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Fußball-WM 1994 Fußball-WM 1994: «Titel zum Fenster rausgeworfen»

Von Jürgen Klinsmann 23.05.2002, 19:55

MZ. - An die Weltmeisterschaft 1994 habe ich - abgesehen natürlich von unserem gleichermaßen überraschenden wie schmerzlichen Ausscheiden gegen Bulgarien - nur positive Erinnerungen. Es waren wundervolle Eindrücke, wir spielten bei herrlichem Wetter in vollen Stadien und die Stimmung war super. Ich war mental und körperlich gut drauf, ich habe meine Tore gemacht und mich von der Stimmung tragen lassen. Bis dann diese zehn Minuten gegen Bulgarien kamen, diese beiden Kunstfehler, die uns alle völlig unvorbereitet getroffen haben. Rudi Völlers 2:0 war fälschlicherweise nicht anerkannt worden - aber dennoch dachten wir nicht an eine Niederlage. Wir waren sicher: Wir treffen irgendwann auf Brasilien - und dann zeigen wir allen, was wir drauf haben. Doch wir haben aus heiterem Himmel zwei Tore gefangen, hatten gar keine Zeit mehr für eine kontrollierte Gegenaktion und waren draußen. Schade, wir haben den WM-Titel - mal salopp gesagt - einfach aus dem Fenster geworfen, wir wären die Einzigen gewesen, die Brasilien hätten fordern können. Ich hatte nach 1990 unbedingt noch einmal Weltmeister werden wollen, und ich weiß es: Es war möglich. Ich haben Wochen gebraucht, ehe ich diese Niederlage verarbeitet habe. Heute sage ich: 1994 war der Titelgewinn leichter als 1990. Wir haben die Weltmeisterschaft verschenkt.

Natürlich wird nach einem solchen Ausscheiden dann Vieles schlecht geredet: Effenbergs Stinkefinger war ein negatives Thema oder das Golfspielen einiger Kollegen oder das Foto, das Trainer Berti Vogts alleingelassen an einem leeren Tisch zeigte. In Deutschland suchten sie Gründe, das ist normal.

Ich blieb erst einmal in den USA. Ich war mit meiner Frau in Los Angeles, dem Ort des Finales, sowieso verabredet. Nach dem Bulgarien-Spiel rief ich sie an und sagte nur: "Ich komme, aber ohne Fußballschuhe." Das Endspiel habe ich mir schließlich irgendwo in Kalifornien im Fernsehen angeschaut. Ich wollte nicht mehr ins Stadion gehen - ganz ehrlich, in diesen Tagen war ich richtig bedient . . .