Berufsbildende Schulen III Berufsbildende Schulen III: Abschied in Dessau und Afrika im Blick
Dessau/MZ. - Stolz geht er ein vorletztes Mal durch die Flure bis zum Nähzimmer. "Schauen Sie, kein Strich ist an den Wänden zu sehen, obwohl die letzte Renovierung schon einige Jahre her ist. So sauber ist es kaum an anderen Schulen," ist sich Rolf Müller sicher. Auch das Zimmer mit den Nähmaschinen ist blank geputzt. Kein Stäubchen ist zu entdecken, aber auch kein Schüler. Längst haben die Ferien begonnen. Ein Zeichen, dass auch Rolf Müller bald seine Ferien genießen kann. Nur mit einem Unterschied: Im August wird für die Schüler der Berufsbildenden Schulen III die Ausbildung weitergehen.
Für den Direktor Müller dagegen sind dies die letzten Ferien. Er geht offiziell am 31. Juli in den Ruhestand und sagt der Einrichtung, der er während seines Wirkens eine ganz persönliche Note gab, ade. Zeit für Sentimentalität bleibt dem Mann, der die BbS weit mehr als ein Jahrzehnt leitete, der alljährlich die Geschicke von knapp 1 400 Auszubildenden sowie Absolventen des Berufsvorbereitungsjahres mit in die Hand nahm, nicht.
Dass die Chaponschule so aussieht, das ist schnell erklärt: "Hier gibt es nichts, was die Schüler nicht selber machen," ist der Direktor stolz auf den Effekt, der mit diesem "Selbermachen" verbunden ist. Wenngleich sich die Sekretärin bereits in den Urlaub verabschiedet hat und Müller nun allein in seinen Räumen residiert, auf seinem Schreibtisch in der Chaponschule liegt noch Arbeit. Die ist zu erledigen, "damit die Schule die nächsten Wochen bis zur Ernennung eines neuen Direktors unbeschadet übersteht". "Ich will den Weg dafür ebnen." Mit diesen Worten setzt sich der 66-Jährige erneut an seinen Arbeitsplatz, um Briefe zu schreiben.
Müller wünscht sich einen Nachfolger, "der sich nicht zu schade ist, etwas für die Schwachen dieser Gesellschaft zu tun". Und natürlich hofft er, dass diesem eben so viel Vertrauen entgegen gebracht wird, wie er es die ganzen Jahre erhalten hat. Dabei ist diese Berufsbildende Schule ein kompliziertes Geflecht, der Posten des Direktors ist vielmehr mit dem eines Managers zu vergleichen. Im gesamten Regierungsbezirk gibt es ein flächendeckendes Netz an Außenstellen der BbS III. Der verantwortliche Schulträger sitzt demzufolge nicht nur in Dessau, auch die Landkreise Anhalt-Zerbst, Bernburg, Köthen und Wittenberg sind Ansprechpartner. Das war nicht immer so.
15 Lehrer waren vor der Wende für rund 250 Auszubildende zuständig. Das Kollegium zählt heute rund 100 Pädagogen, die sich um jene 400 Auszubildenden und 1 000 Schüler kümmern, die an den Einrichtungen der BbS ein berufsvorbereitendes oder berufsbegleitendes Jahr absolvieren. Es gibt keinen Schüler, der zurückgewiesen wird. "Wir sind die letzte Instanz, nach uns gibt es keine Alternative", schildert Müller das Bemühen um jeden jungen Menschen, der an die Tür der Einrichtung klopft. Was tut so ein Mann, der 52 Jahre im Dienst war, der dabei lediglich 40 Krankentage aufzuweisen hat? Dem Dessauer ist nicht bange. Das Leben, vor allem die Aufbauarbeit, die Müller in den 70er Jahren in Afrika leistete, hat ihn geprägt.
Nach dem wohlverdienten Urlaub und einem angestrebten Besuch in einer afrikanischen Partnerschule der BbS will der Dessauer sich erneut für Schwache einsetzen. Es gibt in Hamburg Veteranen, die planen den Aufbau einer Schule in Afrika, weiß er. "Vielleicht brauchen die einen, der bei dem Projekt helfen kann", blickt der 66-Jährige optimistisch in die Zukunft.