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Boxen Boxen: Friedliche Einigung oder Ring frei für nächste Runde?

Von WLADIMIR KLESCHTSCHOW 15.06.2009, 16:27

GÖRZIG/MZ. - Als Nachwuchs-Landesleistungsstützpunkt sind die Görziger die Nummer eins in Sachsen-Anhalt.

Doch jetzt sieht der Boxclub seine Leistungsfähigkeit in Gefahr. Die Gemeinde Görzig will nämlich für die Nutzung des Sportzentrums am Anger sowie der Turnhalle, die bisher unentgeltlich war, Gebühren erheben. Zum einen geht es um die Stromkosten, zum anderen um das eigentliche Benutzungsentgelt. Dieses soll für die Clubmitglieder bezahlt werden, die älter sind als 18 Jahre. 7,36 Euro pro Stunde wurde für die Turnhalle verlangt, so Frank Klimmer, Vize-Vorstandsvorsitzender des Boxclubs.

"Das wäre für uns eine zusätzliche Ausgabe von mehr als 2 000 Euro jährlich", so Klimmer. "Dann müssten wir die Mitgliedsbeiträge verdoppeln. Das wäre eine unzumutbare Belastung für die Eltern: Aus manchen Familien trainieren zwei und drei Kinder bei uns."

Das Problem, das vom Boxclub-Vorsitzenden Dittmar Dzemski als "traurig" bezeichnet wird, betrifft auch den VfB Borussia Görzig. "Das können wir nie aufbringen: 1 200 Euro sollen wir jährlich für die Turnhalle bezahlen und 2 000 Euro an Stromkosten für das Gebäude am Sportplatz", empört sich Borussia-Präsident Horst Ehrlich. "Dort trainieren unsere Volleyballer und die Frauen-Gymnastikgruppe. Das würde für sie das Aus bedeuten."

Bürgermeister Eckehardt Kniestedt hat kein Verständnis für den Widerstand der Sportler. "Die Gemeinde befindet sich in der Konsolidierung und ist verpflichtet, alle Einnahmequellen zu erschließen", sagte er der MZ. Im übrigen gehe es nur darum, dass die Vereine die Betriebskosten bezahlen.

Nachdem die Gemeinde die Gebühren verlangte, ging der Konflikt in die zweite Runde. Die Sportler wandten sich ans Verwaltungsgericht Halle - nicht mit einer Klage, sondern mit einem Antrag, die Sporteinrichtungen weiter unentgeltlich nutzen zu können. Zusätzlich aufgebracht waren sie durch den Ton des Schreibens, in dem die Zahlung der Gebühren verlangt wurde. "Da war gleich die Drohung: Wenn ihr nicht zahlt, schalten wir den Strom ab und verwehren den Zutritt zur Turnhalle", so Ehrlich.

"Das ist ein Schlag ins Gesicht", reagierte der Bürgermeister auf den Gang der Sportler zur Justiz. Dem Gemeinderat teilte er mit, dass die Gemeinde von den Sportvereinen verklagt worden sei. "Wir sind gehalten, einen Anwalt zu nehmen", so Kniestedt. "Wenn wir den Prozess verlieren, müssen wir vielleicht die Steuern erhöhen, um die Kosten zu bezahlen."

Inzwischen hat das Gericht dem Antrag der Vereine stattgegeben. Die 6. Kammer fasste einen Beschluss, wonach die Gemeinde Görzig "im Wege der einstweiligen Anordnung" verpflichtet ist, "dem Antragsteller die gemeindeeigene Turnhalle unentgeltlich zum Trainings- und Spielbetrieb zur Verfügung zu stellen". Ihre Entscheidung begründeten die Richter mit der DDR-Verordnung zur Sicherung und Nutzung von Sporteinrichtungen im öffentlichen Eigentum vom 13. Juni 1990. Dieser zufolge sind "alle Sporteinrichtungen u. a. kommunaler Organe und Einrichtungen gemeinnützigen Vereinigungen zur nicht auf Erwerb gerichteten sportlichen Betätigung grundsätzlich unentgeltlich zur Verfügung zu stellen." Die Verfahrenskosten muss die Gemeinde tragen. Für Kniestedt ist in dieser Sache offenbar noch nicht das letzte Wort gesprochen. "Wir werden gegen den Gerichtsbeschluss Widerspruch einlegen", erklärte er am Montag der MZ.

Inzwischen teilte Boxclub-Vizepräsident Klimmer mit, dass die Gemeinde ihm den Mietvertrag fürs Gewerbeobjekt im Ortsteil Reinsdorf gekündigt hat. Klimmer, Inhaber des Unternehmens KSD - Kanal-Schacht-Dienstleistungen, braucht das Gebäude, um dort Technik unterzustellen. Auch der Boxring des Clubs wird dort gelagert. Tritt die Kündigung in Kraft, weiß der Verein nicht, wohin mit dem Ring. Der Grund für die Kündigung sei Eigenbedarf: Die Gemeinde brauche das Objekt, um dort Kunststofffenster für die Schule zu lagern, so Klimmer. "Die Fenster hätten wir unterbringen können, ohne auszuziehen", sagt er. In einem Brief an den Bürgermeister hat Klimmer sein Unverständnis geäußert und sich bereit erklärt, eine höhere Miete zu zahlen.

Bisher habe er keine Antwort erhalten. "Sollten wir ausziehen, müsste ich wahrscheinlich den Firmensitz aus Görzig verlegen", überlegt der Unternehmer. "Denn hier gibt es kaum ein weiteres Objekt, das wir mieten könnten." Für Klimmer, der bei den jüngsten Gemeinderatswahlen in Görzig als Kandidat innerhalb der Wahlvorschlagsverbindung Linke / Wählergruppe Sport antrat und gewählt wurde, ist die Haltung der Gemeinde rätselhaft. "Immerhin rechnen wir damit, dass unsere Firma für 2008 eine Gewerbesteuer in Höhe von 10 000 Euro an die Gemeinde abführen kann, die Geld braucht."

Wie der Streit um die Nutzungsgebühren für die Sportvereine und um das Gewerbeobjekt in Reinsdorf ausgeht, steht noch in den Sternen. Während der Borussia-Präsident Ehrlich in Bezug auf eine friedliche Einigung sehr skeptisch ist, glaubt Boxclub-Vize Klimmer noch, ein Dialog sei möglich. "Wir sind nicht gegen die Gemeinde, wir wollen mit einander arbeiten und sollten darüber reden", sagt er. Die Sportler seien bereit, ihre Muskelkraft der Gemeinde anzubieten - fürs Rasenmähen und Ähnliches.

Am Donnerstag tagt der Gemeinderat Görzig. Es geht auch um den Streit mit den Sportvereinen - im nicht öffentlichen Teil. "Eine Einigung oder Ring frei für die nächste Runde?", rätseln viele im Dorf.