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Hessen plant Aus für Beherbergungsverbot

16.10.2020, 16:10
Zu Beginn der Plenarsitzung des hessischen Landtags hängt ein Mund-Nasen-Schutz zwischen zwei Mikrofonen. Foto: Arne Dedert/dpa/Archivbild
Zu Beginn der Plenarsitzung des hessischen Landtags hängt ein Mund-Nasen-Schutz zwischen zwei Mikrofonen. Foto: Arne Dedert/dpa/Archivbild dpa

Frankfurt/Main - Nach Diskussionen um das Beherbergungsverbot für Reisende aus innerdeutschen Corona-Hotspots plant das Land Hessen die Abschaffung der Regelung. Das kündigte die Staatskanzlei in Wiesbaden am Freitag laut einer Mitteilung an. Die Pandemie entwickelt sich in Hessen derweil weiterhin dynamisch. Die Zahl der bestätigten Corona-Infektionen stieg erneut binnen eines Tages um mehr als 600 Fälle. Besonders betroffene Kommunen erließen neue Maßnahmen zur Eindämmung des Virus.

BEHERBERGUNGSVERBOT - Die geplante Abschaffung steht laut Staatskanzlei auf der Tagesordnung für eine Sitzung des Corona-Kabinetts am Montag. Das Gremium der Landesregierung werde auch über die konkrete Umsetzung der Beschlüsse der Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten mit der Bundeskanzlerin diese Woche beraten. „Das bestehende und gut funktionierende hessische Eskalationsstufenkonzept soll dazu ergänzt und angepasst werden”, teilte die Staatskanzlei mit. In Hessen gibt es seit Juli ein Beherbergungsverbot. Mehrere Länder hatten die Regel zuletzt gekippt.

FALLZAHLEN UND HOTSPOTS - Nach Zahlen des Robert Koch-Instituts (RKI) in Berlin vom Freitag wurden innerhalb eines Tages weitere 671 Corona-Fälle in Hessen bestätigt. Zwei weitere Menschen starben an den Folgen einer Infektion, insgesamt gibt es bisher 571 Todesfälle. Seit Beginn der Pandemie wurden 24 151 Infektionen gemeldet.

Kassel überschritt die 100 bei der Zahl der Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen: Die Stadt liegt nach einem Ausbruch in einer Flüchtlingsunterkunft laut RKI bei einer Inzidenz von 100,9. Offenbach erreichte nach Stadtangaben einen Wert von 110,5 Fällen. Zu den Corona-Hotspots in Hessen zählen nun auch Wiesbaden mit einem Wert von 53,1, zudem der Rheingau-Taunus-Kreis mit 56,6 und der Hochtaunuskreis mit 52,8.

Von Kommunen selbst gemeldete Zahlen können von den RKI-Zahlen abweichen, da sie die Daten mit Zeitverzögerung weitergeben. Zahlen, die die Kommunen selbst nennen, sind in der Regel aktueller als die aus Berlin oder Wiesbaden.

NEUE REGELUNGEN - Mehrere Kreise und Kommunen reagierten mit weiteren Maßnahmen auf die steigenden Corona-Infektionszahlen, darunter die Stadt Offenbach, die die Kontakte ihrer Bürger weiter einschränkt. Ab Montag gilt unter anderem, dass sich nur noch maximal drei Menschen aus verschiedenen Haushalten im öffentlichen Raum treffen dürfen, kündigte die Stadt am Freitag an. Dies gilt auch zuhause und für die Gastronomie. Zwischen 23.00 und 6.00 Uhr darf kein Alkohol verkauft werden, die entsprechende Sperrstunde für die Gastronomie wird verlängert. Auch für private Feiern und beim Sport gelten weitergehende Einschränkungen. Wenn sich Menschen zweier Haushalte in Offenbach treffen, soll die Personenzahl auf maximal zehn beschränkt werden.

Wiesbaden kündigte ebenfalls weitere Beschränkungen von Montag bis 1. November an, gemäß der zwischen kreisfreien Städten und Kreisen im Rhein-Main-Gebiet erzielten Vereinbarung, ab einer bestimmten Inzidenz einheitlich zu reagieren. Dazu zählt etwa eine Maskenpflicht für alle Schüler ab der 5. Klasse nach Ende der Herbstferien, auch ist etwa der praktische Sportunterricht in geschlossenen Räumen wie Turnhallen oder Schwimmhallen untersagt. Frankfurt verwies auf bereits am Donnerstag verkündete, ab Montag geltende Beschränkungen. Hier gilt dann unter anderem neben der Maskenpflicht in weiterführenden Schulen auch eine im gesamten Innenstadtbereich sowie eine Sperrstunde und ein Verbot des Verkaufs von Alkohol ab 23.00 Uhr. In Frankfurt dürfen sich ab Montag bei Trauerfeiern in Trauerhallen der Friedhöfe auch nur noch maximal zehn Personen aufhalten.

KRITIK AN MASKENPFLICHT - Die angekündigte verschärfte Maskenpflicht für viele Schüler im Rhein-Main-Gebiet stößt bei der Linksfraktion im hessischen Landtag auf Kritik. „Die nun beschlossene Maskenpflicht ab Jahrgangsstufe 5 ist nicht mehr als ein verzweifeltes Pflasterkleben auf große Wunden”, erklärte die bildungspolitische Sprecherin Elisabeth Kula in Wiesbaden. Besser wäre ein Konzept, wie in Schulen mit Kleinstgruppen und genügend Sicherheitsabstand unterrichtet werden kann. Die derzeit besonders betroffenen Städte und Landkreise im Rhein-Main-Gebiet hatten sich auf gemeinsame und weitreichende Maßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus verständigt.

FLÜCHTLINGSUNTERKUNFT - Nach dem Corona-Ausbruch mit 112 Infizierten in der Kasseler Flüchtlingsunterkunft wirft der Wohlfahrtsverband „Der Paritätische” dem Land Hessen Versäumnisse vor. Trotz Corona-Pandemie müssten Flüchtlinge vielerorts auf zu engem Raum leben, sagte Sprecherin Barbara Helfrich am Freitag: „Wir haben keine räumliche Entzerrung beobachtet, zumindest nicht flächendeckend.” Die Landesregierung habe die Problematik ausgeblendet: Es werde über das Corona-Risiko privater Feiern, über das Beherbergungsverbot aber nicht über die Flüchtlingsunterbringung diskutiert.

Nach Bekanntwerden des Ausbruchs hatten Ärzte, die in der Einrichtung Flüchtlinge betreuen, Vorwürfe gegen das zuständige Regierungspräsidium erhoben. Dieses hatte argumentiert, es sei ausreichend Platz vorhanden, eine Verlegung Erkrankter sei wegen drohender neuer Infektionsketten nicht möglich. (dpa/lhe)