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Andreas Ihle Andreas Ihle: Der Paddler am Last-Minute-Schalter

Von Gottfried Schalow und Peter Skubowius 06.08.2008, 07:20

Magdeburg/MZ. - Andreas Ihle hat an diesem Tag (wieder: hoffentlich) den Finallauf im Kajak-Zweier in Peking erreicht. Dann wollen seine Eltern Sigrid und Claus, seine Frau Sandra und die beiden Kinder Collin-Pascal und Charis die Medaillenjagd voller Spannung daheim vor dem Fernseher verfolgen.

"Natürlich ist das nur eine Ersatzlösung, es geht doch nichts über das Live-Erlebnis. So wie vor vier Jahren, als wird mit einem ausgeliehenen Wohnmobil in Athen waren. Wir haben auch lange sämtliche China-Kataloge durchgewühlt,

aber letztlich war das alles zu aufwendig, zeitlich wie finanziell", sagt Mutter Sigrid, die eine wesentliche Aktie daran hat, dass ihr inzwischen 29 Jahre alter "Junge" überhaupt den Weg bis in die Nationalmannschaft der Rennkanuten fand.

Siegrid Pawlik, eine von Bad Dürrenbergs "Kanuverrückten", war einst an den Schulen Klinkenputzen gegangen, um Nachwuchs zu finden. Andreas Ihle war einer der Auserwählten. "Ich war als damals Neunjähriger eigentlich recht schnell auf den Geschmack gekommen, aber ich hatte mal Lust, mal eben nicht. Meistens bin ich ja von zu Hause auch weggegangen, aber selten im Bootshaus angekommen. Das änderte sich erst, als meine Eltern ein Machtwort gesprochen hatten. 'Entweder du machst etwas richtig oder gar nicht' - hieß es", erinnert sich Andreas Ihle an seine sportlichen Anfänge.

Andreas machte es dann richtig, und die Erfolge stellten sich schnell und regelmäßig ein. Dennoch gab es die Olympiatickets immer nur auf den letzten Drücker. "Nach Sydney 2000 bin ich als Quereinsteiger von den Junioren gekommen, nach Athen nur über ein Zusatzrennen bei der Europameisterschaft. Aber das war noch gar nichts gegen die Last-Minute-Fahrkarte nach Peking", sagt Ihle. In nur einem Rennen ging es im Juni um Alles oder Nichts.

"Mein langjähriger Partner Rupert Wagner wurde vor den entscheidenden Qualifikationsrennen krank. In nur einer Woche musste ich mir für ein dann eigens angesetztes Rennen einen neuen Partner suchen und fand ihn im gerade mal 21 Jahre alten Martin Hollstein. Mit diesem ganz jungen Bengel ohne große internationale Erfahrung habe ich mich tatsächlich noch durchgesetzt", kann Ihle heute über den damaligen "Stress und fast unmenschlichen Druck" schon fast wieder schmunzeln.

Im Moment trainieren Ihle und Hollstein im Kanu-Bundesleistungszentrum in Duisburg und haben noch fast zwei Wochen zum Feinschliff. "Wir haben zuletzt die Position im Boot getauscht. Ich sitze jetzt nicht mehr am Schlag, und die Harmonie wird jeden Tag ein Stück besser", erzählt Ihle. Nun steht als Mindestziel die "Finalteilnahme. Es gibt fünf gleichstarke Boote, Medaillen werden über die Tagesform vergeben."

Und schließlich sagt der 1,78 Meter große Kanute den entscheidenden Satz: "Aller guten Dinge sind drei" - und bezieht das nachdrücklich auf seine Olympia-Teilnahmen. Eine nächste wird es nicht geben. "Ich bin die letzten Jahre wegen der Wettkämpfe und Trainingslager fast nie zu Hause gewesen. Es wird Zeit, dass sich daran etwas ändert. Dazu kommt, dass meine Frau nach ihrer Babypause mit der Ausbildung beginnt und ich so auch gezwungen bin, mich stärker um häusliche Pflichten zu kümmern."

Andreas Ihle, der bislang bei der Bundeswehr seine soziale Absicherung hatte, geht also auf Jobsuche, denn in dem einmal erlernten Sozialversicherungsberuf bei der AOK "bin ich einfach zu lange 'raus. Da müsste ich bei Null beginnen". Es wird also vermutlich auf eine zweite, neue Ausbildung hinauslaufen nach jetzt insgesamt acht Jahren Bundeswehr". Paddeln will Andreas Ihle dann tatsächlich nur noch aus Lust an der Freude. Und das getreu dem alten Leitspruch, mit dem die ganze Familie Ihle ihre Lust auf Kanurennsport immer wieder aufs Neue witzig begründet: "Im Paddelboot hast du die Kneipe immer vor Augen. Rückwärts im Ruderboot sitzend siehst du die Kneipe erst, wenn du schon lange dran vorbei bist."