Internetseelsorge immer öfter nachgefragt
Würzburg/Hamburg/dpa. - Seelsorge und Beratung sind von jeher eine wichtige Aufgabe der Kirchen. Doch seit einigen Jahren müssen Trauernde und Ratsuchende dazu nicht mehr unbedingt das direkte Gespräch mit einem Pfarrer oder Berater suchen.
Ein Computer und ein Internetzugang reichen - die Seelsorge per Chat oder E-Mail ist mittlerweile eine feste Größe im Netz. Vor allem in der dunklen Jahreszeit können sich die Internet-Helfer vor Anfragen kaum retten.
«Meist sind es junge Erwachsene zwischen 35 und 40 Jahren, die uns schreiben», sagt Uwe Holschuh, Diakon im Bistum Würzburg und Gründer von «Kummernetz». Ratsuchende können sich unter www.kummernetz.de direkt an einen Berater wenden und per Mail einen Dialog mit ihm beginnen. Während die rund 50 Berater sich mit Fotos und kurzem Steckbrief auf der Webseite vorstellen, bleiben die Hilfesuchenden in der Regel anonym. «Oft geht es um Partnerschaftsprobleme, Depressionen oder Suizidgedanken», sagt der katholische Theologe.
Nicht immer ist das Anliegen jedoch sofort deutlich. «Die kürzeste Mail, die ich bekommen habe, bestand aus einem Wort: Hilfe!», sagt Jörg Fenske, evangelischer Internetseelsorger aus Hamburg. Andere schreiben sich ihren Kummer komplett von der Seele: «Die längste Mail umfasste ausgedruckt 28 DIN-A-4-Seiten», sagt der Pfarrer, der die Seite «www.seelsorge-im-netz.de» betreut. Etwa ein Drittel der Ratsuchenden belasse es beim einmaligen Kontakt. Bei einem weiteren Drittel komme es zu fünf bis zehn Mailkontakten hin und her, ein Drittel sind Langzeitkontakte von bis zu einem Jahr Dauer.
Beim Kummernetz dagegen bleibt der Kontakt von vornherein auf vier Antwortmails des Beraters begrenzt. «Das Medium Internet gibt nicht mehr her - und wir können auch kein reales Gespräch ersetzen», sagt Holschuh. Ein Ziel sei es daher, die Ratsuchenden an eine Beratungsstelle in ihrer Nähe zu verweisen. «Wir bieten keine Therapien und keine spezielle Beratung an», sagt auch Fenske. Wer zum Beispiel Geldprobleme hat, werde an eine Schuldnerberatung weitergeleitet.
Alternativ zum Mailkontakt mit einem Berater können Hilfesuchende bei Kummernetz ihr Problem aber auch in einem Forum schildern. Das Beschränken der Mailberatung hat auch praktische Gründe: Die Internet-Seelsorger sind oft ausgebucht. Viele arbeiten außerdem ehrenamtlich nach Feierabend und haben sich in Wochenendkursen für die Beratung qualifiziert. «Das geht von der Hausfrau bis zum Rechtsanwalt», sagt Holschuh.
Obligatorisch ist eine regelmäßige Supervision - schließlich sind manche Fälle auch für die Berater belastend. Vor allem zwei Bereiche sind laut Fenske in der Internetseelsorge öfter Thema als in der realen Beratung: Selbstverstümmelung und sexueller Missbrauch. «Das liegt natürlich auch an der Anonymität des Mediums.»
Dass nicht einmal mehr das Geschlecht oder Alter der Klienten anhand der Stimme zu identifizieren ist, unterscheidet die Netz- auch von der Telefonseelsorge. Das klassische Beratungsangebot der Kirchen hat wegen des wachsenden Bedarfs unter www.telefonseelsorge.de einen Internet-Bereich eingerichtet. «Unsere Chat-Beratung ist ziemlich gut ausgebucht», sagt der katholische Telefonseelsorge-Beauftragte Hans-Gerd Angel aus Bonn. Ein Ausbau sei dennoch nicht ohne weiteres möglich: «Es hängt auch daran, dass wir noch keinen Sponsor haben - bei der Telefonseelsorge trägt ja die Telekom alle Gesprächskosten.»
Doch fündig werden Ratsuchende auch auf den Seiten einzelner Bistümer, Landeskirchen oder Klöster. «Vieles wächst einfach so heran», sagt Angel. Eine Linkliste gibt es zum Beispiel auf den Seiten der christlichen Suchmaschine «crossbot.de». Dort wird unter www.chatseelsorge.de etwa ein Kontakt zu Chats mit evangelischen Pastoren vermittelt. Ein spezielles Angebot gibt es unter www.seelsorge.net: Hier bieten die Schweizer Kirchen auch eine SMS-Seelsorge an. «Das gibt es bundesweit leider noch nicht», bedauert Fenske.
Als Missionsfeld sehen die Kirchen die Internetseelsorge dagegen nicht. «Keiner fragt: Warum kann ich nicht glauben?», sagt Pastor Jörg Fenske. Eher gehe es darum, eine «lebensbejahende Erklärung» für traurige oder dramatische Situationen zu finden. Allerdings biete es sich manchmal schon an, beispielsweise mit einem Psalmwort zu kommen, sagt Diakon Holschuh: «Mancher sagt dann doch: Das hat mir geholfen.»
Seelsorge online: www.kummernetz.de
Hilfe bei Kummer im Internet: www.seelsorge-im-netz.de
Klassische telefonische Seelsorge: www.telefonseelsorge.de
Christliche Suchmaschine www.crossbot.de
Kontakt zu Chats mit evangelischen Pastoren: www.chatseelsorge.de
SMS-Seelsorge: www.seelsorge.net