Hannes Lehmann Hannes Lehmann: Sound zum Leben in der Provinz
Halle/iposa. - Seit vielen Jahren bereits wohnt Hannes Lehmann, Jahrgang 1976, in Berlin, am Nabel Deutschlands, und doch klingt die Musik seiner Band Contriva so, als hätte er Halle nie verlassen. So wenig großstädtische Aufgeregtheit findet sich in ihr, keine lautstarke Kritik der Zustände, denn Contriva ersparen sich Texte zu ihren Songs, nicht mal angeberische Rockriffs oder urbanes Elektronikgegluckse gibt es. Contriva ignorieren die Weiterentwicklungen innerhalb der Popmusik. Sie platzieren ihre Musik dort, wo kein Hype, kein Trend zu vermuten ist, obwohl auch diese Sturheit wieder Gefahr läuft, von windigen Labelbossen gewinnbringend verkauft zu werden. In konventioneller Besetzung – Lehmann spielt hauptamtlich das Schlagzeug – entstehen Instrumentalstücke, die von einer “wurzellosen Folkmusik” (Presseinfo) träumen. Musik als schüchterne Hymne auf die Provinz. Und eine vertonte Landpartie. Die Aufnahmen zu ihrem aktuellen Album “If You Had Stayed...” (Monika Enterprise/Indigo) vollzogen Contriva, die durch einen Song für den Sampler “Musik fürs Wohnzimmer” erstmals auffielen, deshalb konsequent in einem Kaff der Uckermark.
Die Welt zieht hektisch und krawallig an ihnen vorbei, während sie auf einer Wiese sitzen, Gräser kauen und den Wolken nachhängen. Danach scheint es konsequent, dass sich Hannes Lehmann, seit seiner Einschulung in Berlin nur noch wochenweise in Halle zu Gast, sogleich an Ausflüge zum Petersberg erinnert, an Spaziergänge durch die Heide, vor allem erinnert er sich an die besondere Stille des Südfriedhofs – dort liegt sein Großvater begraben. Lehmann kommt noch heute gern zurück: Vor den Aufnahmeprüfungen zur Schauspielschule fand er in Halle Ruhe und Konzentration. Seit Herbst 2001 studiert er nun Schauspiel in Rostock.
Ohne Berlin jedoch hätte Contrivas Soundpflänzchen nicht Wurzeln schlagen und Beachtung wegen seiner feingliedrigen Schönheit finden können. “In Berlin kommen mehr Leute zu den Konzerten, es gibt Label und Agenturen, die Presse nimmt dich ganz anders wahr”, sieht es Hannes Lehmann nüchtern. Am Ende zeigt sich am Beispiel Lehmanns die Paradoxie der Peripherie: Erst wer die Provinz verlassen hat, kann von ihr in den höchsten Tönen singen. Dabei ist er aber auf die Infrastruktur einer Großstadt angewiesen.