Flugangst Flugangst: Das mulmige Gefühl über den Wolken
München/gms. - In den vergangenen Monaten gab es Gründegenug, Flugangst zu haben. Erst waren da die Terroranschläge in New York und Washington, die am 20. Dezember genau 100 Tage zurückliegen werden. Dann häuften sich in einer mysteriösen Verkettung die Abstürze ohne terroristischen Hintergrund: Bei den Unglücken von Mailand, Queens und Zürich sowie dem irrtümlichen Abschuss einer Passagiermaschine über dem Schwarzen Meer kamen zusammen fast 500 Menschen ums Leben. Seminare über Flugangst müssten da eigentlich Hochkonjunktur haben - doch genau das Gegenteil ist der Fall.
«Nach dem 11. September herrschte erst einmal große Stille», sagt Silvia Texter-Millott aus München, deren Agentur zusammen mit der Lufthansa an 14 deutschen Flughäfen entsprechende Kurse anbietet. Auf eine zu grauenvolle Weise hatte sich die Flugangst bestätigt, als dass Betroffene sie sich gleich wieder ausreden lassen mochten. Allmählich zieht das Interesse aber laut Texter-Millott wieder an, und für die Zukunft erwartet sie sogar kräftige Zuwachsraten.
Seminarleiterin Andrea Kropf, für die Agentur Texter-Millott in Berlin im Einsatz, konnte nach dem 11. September erst wieder eine Flugangst-Gruppe begrüßen. Sie wurde dabei mit dem gewandelten Gefahrenbewusstsein der Passagiere konfrontiert: «Vor dem abschließenden Probeflug stürmte eine Frau im letzten Moment aus der Maschine. Sie hatte zwei arabisch aussehende Insassen entdeckt.»
Am Konzept ihres Seminars will die Psychologin nichts ändern. Teilnehmern wird vor allem nahe gebracht, dass sie sich ihrer Angst aussetzen müssen, wenn sie sie überwinden wollen.
Der erste Schritt besteht also darin, sich über die individuelle Form der Flugangst Klarheit zu verschaffen. Ist es der mögliche Absturz, von dem die Bedrohung ausgeht, sei es wegen schlechter Erfahrungen oder aus mangelndem Vertrauen in die Technik? Oder leidet der Betroffene unter einer Angststörung wie Agoraphobie, wie sie sich an Orten einstellt, an denen eine Flucht nicht möglich oder sehrpeinlich ist, so etwa auch in der U-Bahn oder beim Zahnarzt?
Flugangst wird als sehr real empfunden, ihr Motiv ist aber weitgehend irrational. Schließlich kommen im Straßenverkehr viel mehr Menschen ums Leben, ohne dass deshalb das Auto gemieden wird - an diesem Missverhältnis hat sich auch nach den Terroranschlägen nichts geändert. Ein wichtiger Teil der Flugangst-Seminare widmet sich daherder Information und Aufklärung, für die immer auch ein Pilothinzugezogen wird. «Ich erläutere dann etwa, dass ein Flugzeug auch mit nur einem intakten Triebwerk noch steigen kann und dass allein wegen starker Turbulenzen wahrscheinlich noch keine Maschine abgestürzt ist», sagt Lufthansa-Pilot Torsten Pinkert aus Berlin.
Der 11. September hat weiteren Erklärungsbedarf hinzugefügt: Pinkert geht nun verstärkt auf die Sicherheitsvorkehrungen ein, etwa die so genannten Sky-Marshalls, die auf vielen Auslandsrouten der Lufthansa schon unterwegs sind.
Auch wer keines der 1369,08 Mark teuren Seminare belegen will, kann mit einigen einfachen Techniken gegen das mulmige Gefühl über den Wolken ankämpfen - zum Beispiel mit der so genannten progressiven Muskelentspannung. Dabei werden die Muskeln unter anderem durch das Ballen der Fäuste zunächst angespannt und dann wieder locker gelassen. Das Resultat ist ein Gefühl von Wärme und Entspannung, das die Symptome der Angst und damit auch die Angst selbst vertreiben soll.
«Wichtig ist aber auch Gedankenhygiene», weiß Andrea Kropf. So solle man nicht ständig im Inneren um seine Flugangst kreisen und sich ausmalen, was alles Schreckliches passieren könnte. «Wir könnenentscheiden, was wir denken, und diesen Gedankenfluss unterbrechen», so Kropf. Hilfreich ist es, wenn man sich mit einem spannenden Buch oder einem interessanten Nachbarn ablenken kann. Wer dagegen zu Medikamenten greift, drückt sich um eine Lösung nur herum.