Coswigs Ärzte-Problem gelöst
Coswig/MZ. - Von einer ernsthaften Bedrohung der medizinischen Versorgung, die bis vor wenigen Tagen im Raum Coswig geherrscht habe, sprach am Dienstag der Allgemeinmediziner Dr. Joachim Jeschke auf einer Zusammenkunft von Coswiger Ärzten mit Bürgermeisterin Doris Berlin und dem CDU-Landtagsabgeordneten Kurt Brumme. Im Rathaus der Stadt schilderten neben Jeschke die Fachärzte für Allgemeinmedizin Gesine Schilling, Maren Schumann, Michael Wojna sowie der Kinderarzt Dr. Gerhard Wojna (seit 2005 im Ruhestand) die Lage. Nachdem fünf Allgemeinmediziner und ein Internist in den Ruhestand gegangen waren, habe für 3 000 Patienten aus Coswig und Umgebung kein Budget mehr zur Verfügung gestanden, informierte Dr. Jeschke.
Michael Wojna erklärte die Situation am eigenen Beispiel: Er führt in Coswig allein eine Praxis, in der zuvor außer ihm noch seine Mutter als Allgemeinmedizinerin und sein Vater als Kinderarzt tätig waren. Obwohl er deren Patienten ab Juli 2005 fast alle mit übernommen hat, gestanden ihm die Krankenkassen nur ein Drittel des bisherigen Budgets der drei Praxen zu. Behandelte er mehr als die ihm genehmigten 543 Patienten im Quartal, so bekam er für diese zusätzlichen Leistungen kein Geld. "Ich musste wegen der großen Zahl Patienten die Arbeitszeit meiner Mitarbeiter erhöhen", berichtete der Arzt. Die konnte er aber bald kaum noch bezahlen, weil Wojna zu einem großen Teil ohne Vergütung arbeiten musste. Ein Antrag auf Erhöhung des Budgets sei ein dreiviertel Jahr unbeantwortet geblieben, so dass schließlich sogar der Konkurs der Praxis gedroht habe. "Nie wieder würde ich mich im Osten Deutschlands niederlassen", so Wojnas verbittertes Fazit.
Wie Michael Wojna ging es auch seinen Coswiger Kollegen, zu denen die Patienten der nicht mehr praktizierenden Ärzte strömten. Hilfe suchend, wandten sich die Mediziner an Bürgermeisterin Doris Berlin, und diese suchte wiederum Rat beim Landtagsabgeordneten Kurt Brumme. Als Mitglied des Sozialausschusses und Ehemann einer Ärztin, so Berlins Hoffnung, würde er sich des Coswiger Problems annehmen.
Der Sozialausschuss des Landtages habe es gemeinsam mit der Kassenärztlichen Vereinigung erreicht, dass die Budgets der Coswiger Arztpraxen entsprechend der gestiegenen Patientenzahl erhöht wurden, teilte Brumme am Dienstag mit. "Die verbliebenen Ärzte können in den nächsten Jahren die medizinische Versorgung absichern", schätzte Dr. Joachim Jeschke ein. Es könne aber nicht sein, "dass man es auf Grund der schlechten Bedingungen keinem jungen Kollegen zumuten kann, sich im Osten Deutschlands niederzulassen", fügte Jeschke einschränkend hinzu. Auch Landtagsabgeordneter Brumme machte "eine Schieflage in der medizinischen Versorgung wegen unterschiedlicher Bedingungen für Ost- und West-Ärzte" aus. Als Beispiele nannte er die im Osten um 20 bis 30 Prozent geringere Honorierung, wobei die Ärzte hier bis zu 30 Prozent mehr Patienten im Quartal behandeln müssten als ihre Kollegen in den alten Bundesländern. Hinzu kämen "enge Medikamentenbudgets, bei deren Überziehung ein Arzt materiell haften würde. Das Einkommensgefälle zwischen Ärzten in Ost und West sei 15 Jahre nach der Wende nicht mehr gerechtfertigt, meinte der Landtagsabgeordnete. Er warnte, dass in Roßlau, wo 30 Prozent der niedergelassenen Ärzte über 60 Jahre alt seien, der Trend in ähnliche Richtung wie in Coswig gehe.
Die Coswiger Mediziner machten noch auf ein anderes Problem aufmerksam: Nach der Schließung der Arztpraxis in Jeber-Bergfrieden seien sie zusätzlich für zwölf Gemeinden zuständig. "Ich fahre jetzt bis nach Senst und Pülzig", wies Dr. Jeschke auf längere Wartezeiten auf den ärztlichen Hausbesuch hin. "Die Patienten verstehen es natürlich nicht, wenn sie Schmerzen haben und so lange auf ärztliche Hilfe warten müssen", beschreibt Gesine Schilling die Situation.