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Große WM-Koalition Große WM-Koalition: Merkel stärkt Reformer Klinsmann den Rücken

Von Jens Mende und Klaus Bergmann 15.03.2006, 16:48

Berlin/dpa. - «DieBundesregierung wird sie unterstützen», versprach dieRegierungschefin am Mittwochabend beim gemeinsamen Gipfel-Essenmit Klinsmann, WM-Chef Franz Beckenbauer und einer von Präsident TheoZwanziger angeführten DFB-Delegation im Berliner Kanzleramt. Merkelrichtete den Blick optimistisch auf das am 9. Juni beginnendeGroßereignis: «Ich bin überzeugt, die WM wird auch sportlich einErfolg.»

In ihrem launigen Statement ermunterte die CDU-Politikerin denseit der 1:4-Niederlage in Italien stark in der Kritik stehendenKlinsmann dazu, unbedingt seinen Reformkurs mit jungen Spielernfortzusetzen: «Ich bin überzeugt, dass Jürgen Klinsmann und sein Teamauf einem guten Weg sind. Von Kritik darf man sich nicht beeinflussenlassen.» Klinsmann bedankte sich bei der Kanzlerin für die «nettenWorte der Aufmunterung» und versprach, sie zu beherzigen. «Wenn manwas vorantreiben will, gibt es auch auf die Mütze. Wir werdenunser Ding durchziehen, egal, wo der Wohnort ist», sagte er insüffisanter Anspielung auf die zuvor gemachte Bemerkung von WM-ChefBeckenbauer, der «im Spaß» erklärt hatte, Klinsmann habe von derkalifornischen Sonne genug und werde «jetzt ganz nach Deutschlandziehen».

Es fiel auf, dass Klinsmann und Beckenbauer nicht nur vor derPresse nach ihren atmosphärischen Störungen die Nähe suchten. Auchverbal ging Klinsmann auf Schmusekurs mit dem «Kaiser», als er sagte:«Franz Beckenbauer sorgt mit seinem Stab dafür, dass es die größteund beste WM aller Zeiten wird. Wir wollen dafür sorgen, dass es auchsportlich eine erfolgreiche wird.» Er nahm sich seinen ehemaligenTrainer sogar zum Vorbild, denn wie Beckenbauer 1990 wolle er dieNationalelf am 9. Juli möglichst zum Titelgewinn führen. Beckenbauerrief wie Merkel zum nationalen Schulterschluss auf: «Die WM ist einegroße Chance, das wissen wir alle. Also - packen wir es an.»

Nach einem gemeinsamen Gruppenfoto wurde hinter verschlossenenTüren weiter diskutiert und dabei gespeist. Trotz WM-Sorgen, neuemWettskandal und der andauernden Debatte um Klinsmann wollte von denBeteiligten niemand von einem Krisengipfel sprechen. «Das ist einreines Informationsgespräch», betonte Beckenbauer. Die Kanzlerin wiesBegriffe wie «Friedens»- oder «Schlichtungsgipfel» ebenfallsausdrücklich zurück. Einmischen in Differenzen wie jüngst zwischenBeckenbauer und Klinsmann will sie sich nicht. Scherzhaft meinte sieetwa: «Wer von mir ein Machtwort in der Torwartfrage erwartet, denmuss ich enttäuschen.» Stattdessen gab es ein Pauschallob für alledeutschen WM-Macher: «Sie alle leisten einen vorzüglichen Job.»

Eine Woche vor dem Richtung weisenden Länderspiel gegen die USA inDortmund, von dessen Ausgang wesentlich die Stimmung im Gastgeber-Land in den noch verbleibenden 85 Tagen bis zur WM abhängt, wurde inder Hauptstadt hinter den Kulissen am Mittwoch an einer nationalenWM-Allianz gearbeitet. Der «Kaiser» nutzte nach dem Zeit raubendenBesuch in bislang 30 Ländern, die vom 9. Juni an bei der WM inDeutschland vertreten sein werden, die Gelegenheit zu Gesprächen«über verschiedene Themen» - gerade auch mit Klinsmann.

Entspannung auf allen Ebenen war im WM-Endspielort angesagt. Soerklärte Beckenbauer zum Streit mit dem Bundestrainer, den er nochvor einer Woche scharf attackiert hatte: «Wen soll man dennversöhnen, wenn es nichts zu versöhnen gibt?» Er habe lediglichkritisch angemerkt, dass Klinsmann beim FIFA-Workshop alsGastgeber-Trainer gefehlt hatte. «Das ist das Einzige», betonte derdeutsche WM-Chef. Ansonsten hätte er weiter Vertrauen in denBundestrainer.

Dennoch wurde auch am Mittwoch die Sorge um ein erfolgreichesAbschneiden des Gastgebers weiter geschürt. Aus München kam dieNachricht, dass in Hoffnungsträger Sebastian Deisler nach KevinKuranyi ein zweiter WM-Kandidat am Knie operiert werden muss - dieSchwere der Verletzung und die Dauer seiner Zwangspause ist nochunklar. Bayern-Manager Uli Hoeneß, Sprecher der so genannten TaskForce der Bundesliga zu Fragen der Nationalmannschaft, befürchtet,dass es «mit Sicherheit eine Riesendiskussion um Klinsmann» gebenwerde, wenn das Spiel gegen die USA «in die Hose geht». Man könne nurhoffen, dass die Mannschaft «ordentlich spielt und gewinnt», sagteHoeneß im «Stern».

Merkel forderte alle Deutschen auf, Optimismus auszustrahlen und«den Heimvorteil zu nutzen», sprich, hinter der Mannschaft zu stehen.Doch nach einer Umfrage des Forsa-Instituts glauben nur noch dreiProzent der Deutschen an den WM-Titel der «Klinsmänner». Ende Februarwaren es noch neun Prozent gewesen. 17 Prozent gehen inzwischen davonaus, dass die deutsche Mannschaft nach der Vorrunde ausscheidet.