Interview Interview: Steffi Graf: «Zwei finde ich eigentlich eine tolle Zahl»
Mannheim/dpa. - Wie ist es, wieder in der Heimat zu sein?
Steffi Graf: «Sehr schön. Ich war durch die Schwangerschaft jetztein Jahr nicht hier in Deutschland. Das war eine sehr lange Zeit.Umso schöner ist es, wieder hier zu sein. Unser neuester Nachwuchshat den Großteil der Familie ja noch gar nicht gesehen. Wir habenOnkel, Tante, Vater besucht. Und auch ein paar Freundinnen sindvorbei gekommen. Der Terminkalender war randvoll.»
Ist Brühl noch immer Ihre Heimat?
Graf: «Meine Heimat wird immer hier sein. Mein Zuhause istnatürlich da, wo meine Familie ist, also in Las Vegas. Aber meineHeimat ist und bleibt die Region Mannheim/Heidelberg.»
Was vermissen Sie in ihrem neuen Zuhause in Las Vegas?
Graf: «Was ich etwas vermisse, ist die Natur, das Grün. Geradewenn ich jetzt mit den Kindern hier bin und daran denke, womit ichaufgewachsen bin. Auf Erdbeerfelder gehen und Erdbeeren pflücken odermit dem Fahrrad unterwegs sein und mit den Kindern auf der Straßespielen. Das ist in Las Vegas so nicht möglich.»
Was hat sich als Mutter zweier Kinder für Sie verändert?
Graf: «Mit einem Kind konnte man noch viel gemeinsam machen. Wenndu aber zwei hast, dann ist das schon anders. Unser Großer ist jetztfast zwei Jahre und acht Monate alt, der hat nonstop Energie undwill spielen. Also muss man sich die Aufgaben teilen, wenn man nochein Baby hat.»
Werden Sie Andre trotzdem weiter durch die Tennis-Welt begleiten?
Graf: «Natürlich, wenn auch nicht zu jedem Turnier. Das ist dochbesser, als nicht zusammen zu sein. Jetzt mit zwei Kindern wählen wiruns die Orte aber sorgsam aus, damit es ein wenig einfacher ist fürdie Kinder.»
Und für Sie?
Graf: «Es ist schwerer geworden mit zwei Kindern und dem vielenGepäck, mit dem man unterwegs ist. Zumal, wenn man auch im Hotel sowas wie ein Zuhause aufbauen will. Es ist eine Frage derOrganisation. Und ich glaube, das haben wir bisher ganz guthingekriegt.»
Glauben Sie nicht, dass Andre manchmal ganz gern allein auf Reisenist, weil er dann mal wieder ausschlafen kann?
Graf: «Da bin ich sogar sicher, denn Schlaf ist fürHochleistungssportler unverzichtbar. Nach ein paar Tagen hat erallerdings auch schon wieder Sehnsucht nach uns. Ich habe dasAusschlafen bislang leider noch nicht genießen können. Seitdem dieKleine da ist, ist daran nicht zu denken.»
Nach dem Erstrunden-Aus von Andre sind die French Open schon adacta gelegt. Trotzdem: Was fällt Ihnen zum Stichwort Mixed ein?
Graf: «Wenig. Man soll zwar niemals nie sagen. Aber das ist allessehr, sehr unwahrscheinlich. Die Idee, bei den French Open mit Andreim Mixed anzutreten, ist im vergangenen Jahr aus einem Witz herausentstanden - und wurde dann sehr ernst genommen.»
Eine Schnapsidee also?
Graf: «Ich würde gerne mal auf der selben Seite stehen wie Andre.Ob das bei einem Grand-Slam-Turnier sein wird, glaube ich nicht.Momentan sowieso nicht. Tennis spielen kam in den letzten Jahren beimir viel zu kurz. Ich habe ein Jahr fast überhaupt nicht gespielt.In diesem Jahr habe ich zwar ein paar Mal gespielt, mir abergleich einen Muskelfaserriss zugezogen.»
Haben Sie keine Sehnsucht nach dem Wettkampf-Tennis?
Graf: «Überhaupt nicht. Ich habe es nicht vermisst und vermisse esauch heute nicht. Ich sehne mich überhaupt nicht danach.»
Wirklich nicht?
Graf: «Sie scheinen mir das nicht zu glauben. Es ist aber wirklichso. Die Entscheidung ist ja auch nicht von heute auf morgen gefallen.Man setzt sich ja lange mit dem Gedanken auseinander. Außerdem hatteich größere Verletzungen. Und eine Knieoperation, bei der ich schondachte: Okay, das ist wohl mein Karriere-Ende. Damals war es dochschon eine Überraschung, dass ich überhaupt noch mal spielen konnte.»
Ist es nicht trotzdem schwer, quasi ein neues Leben zu beginnen?
Graf: «Wenn man von klein auf fast jeden Tag Tennis spielt, istnatürlich eine extreme Leidenschaft und Hingabe dabei. Aber man hatauch sehr wenig Zeit für sich. Deshalb habe ich mich auf die Zeitdanach gefreut.»
Martina Navratilova spielt mit fast 50 Jahren immer noch; bei denFrench Open sogar eine Runde im Einzel. Sind Sie neidisch?
Graf: «Überhaupt nicht. Aber Hut ab. Was sie macht, istbeeindruckend. Ich selbst verbringe meine Zeit aber lieber mitmeiner Familie. Aber es ist schon erstaunlich, auf welch hohemNiveau Martina in ihrem Alter noch spielt.»
Liegt es an ihrem hohen Niveau, oder am gesunkenen im Damentennis?
Graf: «Wahrscheinlich beides ein bisschen. Es zeigt aber auch,wenn man engagiert an seinen Sport herangeht, kann man vieleserreichen.»
Ist das der Grund für das desolate deutsche Damentennis?
Graf: «Das kann ich schlecht beurteilen. Dafür kenne ich dieMädchen zu wenig. Ich weiß nicht, ob es am fehlenden Biss liegt.»
Was muss eine Spielerin mitbringen, um erfolgreich zu sein?
Graf: «Mit viel Ehrgeiz, Disziplin und Spaß am Sport kann manschon sehr weit kommen. Wenn dann auch noch das Talent dazu kommt,hat man gute Chancen.»
Wann zeigt sich aus Ihrer Erfahrung, wer den Durchbruch schafft?
Graf: «Wenn man früh mit dem Tennis begonnen hat, ist der größteSprung zwischen 13 und 16 Jahren. Da musst du dich entscheiden, ob duden Sport auch in Zukunft betreiben und die harte Arbeit fortführenwillst. Mit welchem Engagement, mit welcher Hingabe. Aber es ist auchdas Alter, in dem man den Körper unheimlich gut aufbauen kann.Daneben kommt es darauf an, wie es der Sportler versteht, mit seinenNerven umzugehen.»
Haben Sie noch eine Spielerin unter Ihren Fittichen?
Graf: «Ich unterstütze seit zwei Jahren die 14-jährige DominiceRipoll. Sie ist groß, sehr athletisch, ein großes Talent. Trainiertwird sie seit fünf Wochen vom früheren Bundestrainer Markus Schur.Die Voraussetzungen sind da, aber es ist ein langer Weg.»
Stimmt es, dass Sie im Juli in Berlin ein Show-Match bestreiten?
Graf: «Das war angedacht. Daraus wird aber derzeit leider nichts.Bedingt durch die Geburt von Jaz konnte ich lange kein Tennisspielen und bin momentan körperlich noch nicht in der Verfassung.Wenn ich wieder fit bin, werden wir nochmal darüber sprechen.»
Bedeuten die German Open mehr für Sie als Ihr erster Titel '86?
Graf: «Ich habe besondere Erinnerungen an das Turnier, an Plätze,die es heute gar nicht mehr gibt. An die Zeit, als ich meine ersteQualifikation dort gespielt habe. Es war immer etwas Spezielles, zudem Turnier zu kommen. Ich habe die German Open wachsen gesehen.»
Haben Sie Kontakt zu den alten und neuen Spielerinnen?
Graf: «Wenig. Ich gehe ja selten auf die Anlage. Und wenn, kommeich meistens zu Andres Spielen. Die ein odere andere sieht man mal,sagt hallo. Meine frühere Doppelpartnerin Rennae Stubbs spielt janoch - auch in ihrem Alter noch sehr gut. Aber ansonsten habe ichwenig Kontakt.»
Auch nicht durch Ihren früheren Ausrüster, für den Sie immer nochbzw. wieder aktiv sind?
Graf: «Bei einer großen adidas-Veranstaltung habe ich JustineHenin-Hardenne kennen gelernt. Sie ist eine großartige Spielerin undzählte für mich bei den French Open zu den Topfavoritinnen.»
Haben Sie Kontakt zum Deutschen Tennis Bund?
Graf: «Nein. Ich suche den Kontakt aber auch nicht. Ich bindoch viel zu wenig in Deutschland, als dass ich mich einbringenkönnte. Das würde auch nicht in mein Leben passen.»
Tut Ihnen die desolate Situation denn nicht in der Seele weh?
Graf: «Es ist allgemein schade, wenn es mit einem Sport, der soviel Spaß macht und so viel Ansehen hatte und so viele Zuschauer, sorapide bergab geht. Ich weiß nicht, wie oft ich angesprochen werde,wie das angehen kann. Es ist schade, denn Tennis finde ich nach wievor eine der schönsten Sportarten überhaupt.»
Und sie ist allen Unkenrufen zum Trotz eine der beliebtesten ...
Graf: «Ja eben. Selbst in Amerika ist Tennis wieder die Nummerdrei. Vor allem bei den Jugendlichen. Das ist wirklich erfreulich.»
Sie werden Mitte Juli in die «Hall of Fame» aufgenommen. Nach allden Siegen, Preisen und Ehrungen: Was bedeutet diese Auszeichnung?
Graf: «Stress. Öffentliche Auftritte dieser Art, eine Rede haltenzu müssen, sind für mich noch immer nicht angenehm. Aber es istnatürlich auch eine ganz besondere Ehre. Vor allem, wenn manbedenkt, dass es im Grunde genommen eine amerikanische Auszeichnungist. Ich weiß, welchen Stellenwert diese Ehrung hat. Das merke ichschon an den Reaktionen, die ich bekommen habe.»
Genießen können Sie solche öffentlichen Auftritte gar nicht?
Graf: «Es gibt einige Momente, die ich genieße. Aber vorher werdeich mir wieder lange den Kopf zerbrechen und wahnsinnig nervös sein.Das ist einfach mit Bauchschmerzen verbunden.»
Bleibt neben der Familie noch Zeit für berufliche Ziele?
Graf: «Ich habe meine Marketing-Firma, eine Taschen-Kollektionund einige Werbepartner. Es sind wieder zwei dazu gekommen: Unteranderem arbeite ich wieder mit adidas zusammen. Aber die meisteZeit kümmere ich mich um die Kinder.»
Als Gründerin der Stiftung «children for tomorrow» setzten Siesich für traumatisierte Kinder ein. Gibt es Neuigkeiten?
Graf: «Wir haben derzeit vier Projekte in Hamburg, dem Kosovo,Mosambik und Kapstadt und wollen unter anderem unser Projekt inSüdafrika ausweiten. Außerdem bestehen Kontakte zu Hilfsprojekten imNahen Osten. Unser Ziel ist, in Zusammenarbeit mit anderenOrganisationen wie UNICEF nachhaltige Strukturen aufzubauen; diePläne im einzelnen sind aber noch nicht spruchreif.»
Ihr Mann ist 34. Was wird, wenn Andre seine Karriere beendet?
Graf: «Solange Andre fit ist und Spaß an dem hat, was er macht,wird er Tennis spielen. Ich unterstütze ihn dabei voll und ganz.Danach werden wir eine normale Familie - normal in Anführungszeichen.Denn normal heißt normalerweise, dass man täglich zur Arbeit geht.Wir aber werden mehr Zeit haben können als andere Familien. Darauffreuen wir uns natürlich alle.»
Haben Sie keine Angst davor, dass Ihr Mann immer zu Hause ist?
Graf: «Nein, um Gottes Willen. Nein. Wir sind gerne zusammen, under wird auch dann mehr als beschäftigt sein. Andre hat so vieles inLas Vegas aufgebaut, wie zum Beispiel mit seiner Stiftung. Aber erwird auswählen müssen, wofür er sich engagiert. Er wird etwas Zeitbrauchen, um das heraus zu finden.»
Hätten Sie was dagegen, dass Jaden oder Jaz Profisportler werden?
Graf: «Nein, ich hätte nichts dagegen. Ich glaube wir sind sehrfeinfühlig und werden das unterstützen, was die Kinder am liebstenmachen, wofür sie Neigungen entwickeln. Ich glaube, Sport ist niemalsetwas Falsches. Es muss ja nicht gerade American Football oder Boxensein.»
Die Kinder sollen ganz normal aufwachsen?
Graf: «Na klar. Ich lege schon jetzt großen Wert darauf, dass derGroße viel mit anderen Kindern zusammen ist.»
Ist die Familie Graf/Agassi denn schon komplett?
Graf: «Das kann man nicht vorhersagen. Aber zwei finde icheigentlich eine tolle Zahl. Man hat zwei Arme, zwei Hände; und manist zu Zweit. Ich lege Wert darauf, dass ich die Kinder auchwirklich aufwachsen sehe und mit ihnen viel Zeit verbringe. Ich sehedas hier und da bei Bekannten; wenn man drei hat, ist dasschwieriger. Zwei ist eine gute Zahl.»