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Europa Europa: Urlaub im Sattel

Von Daniela David 16.03.2010, 09:33
Mit dem Vierbeiner in die Vergangenheit: In Wales lassen sich zu Pferde alte Abteien und Friedhöfe erkunden. (FOTO: DANIELA DAVID/DPA)
Mit dem Vierbeiner in die Vergangenheit: In Wales lassen sich zu Pferde alte Abteien und Friedhöfe erkunden. (FOTO: DANIELA DAVID/DPA) tmn

Amboise/Patrishow/dpa. - Laut einer Studie des Unternehmens BTETourismusmanagement in Hannover kommen die meisten sehr zufrieden aus ihrem Reiturlaub zurück. Gerade in Europa ist das Angebot für Ferienauf dem Pferd vielfältig: Auf organisierten Wanderritten werden dieausgefallensten Touren gemacht - Abenteuer meist inklusive.

Besonders beliebt ist Reiturlaub in ÖSTERREICH. Höher hinauf mitdem Pferd geht es kaum als auf einer alpinen Trekkingtour in Kärnten.«Auf geht's!», ruft Toni Sauper und leitet seine Gruppe vom«Schlosswirt» im Mölltal in die Berge - hoch zu Ross auf die Gipfel.«Wir reiten auf uralten Säumerpfaden», erklärt Sauper. «Säumer warendie Männer, die Pferde mit Lasten über die Gebirgszüge führten.»

Die Haflingerstute «Lady» stapft voran, bald wird die Baumgrenzepassiert. Nun ist der Weg nur noch ein schmaler und steiniger Pfad.Am langen Zügel suchen sich die Pferde ihre Tritte. Ihre Hufeisentragen Stollen, deren Metallstifte so hart wie Skistockspitzen sind.So rutschen sie auf den Steinen nicht so leicht aus. Manchmal sindhohe Stufen zu erklimmen. Dann macht es einen Ruck, und mancherReiter ist froh über das Horn am Westernsattel zum Festhalten.

Alpine Ritte sind nicht die schnellsten. «Doch wer mit Pferden insGebirge geht, dem vermittelt sich die Natur noch intensiver», sagtToni. Bis zum Gipfel und dem Wetterkreuz auf 2120 Meter ist es nichtmehr weit. Riesige Felsen, moosige Steine und ein weiter Blick aufdie Alpenwelt: Dieser Ort erscheint für viele Zwei- und Vierbeinereigentlich unerreichbar. Doch jetzt pfeift der Wind durch die Mähnen.Der Aufstieg ist geschafft: Pferde und Reiter stehen auf dem Gipfel.

In FRANKREICH ist der Reittourismus seit langem gut organisiert.Als eine der berühmtesten Touren gilt der Ritt entlang der Loire.Tagsüber von Schloss zu Schloss reiten, abends im Rittersaal einerBurg speisen und nachts in einem privaten Schlösschen ruhen - das istdas Konzept. Nirgendwo auf der Welt gibt es so viele Schlösser wie indieser Region. Pierrot Chemineau vom Wanderreitstall «Les Abrons»führt die Reiter durch diesen Traum. «In der Zeit der Renaissance warder Hofstaat ständig unterwegs, natürlich zu Pferde», erklärt er.Heute tauchen die Reiter in diese vergangene Welt der Chevaliers ein.

Die Tagesstrecken sind 24 bis 39 Kilometer lang. Mittags wirdmeist direkt vor einem Schloss Rast gemacht - mit einem üppigenPicknick im Freien. Während die Pferde sich auf einer improvisiertenKoppel ausruhen, besichtigen die Reiter jeden Tag ein anderes derberühmten Schlösser wie Chenonceau, Amboise, Chéverny oder Chaumont.«Doch die Krönung aller Schlösser der Loire steht am Ende der Reise:Château Chambord», steigert Pierrot die Vorfreude.

Als die Reiter die 32 Kilometer lange Mauer passieren, die dasJagdgebiet von Chambord umschließt, beschleicht sie ein erhabenesGefühl. Das Tuffstein-Schloss zählt 440 Zimmer. Unter den staunendenBlicken anderer Touristen stellen sich die Reiter zum Erinnerungsfotoauf, quasi in königlicher Pose wie auf einem Reiterstandbild.

Unentdeckt vom Tourismus sind die dünnbesiedelten Black Mountains,die Schwarzen Berge im Süden von WALES in Großbritannien. Die einsameHügellandschaft ist mit dem Pferd am besten zu erkunden. Am LlangorseSee im Nationalpark Brecon-Beacons starten mehrtägige Wanderritte.

Myfanwy Mitchell vom «Ellesmere Riding Centre» hat dafür 20 Pferdezur Auswahl. «Mit einem Welsh Cob lässt sich der Puls unseres Landeserfühlen», meint Myfanwy. Auf diesen muskulösen Kleinpferden geht esvorbei an Jahrhunderte alten Farmhäusern mit Gartenmauern ausaufeinandergeschichteten Natursteinen sowie an Feldern und Weiden mitSchafen, Kühen und Waliser Bergponys. Moderne Häuser sind keine zusehen, Autos höchst selten, dafür viel Heidekraut und Farne. DerAusblick auf Landschaften mit unterschiedlichsten Grüntönen beruhigtdie Augen und die Seele des Reiters.

Wie ein meditativer Flug durch die abgelegene Bergwelt fühlt sichder nicht enden wollende Galopp auf einem ehemaligen Kutschenweg an.«Mein Lieblingsplatz», sagt Myfanwy und lächelt, als sie bei dem 1000Jahre alten Kirchlein von Patrishow die Brote für die Pause auspackt.«Es ist so romantisch.» In den mächtigen Ruinen von Llanthony Priory,einer Abtei aus dem Mittelalter, ruhen die Reiter später für eineNacht hinter meterdicken Mauern mitten im Herzen von Wales.

Das Wort Puszta weckt bei vielen Reitern Kinderträume vom Galoppdurch die Steppe UNGARNS. Dabei schwingt auch der Mythos der Magyarenals einst nomadisches Reitervolk mit. Bei Árpád Szabó möchten dieGäste das gerne glaube: Der ehemalige Springreiter bietet Trailsdurch die Kiskunság Puszta südlich von Budapest an. Und was ist einWanderritt schon anderes als die moderne Version des Nomadentums?

Árpád lässt seinen Ungarischen Warmblütern viel Fürsorge zukommen.Auf seinem 180 Jahre alten Gehöft nahe Kunszentmiklós bekommen dieGäste ihr Pferd morgens fertig geputzt, gesattelt und aufgezäumtübergeben. Dann geht es den ganzen Tag über in die Große Tiefebene,die Puszta, was so viel wie «Einöde» bedeutet. Beim Trab auf sandigemBoden spannt sich über dem Pferdekopf ein hoher Himmel.

Die Reiter passieren alte Höfe mit Reetdächern und Ziehbrunnen,Herden von Graurindern mit riesigen Hörnern und immer wiederSchafherden - mit Hund und Hirte, wie auf alten Gemälden. Auch dieCsikós, die traditionellen Pferdehirten, sind bei der Vorbereitungihrer Reitervorführungen zu beobachten. Die einstige Puszta-Idylleist für die Reittouristen aber nur noch im Nationalpark zu erahnen.

An der Westküste IRLANDS verspricht Willie Leahy ein Abenteuer aufdem Pferderücken. Doch keiner seiner Gäste erwartet das, was sie dannwährend des Connemara-Trails erleben können: Bei dem sumpfigen Bodensinken die Pferde manchmal bis zu den Knien im Morast ein. Fasttäglich müssen auf dem einwöchigen Ritt durch die Grafschaft Galwayverloren gegangene Hufeisen ersetzt werden.

An steilen Abhängen erklimmen die Irish Hunter und Connemara-Ponysroutiniert die felsigen Hügel. Sie sind völlig furchtlos - imGegensatz zu einigen Reitern. «Auf einfachen Wegen reiten kannjeder», ist Willie Leahys Devise, «ich suche die Herausforderung!»Der 71-jährige Ire führt schon seit 40 Jahren Reiter durch seineHeimat Connemara. Auch berühmte Gäste waren schon dabei, zum BeispielChelsea Clinton, die Tochter des Ex-US-Präsidenten Bill Clinton.

Nach Tagen im Sattel bei Sonne, Wind und Wetter sowie nach Nächtenin altmodischen Landhäusern und Schlosshotels ist die Küste desAtlantiks erreicht. Die Gischt schäumt in der Mannin Bay bei Clifden.Die Pferde scheuen das Wasser nicht und waten durch die Wellen. Unddann können auch sie ihn kaum erwarten, den langen Galopp am Strand.

SPANIEN ist schon lange bei Reiturlaubern gefragt. Im Vergleich zuAndalusien aber sind Ausritte auf Teneriffa sehr speziell. Hierreitet die Rittführerin Nicole Werner mit Gästen sogar auf einenVulkan. Auf ihrer «Finca Estrella» nahe Icod de los Vinos auf derNordseite der Insel leben acht Pferde im Offenstall mit Auslauf. «Dasist für Teneriffa ungewöhnlich, darben doch viele Pferde hier einLeben lang in einem geschlossenen Stall ohne Koppel», sagt dieDeutsche. Pferdefreundlichkeit ist für die 39-Jährige wichtig.

Im Westernsattel geht es den Berg hinauf durch einen ausgedehntenWald aus Kanarischen Kiefern, Eukalyptus und Lorbeer. In den Ästenhängt Moos, so dass der Wald eine geheimnisvolle Atmosphäre bekommt.Mühelos gelangen die Pferde auf eine Höhe von 1400 Metern direkt zumKegel des «Vulcán Negro». Im Jahr 1706 verschüttete sein Ausbruch dieStadt Garachico. Herannahender Nebel weckt die Fantasie - und denEindruck, als würde der erloschene Vulkan wieder aktiv.

Beim Ritt über die Lavafelder wähnt sich der Reiter fast auf demMond, so sehr breitet sich die Landschaft mit den schwarzenGeröllhängen aus. In der Ferne taucht der Gipfel des Teide auf, desmit 3718 Metern höchsten Bergs Spaniens. Doch plötzlich hat eineWolke die Pferde und Reiter umhüllt - und der Teide, der «Herrscher»über die Kanareninsel, ist in Windeseile wieder verschwunden.