Der Baader Meinhof Komplex
München/dpa. - Er war einer der am heißesten diskutierten deutschen Filme der jüngeren Vergangenheit: Doch «Der Baader Meinhof Komplex» hat mit seinem Kinostart im Spätsommer 2008 nicht nur für Kontroversen unter Historikern, Terroropfern und Zeitzeugen gesorgt, sondern auch internationale Anerkennung hervorgerufen.
Für den Oscar, den Golden Globe und den britischen Filmpreis BAFTA war die Produktion von Bernd Eichinger ebenso nominiert wie für den Deutschen Filmpreis. Allerdings ging der Film jeweils leer aus, anders als an den Kinokassen. Dort war der Streifen um die Gründung der Rote Armee Fraktion (RAF) und ihrer ersten Jahre des Terrors mit 2,4 Millionen Besuchern erfolgreich.
Nur 15 Monate nach der Kinopremiere bringt die ARD den Film von Regisseur Uli Edel als Zweiteiler (Sonntag und Montag jeweils um 20.15 Uhr), der 30 Minuten länger ist als der Kinofilm. Es habe aber keine zwei Drehbuchfassungen gegeben, sondern nur eines, das für den Kinostreifen komplett verfilmt wurde, wie Produzent Eichinger sagt, der auch das Drehbuch schrieb. «Die Fernsehfassung entstand am Schneidetisch, nach Fertigstellung der Kinofassung.» An der Produktion waren auch die ARD-Anstalten NDR, WDR und BR sowie die ARD-Tochter Degeto beteiligt.
Der Kinofilm sei sehr schnell und wild, viele gedrehte Szenen mussten der Dramaturgie weichen. Der TV-Zweiteiler hingegen habe eine «ruhigere Erzählstruktur. Mancher szenischer Vorgang und manche Person wird (...) ausführlicher behandelt».
Damit bleibt auch mehr Zeit für die brillanten Darstellungen der Schauspieler, darunter Moritz Bleibtreu, Martina Gedeck und Johanna Wokalek. Sie machen deutlich, worum es dem Film geht: Es geht um Wut, um Entscheidungen, um Taten. Skrupellos greifen die Anhänger der RAF zur Waffe. Am Ende entlässt der Film den Zuschauer mit einem Gefühl der Fassungslosigkeit und der beklemmenden Frage, wie junge Menschen überhaupt zu solchen Taten fähig sein konnten.
Es kam viel zusammen Ende der 60er Jahre: Die Politik des Schahs in Persien, der Vietnam-Krieg der USA, der tödliche Schuss eines Polizisten auf den demonstrierenden Studenten Benno Ohnesorg oder das Attentat auf den Studentenführer Rudi Dutschke. Zehntausende protestieren, doch einigen Studenten reichen die Proteste nicht aus. Sie schließen sich zusammen, planen Aktionen und tauchen ab in den Untergrund.
Zeit zum Ausruhen lässt der Kinofilm nicht. Immer wieder prasseln Fotos, alte Filmaufnahmen oder Ausschnitte aus Fernsehnachrichten auf die Zuschauer ein - stakkatoartig wie Gewehrsalven. Dazwischen die Schauspieler, die den Vorbildern zum Teil frappierend ähnlich sehen. Es ist diese Mischung aus Erdachtem und aus Wirklichkeit, die dem Film seine Spannung und Glaubwürdigkeit verleiht.
Dass das so spannend ist, liegt auch an den Schauspielern. Bleibtreu als jähzorniger, charismatischer Andreas Baader macht klar, warum dieser Mann die Menschen in seinen Bann ziehen konnte. Brillant ist auch Wokalek als Gudrun Ensslin - kühl und mitleidslos verwirklicht sie die Ziele der RAF. Nur bei Baader wird sie schwach und es liegt Wärme in ihrer Stimme, wenn sie ihn ruft: «Baby!». Eine schwierige Rolle hatte Gedeck, die als Ulrike Meinhof den Spagat zwischen der bürgerlichen Ehefrau und Mutter, später der überzeugten Terroristin und gebrochenen Gefangenen meistern musste.
Überzeugend auch Nadja Uhl, die als Brigitte Mohnhaupt kaltblütig ihre Waffe gegen Menschen richtet. Bruno Ganz spielt den Chef des Bundeskriminalamtes, Horst Herold, als überlegten Ermittler, der die Täter verstehen will, um ihnen das Handwerk zu legen. Psychologie statt Waffen, lautet sein Credo. Doch in der Atmosphäre großer Verunsicherung bei den Verantwortlichen in der Bundesrepublik stößt er damit auf große Skepsis.
Eichinger hat die dramatischen Ereignisse, die auf dem Buch von Stefan Aust basieren, stark zusammengekürzt. Die Zeitspanne reicht von Ohnesorgs Tod 1967 bis zum «Deutschen Herbst» 1977 mit der Entführung der Lufthansa-Maschine «Landshut» und der Tötung des Arbeitgeber-Präsidenten Hanns Martin Schleyer.
Eine stumme Rolle spielen die Opfer und ihre Angehörigen. Ihre Emotionen blendet der Film weitgehend aus. Sie kommen nur vor, wenn die Täter selbst betroffen sind. Nicht umsonst versuchte Ignes Ponto, die Witwe des von der RAF ermordeten Bankiers Jürgen Ponto, per Gericht eine einstweilige Verfügung gegen den Film zu erwirken. Sie sah ihre Persönlichkeitsrechte verletzt, weil der Film die Erschießung ihres Mannes nicht wirklichkeitsgetreu zeige. Unter anderem werde ausgespart, dass sie den Mord mitansehen musste. Die Witwe unterstellte dem Drehbuch Effekthascherei. Als Opfer habe sie zudem Anspruch darauf, mit der Tat «alleingelassen zu werden».
Das Landgericht Köln wies den Antrag jedoch ab und bewertete die Kunstfreiheit höher: Die fragliche Szene sei in eine Gesamthandlung eingebettet, die sich nicht mit dem privaten Schicksal der Klägerin, sondern mit einem besonders herausragenden Ereignis der Zeitgeschichte befasse.