Chemische Kampfstoffe Chemische Kampfstoffe: Unter Vollschutz im fernen Russland
Geusa/MZ. - Von unserer Redakteurin Petra Wozny Sie sitzen ständig auf gepackten Koffern. Ein Jahr geht das nun schon so und Bernhard Schneider als auch Andreas Jahnel sind fasziniert. Der Einsatz im russischen Dzierzynsk sei das Sahnehäubchen, die Krone ihrer Laufbahn als Ingenieur beziehungsweise Geologe. Voller Stolz sagen sie das. Gut ist das schon, wenn man an einem Europa-Projekt, was vor zwei Jahren entwickelt wurde und der Abrüstung auf dem Erdball dient, mitarbeiten kann, ist man da geneigt zu urteilen.
Sagt man das auch noch, wenn man weiß, dass der Einsatz dort im fernen Russland lebensgefährlich werden kann? Die Merseburger Experten Schneider und Jahnel sind damit betraut, Altlasten zu beseitigen. Nicht irgendwelche, sondern hochgiftige chemische Kampfstoffe. Ein Projekt, dass von Deutschen, Engländern und Franzosen - insgesamt rund 35 Fachleuten - betreut wird und großer Vertraulichkeit unterliegt. In sieben Jahren soll es beendet sein. Rund 3,5 Millionen Euro wird es kosten, die vor allem für modernste Überwachungs- und Labortechnik sowie Arbeitsschutzmittel verwendet werden. Sicherheit ist für die Leute im Einsatz alles, so betont Jahnel. "Alles ist brüchig, in keinem guten Zustand." Andreas Jahnel Ingenieur Die Fabrik, die ehedem chemische Waffen herstellte, befindet sich auf einem Werksgelände in Dzerzhinsk, auf dem heute noch chemische Produkte hergestellt werden. Die Gebäude der Kampfstoffherstellung wurde bereits in den 40er Jahren aus Betrieb genommen. "Alles ist brüchig, in keinem besonderes sicheren Zustand", schildert Jahnel. "Unser Unternehmen, die HPC Harres Pickel Consult in Merseburg, hat für den wichtigen Auftrag den Zuschlag bekommen", erklärt der Leiter der Niederlassung, Gerd Suderlau. Im vergangenen Jahr feierte das Unternehmen Zehnjähriges.
Die 19 Mitarbeiter widmen sich einem breiten Spektrum im Bereich der Umwelt. So der Altlastenbeseitigung, der Hydrogeologie, der Mineralwassererkundung und der Geotechnik. Freilich, so rechnet Suderlau, sei die Altlastensanierung der umsatzstärkste Komplex. Die LMBV sei der Hauptauftraggeber. Im Rahmen der Abrüstungskonferenzen seien die Standorte der chemischen Kampfstoffe festgelegt worden, deren Anlagen vollkommen zurückzubauen sind. Russland ist aus eigenen Mitteln nicht in der Lage, die auf seinem Terrotirium betreffenden Fabriken zu entsorgen. Am Standort Ammendorf habe das HPC-Team vor Jahren die Rüstungsaltlasten in der Fabrik untersucht, wo in den 40-er Jahren der chemische Kampfstoff Schwefellost hergestellt wurde. Gute Referenzen für die jetzige Arbeit in Dzerzhinsk, wo der gleiche chemische Kampfstoff produziert wurde. Jahnel und Schneider arbeiten in der Fabrik, in der das teuflische Zeug hergestellt wurde, zum Teil unter Vollschutz, richten sich nach den in Europa hoch angesetzten Sicherheitsstandards. Die Untersuchung der Gebäudee, der Rückbau und die Dekontaminierung der belasteten Materialien geht langsam voran. "Vieles muss diplomatisch abgeklärt werden. Schließlich handelt es sich hier um ein hochsensibles Thema", schildert Schneider.
Etwa in neun Monaten sollen die ersten Prüfergebnisse vorliegen, um das Ausmaß der Schädigungen einschätzen zu können. Später wird eine Anlage aufgebaut werden, um die kampfstoffbelasteten Materialien zu immobilisieren, wie die Experten sagen. Suderlau, Jahnel und Schneider wissen, welche Gefahr diesem Projekt innewohnt. Sie wissen aber auch um die Wichtigkeit des Auftrages und haben gelernt, mit der Gefahr umzugehen.