Die etwas andere Provence - Die Cowboys der Camargue
Les Saintes-Maries/dpa. - Bei Provence denken viele Deutsche an leuchtende Sonnenblumen und endlose Lavendelfelder. Doch wer von Arles aus nur ein Stück Richtung Süden fährt, ist plötzlich von einer ganz anderen Landschaft umgeben.
Die Rhône hat sich dort in zwei Arme geteilt. Ihr Wasser fließt in gemächlicher Ruhe dem Mittelmeer entgegen. Und das Land dazwischen, die Camargue, erinnert eher an den Norden Schleswig-Holsteins als an den Süden Frankreichs: Es ist flach wie ein Teller. Olivenbäume sucht man hier vergeblich. Kleine Gräben mit Schilfrohr am Ufer durchziehen die Weiden.
Die Camargue ist die etwas andere Provence. Als eigenwillig gelten auch ihre Bewohner. Tatsächlich kultivieren sie noch so manche Eigenheit aus längst vergangenen Tagen, die anderswo in Frankreich allenfalls als folkloristisch durchgehen würde. Männer verbringen hier oft noch viel Zeit im Sattel, nicht nur die, die Vieh hüten. Aber gerade auch die Gardians, wie die Cowboys der Camargue genannt werden, legen Wert auf Traditionen. Und die schwarzen Stiere, die sie bewachen und die für die Camargue so typisch sind wie die weißen Pferde, auf denen die Gardians reiten, leben noch fast in Freiheit.
Die Stiere werden auf Farmen gezüchtet, die Manades heißen. Eine davon gehört Gilbert Arnaud. Vor dem Schuppen auf seinem Hof in der Nähe von Les Saintes-Maries-de-la-Mer steht sein Landrover, im Stall daneben sein Pferd Nacho. Arnaud ist in Les Saintes-Maries geboren und züchtet bereits seit einem Vierteljahrhundert Stiere. Er ist mit der Camargue fest verwurzelt. «Wenn er über die Rhône kommt, fühlt er sich schon unglücklich», sagt seine Frau Stephanie. Sie stammt aus Köln, hat BWL studiert und betreibt die Zucht zusammen mit Gilbert. Die Tiere werden an andere Züchter oder an den Schlachthof verkauft.
Auf der Manade der Arnauds können Besucher zusehen, wie die beiden zusammen mit ihrer Tochter Carla die Stiere zu Pferd zusammentreiben. Die drei reiten erst durch kniehohes Gras, dann durch eine Senke mit Wasser. Carla übt, einen Jungstier aus der Herde auszusondern - ein Hauch von Wildwest in Frankreichs Süden.
Les Saintes-Maries-de-la-Mer - die heiligen Marien am Meer - ist ein langer und ungewöhnlicher Name für den kleinen Ort nicht weit von Arnauds Manade entfernt: Er hat nur 2200 Einwohner, aber eine lange Geschichte. Der Überlieferung zufolge wurden Maria Salome, Maria Magdalena und Maria Jacobäa - alle drei aus dem Kreis der Jünger um Jesus - auf einem Schiff im Mittelmeer ausgesetzt und bis an die Küste der Provence getrieben. Die drei Frauen brachten also das Christentum nach Südfrankreich. Im 15. Jahrhundert erschien René, dem König der Provence, ein Engel und verriet ihm, wo sie begraben waren. Er ließ die Reliquien suchen und in die Kirche von Les Saintes-Maries bringen, das bald zum wichtigsten Wallfahrtsort der Provence wurde.
Les Saintes-Maries ist - Arles einmal außen vorgelassen - der wichtigste Ort der Camargue. Viele andere gibt es auch gar nicht. Denn die Region ist dünn besiedelt und in jeder Hinsicht ländlich - mit Ausnahme der Umgebung von Fos, wo in den sechziger Jahren Industrieanlagen hochgezogen wurden. Doch jahrhundertelang gehörte das Sumpfgebiet den Gardians mit ihren Pferde- und Viehherden. Mit dem eher kargen Leben in der Camargue, der Stierzucht und dem Stierkampf beschäftigt sich auch das Museé Camarguais, ungefähr 20 Kilometer von Les Saintes-Maries entfernt an der Straße nach Arles.
Informationen: Maison de la France, Postfach 10 01 28, 60001 Frankfurt, Telefon: 0900/157 00 25 (für 49 Cent pro Minute)
Französisches Fremdenverkehrsamt: www.franceguide.com