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Fabian Cancellara Fabian Cancellara: Der Grenzgänger

Von Stephan Klemm 06.07.2012, 19:57

Metz/MZ. - Eine Woche ist das Peloton nun schon unterwegs, und immer war Cancellara ganz vorn im Klassement. Doch am Sonnabend wird seine Zeit in Gelb wohl enden, nach sieben Tagen, einem Prologsieg und zwei starken Vorstellungen bei den schweren Ankünften in Seraing und in Boulogne-sur-Mer. Am Sonnabend entdecken die Radprofis für die Tour einen neuen Berg in den Vogesen, der Anstieg hat einen Namen wie aus einer Castingshow für Models - "La Planche des belles filles", der Laufsteg der schönen Mädchen. Doch der Anstieg ist, auch wenn er noch so hübsch klingt, eine große Anstrengung: Sechs Kilometer mit bis zu 14 Prozent steilen Passagen. "Da werde ich ganz sicher das Gelbe Trikot abgeben", sagt Cancellara.

Als einen Kandidaten für den Toursieg betrachtet er sich ohnehin nicht. Cancellara ist dank seiner kräftigen Statur und seiner ruhigen, aber energischen Fahrweise prädestiniert für Duelle gegen die Uhr und für schwere Eintagesrennen. Nun aber kommen die hohen Tour-Berge, dafür ist er zu schwer und zu muskulös. Am Samstag wird Cancellara zum 28. Mal das Gelbe Trikot tragen - Bestmarke für einen Fahrer, der nicht die Tour gewonnen hat. "Das macht mich sehr stolz. Diese Marke nehme ich dann wohl mit in den Ruhestand", sagt Cancellara. Wann immer das auch sein wird.

Der Zeitfahr-Olympiasieger ist ja erst 31 Jahre alt. Es ist allerdings gut möglich, dass er bei dieser Tour vorzeitig in den Ruhestand übergeht, seine Frau Stefanie erwartet die zweite gemeinsame Tochter. Für Ende Juli ist der Geburtstermin ausgerechnet - " dabei sein möchte ich auf jeden Fall". Zur Not wird er die Tour verlassen. "Die Familie ist das Wichtigste für mich, sie ist die Basis für alles", sagt Cancellara. Auch für seine Leistungen, die er "eine Belastung im Grenzbereich" nennt.

Um erfolgreich zu sein, balanciert Cancellara sogar auf dem Grenzstrich: "Ich schöpfe den Bereich des Erlaubten aus. Alles andere ist kein Thema für mich." Zum Erlaubten zählt für ihn unter anderem die Einnahme von Aspirin, Voltaren und Koffein. An seine Grenzen stößt Cancellara zurzeit auch bei seinem Verständnis für Geschichten aus der Vergangenheit. Seine RadioShack-Mannschaft radelt gerade im Auge eines Orkans, Team-Manager Johan Bruyneel wurde von der Anti-Dopingagentur der USA angeklagt, als Anhängsel im Fall Lance Armstrong, der auch Anteile an der RadioShack-Auswahl hält. Der Vorwurf: jahrelanges Doping.

Inzwischen werden auch immer mehr Zeugen genannt, die gegen das Duo ausgesagt haben, und weil Cancellara gerade in dieser Equipe fährt, ist seine Stellungnahme besonders gefragt. Sie fiel erstaunlich aus. Am Donnerstagabend sagte er: "Diese Geschichte ist richtig traurig und sehr schlecht für den Radsport. Hoffentlich fällt bald eine Entscheidung. Sonst stört das alles nur unseren Sport, der große Fortschritte im Anti-Dopingkampf macht." Das sind offene Worte, die die Qualität einer Bewerbung haben. Für einen anderen Rennstall.