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Eisschnelllauf/Damen Eisschnelllauf/Damen: Sabine Völkers Silber als «Start in zweites Leben»

Von Frank Thomas 18.02.2002, 17:58

Salt Lake City/dpa. - Ein Schweinchen in der Tasche des Trainershat Sabine Völker Glück gebracht. Als einzige des gold-ambitioniertendeutschen Eis-Trios gelang der 28-jährigen Erfurterin im olympischen1000-m-Rennen der ganz große Wurf mit dem Vorstoß auf den Silberrang.Hingegen stand Anni Friesinger trotz persönlicher Bestzeit als Fünfteerneut neben dem Siegepodest, auch Weltmeisterin Monique Garbrecht-Enfeldt hatte sich mehr ausgerechnet als Rang sechs.

Gegen die wie Phönix aus der Asche aufsteigende Chris Witty waraber auch die Thüringerin chancenlos. Die noch vor einem Monat anPfeifferschem Drüsenfieber leidende Amerikanerin bot den 4600 Fans imOlympic Oval eine Show vom Feinsten und schockte alle nach ihrlaufenden Favoritinnen mit dem Super-Weltrekord von 1:13,83 Minuten,womit sie Völkers Bestmarke um 0,23 Sekunden unterbot. «Mit allenhabe ich gerechnet, aber nie und nimmer mit Witty», zeigte sich dieentthronte Sabine Völker überrascht, die als zweite Frau der Welt in1:13,95 die 1:14-Minuten-Grenze unterbot und deutschen Rekord lief.

«Witty war der absolute Überflieger. Das Resultat ging nicht mitrechten Dingen zu», zeigte sich auch Coach Stephan Gneupel bei derSekt-Party im Deutschen Haus mehr als verblüfft von derLeistungssteigerung der Amerikanerin und lobte: «Wie Sabine mit derBestzeit im Fegefeuer auf Witty reagiert hat, war sensationell.» Tagszuvor hatte ihm seine gerade in der Olympia-Stadt eingetroffene FrauMonika ein weiteres Glücksschwein für seine Sammlung geschenkt, dieder Coach komplett bei allen Rennen in den Jackentaschen hat.

«Kein Kommentar», antwortete indes der deutsche Teamarzt Karl-Heinz Zeilberger viel sagend auf die Frage, ob eine Leistung wie dievon Witty überhaupt möglich sei, wenn ein Sportler noch vor kurzemüber eine an sich langwierige Virus-Infektion klagte. Die 26-Jährigeaus West Allis schien selbst verwundert von ihrem Leistungsschub:«Ich war geschockt. Selbst wenn ich mich gesund fühle, überraschtmich die Zeit sehr», sagte Porsche-Freak Chris Witty, die bei denSommerspielen in Sydney Rang fünf im 500-m-Zeitfahren belegt hatte.

Sabine Völker ließ sich vom wundersamen Resultat der Konkurrentinnicht beeindrucken und strahlte über ihre zweite Medaille. «DieBronzene über 500 m habe ich mir vor dem Einschlafen auf denNachttisch gelegt und hin und wieder gestreichelt. Aber als diePutzfrau kam, habe ich sie vorsichtshalber weggeschlossen», gab siezu. Wie vor dem 500-m-Rennen siegte der Aberglaube über dieZuversicht: Der Ausgeh-Anzug für die Medaillen-Zeremonie blieb imOlympischen Dorf.

«Ich habe nicht Gold verloren, sondern Silber gewonnen. Nun kannich in mein zweites Leben starten», kündigte die Thüringerin einenAbschied auf Raten an. «Irgendwann will ich mal ein normales Lebenführen», sagte sie und schaute voraus: «Ich habe 1999 mein Diplom alsBetriebswirtin gemacht und möchte mich nicht in zehn Jahren mit denWorten bewerben: Die letzten zehn Jahre bin ich Schlittschuhgelaufen.» Die Vermarktung ihrer Erfolge steht für Völker nicht imVordergrund. «Ich kann mein Geld auch anders verdienen», versichertsie. «Nicht jeder läuft so lange wie Gunda», vergleicht sie sich mitihrer 35-jährigen Vereinsgefährtin.

Dass sie in einer Wohneinheit mit den Eis-Rivalinnen AnniFriesinger und Claudia Pechstein ausgerechnet das Buch «Das Haus derHarmonie» liest, ist Zufall, trifft aber den Punkt: Zoff mit derhärtesten Konkurrentin Monique Garbrecht-Enfeldt hat es noch niegegeben. So war die Umarmung mit der auf Platz sechs abgestürztenWeltmeisterin ganz charakteristisch.