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Interview Interview: Eduard Geyer: «Dieses sehr viele Geld ist ein Hemmschuh»

06.10.2004, 13:39

Cottbus/dpa. - Bei Eduard Geyer denken die Fans zuerst an Cottbus, anDynamo Dresden, an die Duelle mit Uli Hoeneß, an den letztenDDR-Nationaltrainer. Was ist Ihnen beim Rückblick am wichtigsten?
Geyer: «Am frischsten sind natürlich die Erfolge mit Energie. Aber es gab Meilensteine, bei denen ich es durch die Umstände nicht immerleicht hatte. Wenn ich nur an das letzte WM-Qualifikationsspiel mitder DDR 1989 in Österreich denke, als gerade die Mauer aufgegangenwar. Die Spieler waren total abgelenkt, habe sich nur um andereVereine gekümmert - und wir haben 0:3 verloren und die WM-Teilnahmeverspielt.»

Beim Rückblick auf 60 Jahre, was hat den Trainer undMenschen Eduard Geyer am meisten geprägt?
   Geyer: «Da meine Eltern nicht reich waren, musste ich mir vonBeginn an alles auch selbst erarbeiten. Davon wurde ich geprägt, sodass ich ein sparsamer Mensch bin. Geld für Urlaub oder anderes habeich mir als Kellner und Transportarbeiter erarbeitet. »

Alle kennen den engagierten, tobenden Geyer. Wie sieht derandere Eduard Geyer aus?
Geyer: «Ich bin ein Familienmensch. Wir gehen nie aus dem Haus,ohne gemeinsam zu frühstücken. Wir laden die Kinder am Sonntag zumMittagessen ein, wenn es geht. Ohne eine intakte Familie geht garnichts. Ich habe ein gutes Verhältnis zu meinen Eltern undSchwiegereltern, bin seit 37 Jahren verheiratet, habe zwei Söhne, dieihren Weg gehen. Ich kann mich erinnern, dass meine Mutter amMonatsende kein Geld mehr hatte, mir aber doch noch die eine Mark fürdas Kino gegeben hat.»

Was werten Sie als Ihre größten Erfolge?
   Geyer: «Zuerst sicher den Meistertitel mit Dynamo Dresden 1989,als wir nach zehn Jahren den BFC Dynamo abgelöst haben. Dann dasHalbfinale im Meistercup gegen den VfB Stuttgart. Und natürlich denBundesliga-Aufstieg mit Energie.»

45 Ihrer 60 Jahre haben Sie in der DDR gelebt. Heutegelten Sie als ostdeutsche Identifikations-Figur fast wie dasSandmännchen oder die Puhdys. Wie erklären Sie sich das selbst?
   Geyer: «Erstens wollen die Leute nicht beschissen werden, siewollen hören, was gut und schlecht ist. Und sie wollen, dass man sichin seiner ganzen Art nicht verbiegt. Viele denken auch, dass esGrundsätze der Moral gibt, Disziplin und Regeln gehören genauso dazuwie sich für jemanden einzusetzen. Davon wird ja der Mannschaftssportgeprägt. Ich versuche, eine ehrliche Art rüber zu bringen - und sosieht dann auch der Fußball aus. Ich treffe übrigens auch vieleLeute, die nicht aus dem Osten kommen und das unterstützen. »

Andere sagen, Sie gehören zu einer aussterbendenTrainer-Generation, die vor allem Wert auf Disziplin und Ordnunglegt. Wie hat sich denn der Beruf des Trainers geändert?
   Geyer: «Um hundert Prozent. Du kannst nicht trainieren wie vor 30Jahren, ich trainiere weniger, der Umgang mit den Spielern hat sichgeändert. Es wird viel mehr hinterfragt von den Spielern. Und jeder,der sich bemüht, kann natürlich auch den Mund aufmachen. Aber die,die sich durchnassauern, die faulen, die sollten lieber schweigen.Ich versuche insgesamt, die Spieler mehr einzubinden. Und natürlichist die Medienpräsenz ein großer Einfluss. Die Spieler werden auf einbestimmtes Podium gehoben, was manchmal direkt gefährlich ist. Vielekönnen sich nicht richtig einschätzen.»

Wie war denn Eduard Geyer als Spieler?
   Geyer: «Als meine Familie von Schlesien nach Dresden kam, drehtesich schon alles um Sport, um Fußball. Einer meiner beiden Brüderspielte auch Fußball, mein Vater auch. Ganz am Anfang war ichTorwart. Aber da gab es ja noch keine kleinen Tore, wir haben immerGroßfeld gespielt. Und da habe ich immer die Dinger oben reingekriegt, mit der Zeit hatte ich davon den Kanal voll und bin Stürmergeworden. 1968 kam ich von Einheit zu Dynamo Dresden, spielte einJahr in der 2. Liga und bin dann gleich aufgestiegen. Walter Fritzschhat als Trainer maßgeblich das Profil von Dynamo Dresden geprägt.»

Auch Ihr Profil?
   Geyer: «Ich denke schon. Ich hätte mir selbst einen Trainergewünscht, der mich richtig gefordert hätte. Das muss mit 18 bis 20passieren. Kopfballspiel habe ich erst bei Fritzsch gelernt mit 23.Das ist wie bei Lehrern: Da hat man auch die gern gehabt, die nurGeschichten vorgelesen haben. Aber am Ende hast du die in Erinnerungbehalten, die streng und unbequem waren, bei denen du was gelernthast. Natürlich siehst du das als junger Mensch nicht alles ein.»

Was wollen Sie erreichen?
  Geyer: «Man müsste in manchen Fragen noch stärker zu altenTugenden zurück kommen. Wir stellen uns immer hin und sagen, anderehaben aufgeholt. Aber wir haben auch etwas falsch gemacht. Ich habeden Eindruck, dass wir im konditionellen, physischen Bereich auchgroße Reserven haben, dass viele Spieler gar nicht gewillt sind, andie Leistungsgrenzen zu gehen. Es ist so: Ein fetter Gaul rennt nichtgern. Wenn ich alles habe, mir alles leisten kann und soll immerwieder die ganze Leistung abrufen - das ist nicht leicht. Dieses sehrviele Geld ist auch ein Hemmschuh. Ob wir den Spieler da mal 20 000Euro wegnehmen wegen Verspätung nach dem Urlaub, da feixt der dochdrüber, wenn er 2 Millionen verdient.»

Wie hat sich denn Ihr Verhältnis zu Geld geändert, bei Dynamohaben sie mal 1300 Ostmark verdient, jetzt verdienen Sie dasMehrfache?
   Geyer: «Das ist eine Frage der Erziehung. Ich würde zwar meinerFrau oder meinen Kindern alles geben, aber ich würde meinen Kindernkein Auto kaufen für 20 000 Euro, die müssten sich das irgendwieerarbeiten. Ich würde ihnen helfen, aber alles so leicht machen, istungesund und für das weitere Leben sträflich. Auch ich könnte mirmehr leisten und etwas verschwenderischer sein, aber man ist eseinfach nicht. Ich war mal in Las Vegas, habe auch gespielt. Aber ichwürde nicht 1000 Euro verspielen. Ich würde mich über 100 schonärgern.»

Sind Sie eine Spieler-Natur?
   Geyer: «Ich spiele gerne, bin aber kein Hasardeur. Ich spieleSchach, Halma, Karten - alles. Aber nur mit kleinen Einsätzen und zumSpaß. Aber Zocken, das ist nichts für mich.»

Haben Sie sich in den 15 Jahren nach der Wende eigentlichgeärgert, dass es ein Angebot von einem großen Club nicht gab?
   Geyer: «Erst hatte ich gedacht, ich war erfolgreich mit Dynamo,habe die Nationalmannschaft trainiert, da ist es kein Problem, imWesten einen Job zu bekommen. Aber ich musste mich mit denBegebenheiten abfinden und war die ganze Zeit zufrieden, dass icheine Arbeit hatte, ehrlich! Ich hatte Siofok, Sachsen Leipzig, ichhatte Angebote von Union Berlin und Erfurt, habe mal mit Bochumverhandelt, war mal bei Hertha im Gespräch. In dem Moment ärgerteinen das schon, wenn man anderes gewohnt war, zum Beispiel imEuropacup zu spielen. Aber wenn man dann eine Aufgabe hat, darf mansich auch nicht ablenken lassen.»

Aber Sie hätten mehr verdient?
Geyer: «Ich habe in Leipzig 5000 Mark brutto verdient, genausoviel auch zuerst in Cottbus. Aber da wir dann 2. Liga wurden und 1.Liga habe ich dann hier ja trotzdem ganz gut verdient, den Umständenentsprechend, was nicht zu vergleichen ist mit jedem gestandenenVerein. Aber dass ich mich ewig damit beschäftigt hätte, dassNeidgefühle aufgekommen wären, das gab es nicht. Das war auchmein Vorteil, sonst hätte man nie so viel erreichen können.»

Wie sehen denn Ihre Wünsche und Ziele nach dem 60. aus?
Geyer: «Erste Bundesliga wird sowieso schwer. Ich habe immergesagt: In dieser Region musst du Profi-Fußball erhalten, das istschon sehr viel. Meine Wünsche sind, gesund zu bleiben und mehrSpiele zu gewinnen als zu verlieren.»

Können Sie sich vorstellen, noch einmal eine ganz neueAufgabe anzugehen?
Geyer: «In zwei Jahren muss ich ja was anderes machen. Schluss istnoch nicht, bei meinem bisschen Rente kann ich noch nicht aufhören.Was soll ich groß planen. Es ist ein Unterschied, ob du 40 oder 60bist. Auf jeden Fall werden es dann nur Kurz-Visiten von ein, zweiJahren sein, wenn ich in Cottbus aufhöre. Nochmal zehn Jahre wird essowieso nicht geben.»