Interview Interview: «Spanien hat den Druck»
Barcelona/MZ. - Herr Schwarzer, haben Sie diese guten Leistungen der deutschen Nationalmannschaft erwartet?
Schwarzer: So überrascht bin ich nicht. Ich habe schon früher gelernt, dass im Sport alles möglich ist. Es war eben eine Frage, wie die Mannschaft in sich funktionieren würde. Das Erstaunliche und Gute ist nun, dass man sehen kann, wie schnell sie sich entwickelt.
Worin liegt diese Rasanz begründet?
Schwarzer: Es hört sich vielleicht komisch an, aber es könnte daran liegen, dass Topspieler wie Holger Glandorf, Lars Kaufmann oder Uwe Gensheimer nicht dabei sind.
Das müssen Sie erklären.
Schwarzer: Es erscheint schon wie eine glückliche Fügung. Es haben sich neue Strukturen gebildet, Hierarchien, die gut funktionieren. Jeder Spieler in dieser Mannschaft ist auch ein Faktor für den Erfolg.
Was ist im heutigen Viertelfinale gegen Spanien möglich?
Schwarzer: Jetzt heißt es Angriff. Gegen den Gastgeber zu spielen ist doch besonders schön, auch besser als gegen Serbien. Deutschland hat nichts zu verlieren, Spanien wird unter Druck sein. Die müssen uns erst mal schlagen.
War es für den bisherigen deutschen Erfolg wichtig, eher ohne Druck aufspielen zu können, weil niemand Unmögliches erwartet hat?
Schwarzer: Man hatte schon Druck, nämlich den, ins Achtelfinale kommen zu müssen. Aber die Frage ist immer: Wie geht man damit um? Sind entscheidende Partien für einen selbst Druck oder doch positive Motivation?
Was ist Ihr Eindruck?
Schwarzer: Für die ist das eine Herausforderung, die haben Spaß bei dem, was sie machen. Das braucht man, um seine beste Leistung abzurufen.
Zwar wird die Mannschaft in höchsten Tönen gelobt, trotzdem bleibt Spanien der Favorit im Viertelfinale. Was muss die DHB-Auswahl verbessern, um auch diese Probe zu meistern?
Schwarzer: Schon zuletzt gegen Frankreich und Mazedonien haben wir es geschafft, die Schwächephasen zu minimieren. Sie ganz raus zu bekommen, wäre natürlich wünschenswert, ist aber Utopie.
Wie kann man dem nahekommen? Ist das eine mentale Frage?
Schwarzer: Man muss von Spiel zu Spiel lernen, unter Wettkampfcharakter. Sowas kannst du nicht trainieren oder simulieren. Und die Mannschaft beweist im Moment, dass sie das sehr gut hinbekommt.
Kann man es damit auch erklären, dass es in der Auswahl zwar kaum Weltklassespieler gibt, sie aber mit Weltklasseteams wie Frankreich mithalten kann?
Schwarzer: Ein Nikola Karabatic oder Daniel Narcisse ist im Moment noch nicht auf dem Level, andere Mannschaften beherrschen zu können. Die deutsche Mannschaft kann deshalb mithalten, unsere Stärke ist nun einmal auch das Kollektiv.
Dabei wurde immer argumentiert, dass Deutschland mehr Karabatics bräuchte. Zu Unrecht?
Schwarzer: Wir sollten uns schon an den Besten orientieren. Wir müssen im Nachwuchs sicher einiges an der Physis aufarbeiten. Doch wir dürfen unsere eigenen Trümpfe nicht aus dem Blick verlieren. Wir haben gute Nachwuchsspieler, das sieht man bei dieser WM.
Eine Mannschaft, mit der man schon wieder zur erweiterten Weltspitze zählt?
Schwarzer: Wenn man ein Turnier mal gut spielt, ist man nicht gleichzeitig zurück in der Weltspitze. Man muss so eine Leistung schon über Jahre bringen.
Was ist nötig, damit dies der deutschen Auswahl in naher Zukunft wieder gelingt?
Schwarzer: Sie soll so Handball spielen wie im Moment. Mit Leidenschaft, Herz und Willen. Wir müssen in der Jugend und bei den Junioren so gut arbeiten, dass die Vereine an den Talenten einfach nicht mehr vorbeikommen.
Sollte dieser Weg mit Martin Heuberger als Bundestrainer gegangen werden?
Schwarzer: Das würde schon sehr gut passen. Er kennt seit Jahren die jungen Spieler, die da nachkommen, aus dem Effeff.
Die ARD überträgt das Viertelfinale Spanien gegen Deutschland heute ab 18.50 Uhr live.