Duane Hansons Alltagsfiguren in der Völklinger Hütte
Völklingen/dpa. - Das ältere Paar pausiert müde auf einer Bank - regungslos und desinteressiert haben die Eheleute ihre Blicke gesenkt. Erst beim zweiten Hinsehen stellen sich der glatzköpfige Herr in kurzer blauer Sporthose und seine etwas pummelige Frau mit Lockenpracht, geblümter Bluse und lila Rock als Skulpturen heraus. Sie sind Teil einer Ausstellung von Werken des weltbekannten Pop-Art- Künstlers Duane Hanson (1925-1996), die von diesem Samstag an im Weltkulturerbe Völklinger Hütte zu sehen ist.
Die lebensecht wirkenden, detailgetreu ausstaffierten Figuren des Bildhauers sind Abgüsse von Menschen, die meist auf der Schattenseite der amerikanischen Gesellschaft leben. Sie bilden Augenblicke und Befindlichkeiten aus dem Alltag eines Durchschnitts-Amerikaners ab - zu den Skulpturen zählen Hausfrauen, Bauarbeiter, Polizisten oder Autoverkäufer. Als einzige deutsche Station auf der Welttournee sind in Völklingen bis zum 27. April 2008 unter dem Titel «Sculptures of the American Dream» insgesamt 22 ausgewählte Werkgruppen des Künstlers zu sehen.
Die Figuren sind in der geräumigen, mehr als 100 Jahre alten Erzhalle inmitten von rostigen Stahlpfeilern angeordnet. Bis zu 17 000 Arbeiter malochten einst vor den Hochöfen der «Kathedrale der Arbeit», wie der Generaldirektor des Weltkulturerbes, Meinrad Maria Grewenig, das Eisen- und Stahlwerk gerne nennt. Für ihn ist die Hanson-Schau mit Werken aus der Arbeitswelt daher eine gelungene Verbindung zur Hütte: «Hier entsteht eine Reibung, die weit über das hinausgeht, was eine Ausstellungshalle oder ein Museum kann.»
Die in Fiberglas, Polyesterharz und Bronze gegossenen Figuren symbolisieren die Unter- und Mittelschicht der USA - vor allem aber Kehrseiten des amerikanischen Traums. Müde und apathisch, zuweilen desillusioniert und verzweifelt blicken die lebensgroßen Gestalten in die Leere. Hanson selbst erklärte einmal: «Egal, ob ein Mensch reich oder arm ist, gesund oder krank, das Leben wird früher oder später für jeden mal ziemlich schwer. Das ist einer der Gründe, warum die Figuren nicht lächeln.»
Bis hin zu hervortretenden Adern und naturgetreuen blauen Flecken gestaltete der Sohn schwedischer Einwanderer seine Abgüsse. Sein künstlerisches Werk, mit dem er 1972 in Kassel auf der «documenta» seinen internationalen Durchbruch feierte, begriff Hanson auch als Kritik an der modernen Gesellschaft: «Meine Arbeit handelt von Menschen, die in stiller Verzweiflung leben. Diese Menschen können im heutigen Wettbewerb nicht mithalten.»
Dass die Ausstellung nun ausgerechnet in der alten Völklinger Hütte zu sehen ist, hat für Grewenig einen ganz besonderen Reiz: Hanson sei Vertreter einer Kunst, «die die Grenzen zwischen der Hochkultur und der Alltagskultur eingerissen» habe. Nur deshalb werde etwa auch die Hütte heute als Kulturgut anerkannt. «Da sind Henne und Ei zusammengekommen.» Die Ausstellung, so hofft er, spreche nicht nur «die kulturelle Elite» an, sondern ein breites Publikum von mehr als 30 000 Besuchern. Viele von ihnen werden zwei Mal hinschauen müssen, bevor sie erkennen, dass es keine lebendigen Menschen sind, denen sie da begegnen.