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Boykott Boykott: Bahnrad-Trainer Jens Lang suspendiert

Von Martin Kloth 01.08.2003, 14:44
Jens Lehmann (l), Sebastian Siedler (m) und Christian Bach (r) erklärten bei den Bahnrad-Weltmeisterschaften ihre Weigerung den Vierer zu fahren. (Archivfoto: dpa)
Jens Lehmann (l), Sebastian Siedler (m) und Christian Bach (r) erklärten bei den Bahnrad-Weltmeisterschaften ihre Weigerung den Vierer zu fahren. (Archivfoto: dpa) dpa

Stuttgart/dpa. - Zwietracht, Missgunst und Egoismus haben den deutschen Bahnrad-Sport bei den Weltmeisterschaften in Stuttgart an den vorläufigen Tiefpunkt gebracht. Durch den von Heimtrainer Jens Lang in erpresserischer Weise initiierten Boykott des Vierers ging am Freitag erstmals seit Einführung der 4000-m-Mannschaftsverfolgung 1962 kein deutsches Team an den Start. Dem Versuch von Jens Lehmann (Leipzig), Daniel Becke (Erfurt), Sebastian Siedler (Gera) und Christian Bach (Erfurt), auf Missstände im Bund Deutscher Radfahrer (BDR) aufmerksam zu machen, wurde das Aushängeschild Bahn-Vierer geopfert.

«Selbst wenn es Fehler in der Kommunikation gegeben hat, die bei dem Gespräch gestern auch zur Sprache kamen, ist diese Reaktion durch nichts zu rechtfertigen», erklärte BDR-Präsidentin Sylvia Schenk. «Es ist ein sehr trauriges Gefühl und sicher nicht der schönste Augenblick in meiner Karriere. Wir wollten anprangern, dass viele Dinge schief gelaufen sind. Ob das nun richtig war oder falsch, werden wir sehen», sagte der 35-jährige Lehmann, der gemeinsam mit zwei seiner Mitstreiter die Vierer-Qualifikation als Zuschauer auf der Tribüne verfolgte.

Für Jens Lang, Heimtrainer des Quartetts, hat die E-Mail mit der Aufforderung, nicht im Vierer zu starten, erste Konsequenzen. Der 35- jährige Sportliche Leiter des TEAG Teams Köstritzer wurde mit sofortiger Wirkung von seinen Aufgaben entbunden. «Ich habe ihm telefonisch mitgeteilt, dass wir auf seine Dienste verzichten», sagte Team-Manager Olaf Albrecht. Auch droht Lang die Entlassung als Trainer des Olympiastützpunktes (OSP) in Erfurt. «Ich gehe davon aus, dass es für Jens Lang arbeitsrechtliche Konsequenzen haben wird. Welche, werden die Gremien entscheiden», sagte OSP-Leiter Bernd Neudert, der sich am Freitag mit der BDR-Führung in Stuttgart traf.

Der in der Geschichte des deutschen Bahnrad-Sports einmalige Vorgang der Startverweigerung wird auch für Lehmann (35), Becke (25), Bach (24) und Siedler (25) nicht ohne Folgen bleiben. «Die Frage ist: Bleiben sie im Nationalteam? Man muss auch ein Signal setzen. Da ist ein solcher Vertrauensbruch, der ist nicht mit drei Gesprächen zu klären», meinte Sylvia Schenk.

Nach dem ausgestandenen Streit über die Nominierung von Robert Bartko (Potsdam) für die Einzelverfolgung statt Jens Lehmanns eskalierte die Situation erneut durch das Schreiben von Lang. «Auf Grund der E-Mail gibt es keine Einigung», verkündete Lehmann. Das abtrünnige Quartett monierte die Aufstellung des Berliners Guido Fulst für den Vierer. Dieser habe sich im Gegensatz zu Siedler sportlich nicht qualifiziert. «Wir sehen Guido Fulst als nicht nominiert an. Ich habe gesagt, dass ich im Vierer fahre, aber ich habe nicht gesagt, dass ich mit Guido Fulst fahre», betonte Lehmann. Dabei brach eine lange unter der Decke gehaltene Zwietracht auf. «Fulle ist der Fahrersprecher. Er schmiedet die Intrigen. Darin ist er ein Meister seines Fachs», erklärte der Olympiasieger.

Als das Quartett auf Drängen des Teams Köstritzer am späten Donnerstagabend einlenkte und doch in der von Bundestrainer Bernd Dittert aufgestellten Besetzung fahren wollte, war der Vierer-Start bereits schriftlich abgesagt. Über die Tragweite ihres Handelns waren sich die für Thüringen fahrenden Vier offenbar nicht im Klaren. «Wir hatten schon gedacht, dass der Vierer in irgendeiner Besetzung fährt», sagte Lehmann. Das Quartett muss zudem damit rechnen, zum Beispiel zu Sechs-Tage-Rennen nicht mehr eingeladen zu werden und somit dort kein Geld verdienen zu können.

Das blinde Vertrauen in ihren Heimtrainer, der aus egoistischen Gründen seinen Schützlingen Freundschaft und Betreuung aufkündigen wollte, falls sie mit Fulst und Bartko fahren, kommt die Fahrer teuer zu stehen. BDR-Chefin Schenk schloss einen Olympia-Start in Athen aus. Lehmann: «Lang hat uns mitgeteilt, wenn ihr fahrt, dann trenne ich mich von Euch. Dann brauche ich auch nicht zu Olympia zu fahren, weil ich dann keinen Trainer habe. Ich brauche ihn, als Freund sowieso.» Statt eines Freundschaftsdienstes hat ihnen der Coach jedoch einen Bärendienst erwiesen.