Großbritannien Großbritannien: Ein Galopprennen für das ganze Volk

Liverpool/dpa. - Das Abschlussrennen des dreitägigen Galopprennens Aintree findet in diesem Jahr am 3. April statt. Nichts hat das Grand National mit Champagner und Kaviarschnittchen zu tun, wie man es etwa vom Royal Ascot auf der königlichen Rennbahn bei London kennt. In Liverpool riecht es drei Tage lang vor allem nach Bier und Bratwurst.
Eintrittskarten gibt es ab 14 Euro. Und nur im Umkreis der VIP-Lounges paradieren die Damen mit ihren Hut-Ungetümen und die Männer mit steifen Zylindern. Das Grand National gehört dem Volk.
60 000 Zuschauer kommen jedes Jahr am ersten Samstag im April, 600 Millionen sollen in 150 Ländern der Welt vor ihren Fernsehen sitzen. In England sprechen die Fernsehsender von Einschaltquoten um 70 Prozent bei dem zehnminütigen Rennen.
Wer in Liverpool dabei ist, kann ein paar Pfund bei den unzähligen Buchmachern setzen. Auf großen Wett-Tafeln bringen sie meist mit Farbkreide ihre Quoten auf den neuesten Stand. Wetten werden auf die Zahl der ankommenden Pferde oder der Stürze am ersten Hindernis angenommen. Selbst für das richtige Sternzeichen des Siegerpferdes gibt es Geld. Bereits Tage zuvor erscheinen Tageszeitungen mit dicken Beilagen. Neben den aktualisierten Quoten gibt es Statistiken, Porträts vom Jockey bis zum Stallburschen und todsichere Wett-Tipps: «It's Iris Bleu» titelte vergangenes Jahr die «Racing Post» - und lag damit völlig falsch. Selten gewinnen die vermeintlichen Favoriten.
So können Laien getrost auf das Pferd mit dem lustigsten Namen oder auf den Jockey setzen, der am freundlichsten lächelt. 2003 galoppierte der irische Wallach «Monty Pass» als erster durchs Ziel. Der Außenseiter bescherte dem Rennstallsyndikat einen Wettgewinn von knapp 1,2 Millionen Euro und zusätzlich 510 000 Euro Preisgeld.
So manches hochdotierte Pferd wirft seinen Reiter bei einem der 30 Hindernisse auf den 7,3 Kilometern aus dem Sattel. 26 der 40 Jockeys sahen im vergangenen Jahr das Ziel nicht. «Becher's Brook» ist so eine Hürde: Nach dem Sprung über das 1,2 Meter hohe Hindernis wartet ein 60 Zentimeter tiefes Wasserbecken. Den Namen hat das Hindernis von Captain Martin Becher, der beim ersten Grand National im Jahr 1838 im Wasser landete und sich der Legende nach beklagte «wie schrecklich Wasser schmeckt, wenn kein Whisky drin ist».
Auch heute brechen noch viele Pferde durch die Stangen und setzen ihren Reiter in den Graben. Nicht selten straucheln die Nachzügler dann über den Gefallenen. Das sieht spektakulär aus, ruft bei den Zuschauern ein langgezogenes «Ohhh» hervor, bei Tierschützern aber stets erboste Proteste. Seit 1997 starben an den drei Renntagen insgesamt fast 30 Pferde. Den großen Schrecken hat das Grand National aber verloren: Die Teilnehmerzahl wurde um etwa 20 Pferde verringert, es gibt Notausgänge für reiterlose Pferde, und die entschärften Hindernisse fordern nicht mehr ganz so viele Opfer. Dennoch mussten auch im vergangenen Jahr zwei Pferde eingeschläfert werden.