Betreutes Wohnen Betreutes Wohnen: Selbständigkeit im Alltag ist das Ziel
Köthen/MZ. - Das zehnjährige Be stehen, das am Freitagabend in großer Runde gefeiert wurde, lag schon ein bisschen zurück. Ein knappes halbes Jahr. Denn es war im Februar 1991, als die ersten Bewohner in das umgebaute ehemalige Stasi-Objekt in der Akazienstraße einziehen konnten. Der Kreistag hatte zuvor beschlossen, dass in diesem Haus künftig geistig behinderte Erwachsene betreut wohnen und befähigt werden sollen, im Alltag so selbständig wie möglich zu werden. Mehr als zehn Jahre sind seitdem vergangen, die ganze Zeit ist Rosemarie Ritter hier die leitende Betreuerin.
"Als es darum ging, wie das Jubiläum begangen werden soll, haben wir erkannt, dass eine Feier im Winter mit den Bewohnern, deren Angehörigen und zahlreichen weiteren Gästen im Haus kaum möglich ist. Schlicht aus Platzgründen. Deshalb haben wir bis zum Sommer gewartet, denn jetzt können wir den Garten nutzen." Das erwies sich am Freitag als nahezu ideal. Man hatte - für alle Fälle - zwar ein Zelt aufgestellt, doch bei dem schönen Wetter wäre das am Ende gar nicht nötig gewesen. Es wurde gegrillt, es gab ein opulentes Buffet und natürlich auch Musik und Tanz.
14 geistig Behinderte leben in dem Haus in Ein- und Zweibettzimmern; sechs Männer und acht Frauen im Alter zwischen 27 und 47 Jahren. Es gibt es alles, was zu einer kompletten Wohnung gehört: Küche und Sanitärräume, aber auch Räume, in denen man zusammen sitzen, die Mahlzeiten einnehmen sich anderweitig beschäftigen kann. Das Areal um das Haus herum lädt zum Aufenthalt im Freien ein, der Garten ist groß genug, um in Ruhe auf einer Bank zu sitzen oder sich auch gärtnerisch zu betätigen.
Umsorgt werden die Bewohner von vier Betreuern, einer Hauswirtschaftskraft und einem Zivildienstleistenden. "Unser Ziel ist es, die Behinderten so zu trainieren, dass sie möglichst selbständig den Alltag bewältigen. Wir gehen mit ihnen einkaufen, sie lernen, Wäsche zu waschen und zu bügeln, sich einfache Mahlzeiten herzustellen und für die persönliche Hygiene zu sorgen." Tagsüber arbeiten die Bewohner in der geschützten Werkstatt der Lebenshilfe am Wattrelosring, nachmittags kehren sie nach Hause zurück. Aufstehen muss man übrigens sehr zeitig: Um 5 Uhr wird geweckt, damit vor Arbeitsbeginn um 7 Uhr auch noch genügend Zeit zum Frühstück bleibt. An den Wochenenden wird oft etwas unternommen, Spaziergänge, Ausflüge in die nähere und weitere Umgebung - zum Beispiel nach Dessau oder nach Aken an die Elbe.
Und zweimal im Jahr ist Urlaub. Im Sommer verreisen die Männer und Frauen 14 Tage - dieses Jahr waren sie in Erfurt und haben viel von Stadt und Umland gesehen. Im Herbst dann wird nochmals eine Woche "ausgespannt", Ziel ist im September das Bahra-Tal in der Sächsischen Schweiz. "Einmal", erzählt Rosemarie Ritter, "waren wir sogar für eine Woche in der Türkei". Träger der Einrichtung ist seit 1996 die Arbeiterwohlfahrt, bis dahin war der Landkreis noch zuständig. Bedingung für die Aufnahme in das Haus ist die so genannte Werkstattfähigkeit derjenigen, die hier leben möchten. Gegenwärtig sind allerdings alle Plätze vergeben, die meisten schon seit zehn Jahren.