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Internet Internet: Wenn Viren Hilfe rufen

Von Steffen Könau 28.07.2006, 17:04

Halle/MZ. - Wer mag da noch widerstehen? Schnell wird das komplette Adressbuch mit der flehentlichen Bitte bedacht, die man geschickt bekommen hat, weil die eigene E-Mail-Adresse bei jemandem im Adressbuch steht, der genau so dachte: Wenn ich schon nicht helfen kann, dann schicke ich's wenigstens weiter.

Es geht schließlich um Großes, Lebenswichtiges sogar - wie bei der Mail, die in diesem Sommer wieder kursiert. Heiko Spatz aus Goldbach, heißt es da, habe eine Freundin, die an Leukämie erkrankt sei und dringend einen Knochenmarkspender brauche. Spatz meint es ernst, er schickt sogar seine Handynummer mit. Der Reflex vieler Empfänger ist klar: Da muss man helfen, das muss man weiterleiten.

Genau das macht aus, was Experten einen Hoax (Schabernack) nennen: Eine erfundene Geschichte wird so glaubwürdig erzählt, dass jeder, der sie hört, sie sofort weitererzählt. Daraus wird, wenn alles klappt, eine Art sozialer Virus, der sich immer weiter verbreitet - wie eben die Story von Heiko Spatz' leukämiekranker Freundin, die ganz zu Beginn ihrer Internet-Karriere mal Julia S. hieß.

Das war im Jahr 2000, und schon damals stimmte nichts an der Geschichte: Weder war Julia S. an Leukämie erkrankt, noch auf der Suche nach einem Spender.

Den Siegeszug des von Wildfremden verfassten Hilferufs verhinderte das nicht. Und so hatte auch Heiko Spatz eines Tages eine Mail mit der Überschrift "Wenigstens weiterleiten" im Postfach. Spatz tat noch mehr. Er schrieb ein paar persönliche Zeilen, um der Bitte Nachdruck zu verleihen. Und hängte seine Signatur an die Rundmail.

Das war im Jahr 2002. Seitdem ist die Welt nicht mehr dieselbe für den Mann aus der Nähe von Aschaffenburg. Anfangs bekam Spatz 50 bis 60 telefonische Hilfsangebote am Tag, bis heute mailen ihn Menschen an, die mehr über Julia S. und ihr Schicksal wissen wollen. "Das zeigt, welche Gefahr Kettenbriefe in sich bergen", meint Frank Ziemann, der an der TU Berlin seit Jahren einen Hoax-Info-Service betreibt. Einmal unterwegs, seien solche Mails nicht stoppen, sie verselbständigen sich - egal, ob sie nun Warnungen vor nicht existierenden Viren beinhalten, Aufrufe zu Knochenmarkspenden oder Tipps zu angeblich gerade kostenlos irgendwo zu beziehenden Handys.

"Wenn man den Verdacht hat, einen Hoax identifiziert zu haben", empfiehlt der Experte, "sollte man das den Absender wissen lassen." Meist hilft schon eine kurze Suche im Internet, um den Schwindel zu enttarnen. Wenn der Absender dann beim nächsten Mal selbst nachschaut, ehe er auf "Senden" drückt, stirbt der nächste Hoax, ehe er, wie der Julia-S.-Virus in diesem Jahr, ins schulpflichtige Alter kommt.

Mehr Informationen unter dem Link.