1. MZ.de
  2. >
  3. Varia
  4. >
  5. FC Bayern München: FC Bayern München: Einsamer Klinsmann am Abgrund

FC Bayern München FC Bayern München: Einsamer Klinsmann am Abgrund

Von Klaus Bergmann und Christian Kunz 26.04.2009, 14:19

München/dpa. - Aufgebrachte Fans, sprachlose Bosse, gefrusteterTop-Star - und ein einsamer Trainer am Abgrund: Alleingelassen vomeisern schweigenden Vorstand klammerte sich Jürgen Klinsmann nach dem0:1-Tiefschlag gegen den von Mike Büskens wachgeküssten FC Schalke 04und der wohl letzten geplatzten Titel-Option an sein wankendesProjekt FC Bayern. «Ich glaube nicht, dass ich mir Sorgen um meinePosition machen muss», behauptete der 44-Jährige. «Ich bin einKämpfer und mache das Ding weiter. Die Chemie stimmt intern.»

Am Sonntag leitete Klinsmann scheinbar ganz normal das Training,beim Auslaufen der Stars trabte er vor einigen hundert Zuschauernengagiert vorneweg. Eine trügerische Ruhe auf dem Vereinsgelände,denn nach dem Champions-League-Aus und dem DFB-Pokal-K.o. stehen dieBayern nun auch in der Fußball-Bundesliga vor einem Scherbenhaufen.Selbst die Champions-League-Qualifikation als Minimal-Ertrag einerBayern-Saison ist nach dem Sturz auf Platz drei akut gefährdet.

«Das, was als Ziel bleibt, ist der zweite Platz», urteilte FranzBeckenbauer als «Premiere»-Experte und bewertete schon einmal einenmöglichen vorzeitigen Schlussstrich unter die Ära Klinsmann: «Es wärejammerschade, wenn es nicht funktioniert. Der FC Bayern hat so vielinvestiert, Klinsmann hat so viel investiert.» Und teuer wäre eineTrennung für den Verein zudem.

Gegen die unter dem Trainer-Triumvirat Büskens/Mulder/Reck vonSieg zu Sieg eilenden Schalker hatten Klinsmann und seine spielerischwie erstarrt wirkende Mannschaft die Vorstands-Vorgabe nach demKopfballtor von Halil Altintop (21. Minute) klar verfehlt. DieTabellensituation erlaube «nur einen Ausgang: einen Sieg», hatteKarl-Heinz Rummenigge vorher gefordert - gemessen daran können dieBosse nach der siebten Saison-Niederlage kaum zur Tagesordnungübergehen. Rummenigge verließ am Samstag ebenso wie Manager UliHoeneß kommentarlos die Allianz Arena, in der es wieder «Klinsmannraus»-Rufe en masse gegeben hatte.

«Man kann noch so viel Ruhe ausstrahlen. Es fehlen einfach dieErgebnisse», stellte Beckenbauer fest. Der Handlungsdruck ist fünfSpieltage vor Saisonende groß - aber wird die Reißleine gezogen?Beckenbauer würde dem extrem fleißigen Klinsmann eine letzteGalgenfrist gewähren: «Das Heimspiel gegen Gladbach mussgewonnen werden. Sonst wird es für Jürgen eng, das weiß er auch.»

Geht's noch enger? Beckenbauer sieht neben dem Trainer auch dieProfis «gefragt», die großen Defizite im Spiel blieben aber auch demVereinspräsidenten nicht verborgen. «Fußball hat auch ein bisschenwas mit Hirn zu tun», grollte der Weltmeister-Trainer von 1990. Trotz21:8 Torschüssen, 15:5 Ecken und 25:9 Flanken: ein Spielsystem miteinem Kombinationsfluss von Spielern, die Klinsmann jeden Tag bessermachen wollte, war gegen Schalke nicht zu erkennen.

«Im Moment brauchen wir nicht über die Meisterschaft zu reden»,meinte Nationalspieler Philipp Lahm fast resignierend. Einspruch,konterten Klinsmann («wir lassen nicht locker») und der Kapitän: «Essind noch 15 Punkte zu vergeben, man darf nie aufgaben», mahnte Markvan Bommel. Die Jagd auf Tabellenführer VfL Wolfsburg geht aber gegenMönchengladbach ohne Franck Ribéry weiter, der nach einem Frustfoulgegen Jefferson Farfan ebenso die Gelb-Rote Karte sah (76.) wie derSchalker Jermaine Jones (70.) nach zwei heftigen Fouls an van Bommel.

Der Platzverweis konnte aber Jones' diebische Freude über denFavoritensturz nicht trüben. «Jetzt haben wir den Bayern das Chaosrichtig gebracht», stichelte der Nationalspieler. Ganz nüchternbewertete Büskens den Ausbau seiner Gesamtbilanz als Schalke-Coachauf neun Siege, ein Remis und 22:1 Tore. «Wir haben perfektfüreinander gespielt», lobte er sein Team. Fan- und Spieler-LieblingBüskens glaubt aber, dass die Schalker Bosse in der Trainerfrage«eine große Lösung suchen». Die aktuell erfolgreiche liefert Büskensmit Youri Mulder und Oliver Reck. «Erfolg ist schwer austauschbar»,meinte Nationalspieler Heiko Westermann. Erst recht, wenn Büskens dasfast Unmögliche schaffen sollte - Rang fünf und den Einzug insinternationale Geschäft.