeit und Wohlfühlen, der sich für den Gast in den vielenWellness-Hotels zeigt, ist dagegen eher österreichisch. Auch was dieGastronomie angeht, geht Italien mit Tirol eine schmackhafteVerbindung ein: Neben Pasta stehen Knödel auf den Speisekarten,Schlutzkrapfen (Teigtaschen) mit Spinat folgen auf die Minestrone.Und guter italienischer Wein wird ebenso ausgeschenkt wie Weizenbier.

«Skifahren lernen Anfänger bei uns heute in drei bis vier Tagen»,sagt der Skischulleiter Günther Oberhollenzer. Senioren belegen gerneKurse, um beim Wechsel zu Carvingskiern ihren Stil aufzufrischen. EinGratisbus pendelt im Tal, so dass man am Morgen am Speikboden und amNachmittag am Klausberg fahren kann. Diese Möglichkeit nutzen auchSnowboarder, die in beiden Gebieten Halfpipes und Funparks vorfinden.

Der neueste Trend heißt Crossrennen: Mit Carvingskiern werdendabei die gleichen Funparks abgefahren wie mit dem Snowboard.Snowrafting im Gummiboot in St. Johann oder Nachtrodeln jedenDienstag auf der beleuchteten Bahn am Klausberg, Schneeschuhwandern,Fahrten mit dem Pferdeschlitten oder Reiten durch die verschneitenTannenwälder bieten weitere Alternative zum Spaß auf den Brettern.

Bei den meisten Langläufern im Ahrntal steht nicht ausschließlichder Sport im Vordergrund. Zu schön ist die verzauberte Landschaftrechts und links der Loipen, um den Blick nicht abschweifen zulassen. Einen 16 Kilometer langen Rundkurs bei Mühlwald säumen kleineKapellen, es gibt alte Bauernhöfe und neue Berggipfel hinter jederBiegung. 40 Kilometer des Streckennetzes sind Höhenloipen, diezwischen 900 bis 1600 Metern über Meeresniveau gespurt werden.

Es muss wohl an der Bodenständigkeit und dem Schuss Extravaganzliegen, dass das Tauferer Ahrntal so viele Stammgäste hat: An derMischung aus Kultur, Natur und einem Menschenschlag, derExtremsportler wie Hans Kammerlander ebenso hervorbringt wie denKuhglockenspieler Franz und andere liebenswerte Originale.

INFO-KASTEN: Tauferer Ahrntal

REISEZIEL: Das Tauferer Ahrntal liegt im «hohen Norden» Südtirols.

ANREISE: AirAlps fliegt von München nach Bozen, von dort geht esweiter per Zug oder Bus. Autofahrer nehmen die Brennerautobahn bisBrixen und fahren durch das Pustertal bis Bruneck, wo die Straße insTauferer Ahrntal abzweigt. Für Bahnfahrer ist Bruneck Endstation, vondort verkehrt regelmäßig ein Linienbus ins Tauferer Ahrntal. VieleVermieter holen Gäste auch mit dem Auto ab. Der DB AutoZug fährt vonBerlin, Hamburg und Düsseldorf nach Bozen (ab 242 Euro für ein Autound zwei Personen im Liegewagen, für «Schnellbucher» gibt es Rabatt).

REISEZEIT: Die Wintersaison dauert vom 4. Dezember bis 10. April.

GELD: In Italien wird mit dem Euro bezahlt.

SPRACHE: Deutsch und Italienisch.

UNTERKUNFT: Im Tauferer Ahrntal gibt es etwa 10 000 Gästebetten.Das Angebot umfasst 112 Hotels (darunter 4 Vier-Sterne-plus-Hotelsund 6 Vier-Sterne-Hotels) sowie 109 Privatquartiere/Urlaub auf demBauernhof sowie 228 Ferienwohnungen und -häuser. Bis zum 25. Dezemberzahlen Gäste nur die Unterkunft und erhalten einen Gratis-Skipass.Während der «Weißen Wochen» vom 9. bis 29. Januar kostet eine Wochemit Halbpension und 6-Tage-Skipass im Drei-Sterne-Hotel ab 395 Euro.5-Tage-Skipässe kosten ab 87,50 Euro (Kinder/Senioren ab 72,50 Euro).

INFORMATIONEN: Tourismusverband Ferienregion Tauferer Ahrntal,Ahrnerstraße 95, I-39030 Steinhaus/Ahrntal (Tel. von Deutschland:0039/0474/65 20 81, Fax: 0039/0474/65 20 82, E-Mail:[email protected], Internet: www.tauferer.ahrntal.com).

ACHTUNG: Am kommenden Dienstag (7. Dezember) sendet der Themendiensteinen Reisebericht von Christian Röwekamp über die EuropäischeKulturhauptstadt des Jahres 2005, Cork in Irland.dpa/gms dg cr ah

300907 Nov 04

Südlich der Zillertaler Alpen ganz im Norden Italiens - das Tauferer Ahrntal ist eine beliebte Skiregion in Südtirol. (Grafik: dpa)
Südlich der Zillertaler Alpen ganz im Norden Italiens - das Tauferer Ahrntal ist eine beliebte Skiregion in Südtirol. (Grafik: dpa)
Ferienregion Tauferer Ahrntal