1. MZ.de
  2. >
  3. Varia
  4. >
  5. Falk Balzer: Falk Balzer: Geächteter plant Paukenschlag

Falk Balzer Falk Balzer: Geächteter plant Paukenschlag

Von Christoph Karpe 14.11.2002, 22:06

Chemnitz/MZ. - "ICH liebe nur mich." Die von Ben Becker in einem Song proklamierte, provokante Botschaft prangt auf dem schwarzen T-Shirt. Das Bekenntnis zum Egoismus spiegelt eine tiefe Überzeugung des Falk Balzer wider. Seine derart zur Schau gestellte Eigenliebe soll nur demonstrieren: Die Entschlossenheit eines Einzelgängers auf dem Weg zurück in die Gemeinschaft, ohne auf diese wirklich Wert zu legen. Schließlich hat sie ihn nach seinem Selbstverständnis zu Unrecht verstoßen.

Im Netz der Fahnder

Im Januar 2001 geht Deutschlands bester Hürdensprinter ins Netz der Dopingfahnder. Sie finden eine unzulässige Nandrolon-Konzentration in seinem Urin. Balzer beteuert Unschuld. Sein Körper habe den Stoff bei der Heilung eines kurz zuvor angebrochenen Gelenkkopfes im Ellbogen selbst über die Maßen produziert. "Ich bin das Opfer eines fehlenden wissenschaftlichen Beweises", sagt der 28-Jährige noch heute im Brustton einer Überzeugung, die für Reue keinen Platz lässt. Außerdem sei die ermittelte Nandrolon-Konzentration lächerlich gewesen, nur eine hundertfache Menge hätte muskelaufbauende Wirkung.

Seine Argumentation zählt nicht, nur der Fakt. Falk Balzer wird gesperrt, für zwei Jahre, wie es die Regel verlangt, bis zum 21. Februar 2003. Neider und anderweitig Missgünstige reiben sich die Hände, als der Querkopf mit der manchmal großen Klappe aus dem Verkehr gezogen ist - ätsch, prima. Ein Gnadengesuch Anfang dieses Jahres wird abgeschmettert. Dabei hat der Sünder gehofft, auch mittels Vorträgen vor Schul-Kindern die Richter milde stimmen zu können. Er bleibt geächtet.

Die ganze Situation nimmt den taffen Kerl mit. Balzer denkt daran aufzuhören, spielt mit dem Gedanken, zum American Football zu wechseln, macht ein Probetraining und einen Rückzieher, weil er um seine Gesundheit fürchtet. In dieser Phase ordnet der Chemnitzer sein Umfeld, zieht sich gänzlich aus der Öffentlichkeit zurück und ändert seine Rufnummern. Selbst Bundestrainer wissen nicht, wo er sich gerade aufhält. Kontakt gibt es, da er den Manager gefeuert hat, über seinen Berater Willi Steinberg als Mittelsmann. Dass gegen diesen 1999 einmal in einer Strafsache ermittelt wurde, toleriert Balzer. "Fehler macht jeder."

Problemlos erreichen können ihn Dopingfahnder. Acht Mal wird er 2001 kontrolliert, drei Mal 2002 - negativ. In Los Angeles trainiert er mit seinen US-Rivalen Tony Dees und Olympiasieger Allen Johnson. Dort stellt niemand Fragen.

"Ich bin reifer geworden. Die Pause hat mir gut getan - nur, dass sie zwangsweise war, ist nicht so gut", sagt Balzer. In der Zeit musste er sich ohne öffentliche Zuschüsse durchschlagen. Das Ersparte ist aufgebraucht. Trotzdem klagt er nicht und spricht von Gönnern im Hintergrund, die ihn fördern, aber anonym bleiben wollen. Er sei zufrieden, abgeklärter, einfach im Reinen mit sich, weil er nun vieles anders, klarer sehe.

Einige seiner Erkenntnisse irritieren. Er macht sich nicht die Mühe, Details zu erklären. So wirkt Balzers Sicht auf die Dinge, als sei sie Teil einer speziellen Philosophie. "Ich lasse mich nicht von meinem Umfeld prägen. Am besten entwickelt man sich in seiner eigenen Soße." Und: "Menschen kann ich nur über einen bestimmten Zeitraum ertragen." So streicht er seine Individualität heraus, die auch in seiner Beziehung zur 400-Meter-Läuferin Anja Rücker Priorität besitzt: "Ich brauche meine Ruhe", begründet er die getrennten Wohnungen. "Einige werden sicherlich sagen: Balzer lebt in seiner eigenen Scheinwelt. Ist mir egal."

Start am 22. Februar

Nicht jedoch sein Comeback, das er verbissen verfolgt ("Ich bin noch lange nicht am Ziel"), dessen Erfolg er aber nicht von irgendwelchen Zeiten abhängig machen will. Am 22. Februar 2003, einen Tag nach dem Ablauf der Sperre, ist Termin der Deutschen Hallen-Meisterschaften. Und er lechzt nach dem Paukenschlag. Seine Mutter und Trainerin Karin Balzer gibt das Ziel für 2003 vor: "Er soll die Nummer eins in Europa werden." Freundin Anja fragt: "Nur?" Falk lächelt.