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Eine Frage des Vertrauens

Von Carsten Rave 07.03.2010, 23:15

Hamburg/dpa. - Sie ist immer korrekt gewesen, vertrauenswürdig, nie gab es eine Beschwerde. Doch dann fliegt das Lügengespinst auf. Marie Hansen, vier Jahre lang an einer Klinik als Kinderärztin beschäftigt, ist gar keine Ärztin.

Ihre Papiere sind gefälscht. Sie ist mehrfach durchs Physikum gefallen. Die Kollegen schütteln den Kopf, für Marie bricht eine Welt zusammen, der Traum ist ausgeträumt, ihr Leben zerstört. Es kommt zum Prozess. Marie ist schuldig und wird zu einer Bewährungsstrafe verurteilt. «Eine Frage des Vertrauens» heißt der ZDF-Film an diesem Montag (20.15 Uhr) über eine Ärztin, die nie eine war, aber es immer sein wollte und es auch gut machte, so lange man sie ließ.

Die Geschichte im ZDF wäre nicht zustande gekommen, wenn es nicht einen wahren Fall gegeben hätte. Von 2003 (damals war sie 30 Jahre alt) bis 2007 arbeitete eine Frau als Ärztin am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE), die nie einen Doktortitel erworben hatte. Ihr Lügenszenario wurde entlarvt, weil die Kammer von Zeit zu Zeit immer wieder ihre Papiere anforderte. Den Nachweis blieb sie schuldig. Zu anderthalb Jahren auf Bewährung wurde die Frau verurteilt. Der Ärztliche Direktor am UKE gab später immerhin zu Protokoll, dass kein Schadensfall mit der ehemaligen Mitarbeiterin habe in Verbindung gebracht werden können.

Jutta Lieck-Klenke, Geschäftsführerin der ZDF-Firma Network Movies, ließ den Stoff verfilmen. Sie nahm Kontakt auf zum Anwalt der Verurteilten, der ihr nach Vorlage des Drehbuchs grünes Licht gab für die Aufnahmen. «Ich habe der Frau den fertigen Film als DVD und auch eine Einladung zum Hamburger Filmfest geschickt, bei dem der Film aufgeführt wurde», berichtet Lieck-Klenke. «Darauf habe ich aber keine Reaktion bekommen.» Die Produzentin brauchte nicht lange nach einer Hauptdarstellerin zu suchen: Die gebürtige Bonnerin Silke Bodenbender (36), mit Filmen wie «Der Erlkönig» oder «Über den Tod hinaus» zu 90 Prozent ihrer Arbeitszeit aufs ZDF abonniert (Ausnahme: der Scientology-Film «Bis nichts mehr bleibt» in der ARD am 31. März), ließ über ihre Agentin anklopfen.

Hätte sie gerne ein Treffen mit der Frau gehabt, die ihr Leben auf Lug und Trug aufgebaut hatte? «Ich hätte es spannend gefunden», sagt Bodenbender. «Aber es wäre nicht mehr als reine Neugierde gewesen. Denn ich wollte beim Dreh selbst erst entscheiden, ob ich sie sympathisch gefunden hätte oder nicht. So kam ich gar nicht erst in Versuchung, mich vorher festzulegen.» Eine gewisse Sympathie habe sie jedoch deswegen entwickelt, weil sie ihr Motiv durchaus habe nachvollziehen können, denn jeder habe einen Traum, den er verwirklichen wolle. Die «Ärztin» sei dahin hineingeschlittert und aus dem Lügenkonstrukt nie wieder herausgekommen. Ein bisschen kennt Bodenbender die Situation: Sie ist selbst einmal durch die Schauspielprüfung gefallen.

Von «Sympathie» spricht Bodenbender deswegen, weil der Fall der falschen Ärztin nichts zu tun habe mit den immer mal wieder auftauchenden Geschichten von Hochstapelei. «Die sind zum Teil mit richtig krimineller Energie verbunden, mit Eitelkeit, Narzissmus und Geschäftssinn. In diesem Fall ist dies nicht so.» Der Film lehnt sich an die wahren Ereignisse an, aber mehr nicht. Bemerkenswerterweise besteht nicht nur die Welt der Marie Hansen aus einem Gebäude von reiner Erfindung, auch ihre Umwelt entpuppt sich als Fake. Jeder der Charaktere lebt in einer Welt, die er sich aus rein optischen Gründen zurechtgezimmert hat, auch wenn keiner von ihnen zum Schluss mit der Polizei zu tun hat, sondern letztlich nur von seinem eigenen Gewissen geplagt wird.

Im Film (Regie: Miguel Alexandre) fängt das Elend an, als Marie ihren Eltern schweren Herzens berichten will, dass sie zum dritten Mal durchs Examen gefallen ist. Doch es kommt anders: Zu Hause streiten sich ihre Schwester Sara (Anna-Lena Strasse), Mutter Ruth (Michaela Rosen) und Vater Fritz (Hermann Beyer) heftig, weil Sara unverheiratet schwanger ist - der Vater ist ausgerechnet der Dorfpfarrer. Marie bringt es nicht über sich, ihren Eltern auch die Wahrheit über das eigene Versagen zu gestehen. Der Film überspringt dann ein paar Jahre, und schon tritt Marie im Weißkittel auf. Ehrgeizig und kompetent, vor allem Mukoviszidose-kranke Kinder behandelt sie. Da erhält sie die Aufforderung der Ärztekammer, das Original ihrer Approbation vorzulegen...