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Ihr wart so toll!

Von Oliver Seifert 25.02.2004, 14:54

Halle/iposa. - Vom 8. Kickstart-Festival im halleschen Studentenklub Turm hatte der Konzertgänger recht wenig, es sei denn, er war verwandt bzw. verschwägert mit einem der Musiker (und ist es jetzt auch noch), oder ihn trieb heftigste Sympathie (denn er mag jemanden, der mit einem der Musiker verwandt bzw. verschwägert ist). Die „fetten Freitage“, die „cooler als Fernsehen“ waren, wie es dem nicht mehr ganz jugendlichen Jurymitglied Michael Roch zur Gewinner-Party im jugendlichen Slang entfuhr, müssen woanders stattgefunden haben. Womöglich daheim vorm Fernseher.

Die Gründe für den bedingt unterhaltsamen Nachwuchswettbewerb in der technischen Qualität der Darbietungen zu suchen, wäre ungerecht. Wenn man sich allerdings mehr als handwerkliche Fertigkeiten von einer Band erhofft, dann waren die Abende im Turm mit ihrem enormen Mut zur Mittelmäßigkeit wohl vertane Zeit. Inspiration schien die meisten Bands noch nicht übermäßig angefressen zu haben, das kreative Werkeln an einem eigenen musikalischen Ausdruck blieb auf das Nachhäkeln bekannter Rock- Muster beschränkt, die Auftritte waren in jeder Hinsicht unspektakulär.

Zur Gewinner-Party konnten nur Still Ill wachrütteln durch ihren lauten, grunzigen Monsterrock. Die Band setzte dem biedermeierlichen Odeur der Mit-Wettbewerber einen Hauch von Anarchie entgegen. Krächzende Gitarren und Urlaute, die sich zu „Fucks“ und „Yeahs“ formten, dazu ein sonderbarer Sänger, der Gefahr lief, gesiezt zu werden, der aber überhaupt etwas zu sagen hatte, selbst wenn er nur die vier Veranstalterlügen aufzählte: 1. Ihr wart toll. 2. Das müssen wir unbedingt nochmal machen. 3. Ich rufe euch an. 4. Das Geld wird überwiesen.

Bezeichnenderweise blieb für das zwischen Wahnsinn und Westernhagen dilettierende Trio nur der zweite Publikumspreis. Den ersten Jurypreis gewannen Low Budget, von den langweiligen Bands noch die langweiligste. So sehr ihr hausbackener Funkrock vorhersehbar blieb, so wenig überraschten die Musiker bei der inhaltlichen Ausgestaltung ihrer Songs: Titel wie „Jump Around“, „Party Funk“ oder „Summer Mambo“ gaukeln erst gar keine Tiefe vor. An dieser lauen Darbietung lobte die Jury die solide Performance, das Handwerk und den Gute-Laune- Charakter der Musik. Was hier mit einer Studioproduktion belohnt wurde, war vor allem Low Budgets Konformismus sowie die affektive Abfeier der Belanglosigkeit.

Der Band kann dabei nur insoweit ein Vorwurf gemacht werden, als dass sie die Musik verantwortet, die von der Jury ausgezeichnet wurde. Mehr scheint das Problem bei Kickstart selbst zu liegen, wie ein Blick auf die Regularien des Nachwuchswettbewerbs zeigt (unter www.kickstart.de nachzulesen).

Denn einerseits sollen den Bewerbern keine künstlerischen Grenzen gesetzt werden, andererseits wird „live-präsentierbare Musik“ erwartet,

die „annähernd der stilistischen Richtung Rock“ entspricht. Diese programmatische Stoßrichtung wird dann mit einer abwegigen Behauptung gerechtfertigt: „Trotz der verschiedenen Trends wie Techno, Ambient und House wird Rockmusik auch in Zukunft die wichtigste Kultur sein, die unsere Jugend bewegt und vereint.“ Die (bewusste) Verkennung der Realität setzt sich fort, wenn die Rockbranche durch „ausverkaufte Klubkonzerte“ und „steigende Plattenumsätze“ charakterisiert wird.

Was Kickstart insbesondere sucht, lässt sich in Halle und Umgebung leicht fi nden: traditionell geschulte Rockerchen. Das ist kein Problem – wenn man denn akzeptiert, dass ein Wettbewerb für Nachwuchsmusiker, der eine große Zahl von ihnen bereits von vornherein verprellt, nicht unbedingt interessanter wird. Und wenn man weiß, wie mit den von den Juroren in Schleife gebeteten Leerformeln umzugehen ist: 1. Alle waren gut. 2. Die Auswahl fiel sehr schwer. 3. Es war sehr spannend. 4. Es konnte nur einer gewinnen.

Dringend gesucht Wer kennt diese Kickstart-Gewinnerbands oder kann Aussagen zu ihrem Verbleib machen? Zombie Joe (Gewinner 1997) WBS 70 (Gewinner 1998) Diggerfish (Gewinner 1999) Seventh Lane (Gewinner 2000) Boing Agrupapulci (Gewinner 2001) Grobi (Gewinner 2002) Los Carteros (Gewinner 2003) Die Kickstart-Gala 2004, bei der noch einmal alle Gewinnerbands auftreten, findet am 19. März im Turm statt. www.kickstart.de