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Berti Vogts Berti Vogts: Zurück in der realen Welt

Von Gregor Derichs 22.03.2002, 21:40
Berti Vogts
Berti Vogts dpa

Glasgow/MZ. - Es ist keine zwei Monat her, dass er inKuwait Studenten und Soldaten das Fußballspielenauf höherem Niveau vermitteln sollte. Dochaus der Wüste wollte er unbedingt fort. Auf"zwei Millionen Mark netto", so Vogts, hater verzichtet, um schneller als geplant "Ade"sagen zu können. Nun schreitet er durch dasStadion, das früher einmal 153000 Zuschauerfasste und heute laut Europäischer FußballUnion das beste auf dem ganzen Kontinent ist.Um 7.30 Uhr hat er seinen Arbeitstag begonnen.Auf den Schreibtischen liegen die Zeitungendes Tages, die sich mit Vogts und seiner Mannschaftbeschäftigen. "Scotland Boss" nennen die Medienden Trainer aus Deutschland, der die Nationalelfdes Landes auf Vordermann bringen soll.

"Ich wollte zurück in die reale Fußball-Welt",begründet er seine Trennung von den Kuwaitis.Real ist der Fußball hier auf der Insel, wodas allererste Länderspiel der Fußball-Historiestattfand, und urwüchsig, fast wie zugeschnittenauf Vogts. Deswegen fühlt sich der 55-Jährige,von 1990 bis 1998 deutscher Bundestrainer,neun Monate nach seiner Entlassung bei Bayer04 Leverkusen und dem Kuwait-Abenteuer imsiebten Himmel. Schottland und Vogts - dasscheint zu passen. "Ich habe die langfristigeAufgabe, ein Team aufzubauen. Kurzfristigmüssen natürlich gute Ergebnisse her, aberdas Ziel ist die Qualifikation für die EM2004." Zweimal ist im nächsten Jahr die deutscheNationalelf der Gegner. "Wir spekulieren aufden zweiten Platz und die Relegation. Wirmessen uns dabei vor allem mit Litauen undIsland", sagt Vogts. Platz eins sei für dasTeam seines früheren Kapitäns Rudi Völlerreserviert.

Länger als bisher bekannt plant der frühereWeltklasse-Verteidiger seinen Aufenthalt imNorden Britanniens. "Ich habe einen Vier-Jahres-Vertragbis 2006. Dazu habe ich eine Option von zweiJahren, die einseitig von den Schotten wahrgenommenwerden kann." Wie der Schwede Sven-Göran Erikssonbeim Nachbarn England soll der Deutsche Vogtsals erster ausländischer Trainer der Nationalelfneue Impulse bringen. Die WM in vier Jahrenin Deutschland ist das nächste Etappenzielnach der EM 2004 in Portugal. "Mein Traumist es, mit Schottland bei der WM 2006 inMönchengladbach zu spielen", sagt Vogts, "wennman keine Träume mehr hat, ist man tot." Dassdie Heimatstadt seiner Borussia mit dem neuenStadion am 15. April von der deutschen WM-Organisationnicht bei den WM-Städten berücksichtigt werdenkönnte, ist für Vogts unvorstellbar.

Auf der Straße kommen Passanten auf Vogtszu, wünschen ihm "good luck" (Glück) und "success"(Erfolg). "Die Herzlichkeit der Menschen istenorm. Das hat aber nichts mit mir zu tun",behauptet Vogts, "die Leute sind hier so freundlichzu Gästen. So etwas kennt man in Deutschlandgar nicht mehr." Das hat ihm die Entscheidungleicht gemacht, in Glasgow sesshaft zu werden.Außerhalb der Stadt hat er ein Haus gefunden."Es ist gediegen, fast wie zu Hause am Niederrhein,klein, aber fein", sagt Vogts. Frau Monikaund Sohn Justin (14) ziehen in Kürze ein.

Am Mittwoch in St. Denis bei Paris führt"McVogts" die Schotten-Elf gegen Welt- undEuropameister Frankreich erstmals an. Am Sonntagtrifft er seine Spieler. Mit der Nominierunghat Vogts ein Ausrufezeichen gesetzt, weiler viele ältere Akteure nicht mehr berücksichtigt,aber sieben junge Debütanten berufen hat.Sein personelle Reform hat Anerkennung ausgelöst."Mal sehen, wie es wird, wenn wir verlieren.Da mache ich mir nichts vor", sagt Vogts,der weder Groll auf den DFB noch auf BayerLeverkusen hegt. Vogts fühlt sich unbelastet."Die Schotten sagen, man soll nicht zurücküber die Schulter schauen, sondern nach vorne.Ich glaube, dass ich das gelernt habe."