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Amtsübergabe Amtsübergabe: Landesrekord im Standesamt

Von Ralf Böhme 16.03.2001, 19:32

Löbejün/MZ. - Sachsen-Anhalts dienstälteste Standesbeamtin nimmt Abschied. Das geschieht auf Raten. Gestern hat Anita Kohl ihr blaues Festkleid mit nach Hause genommen. Am Montag trifft die 57-Jährige noch einmal Amtskollegen im Landratsamt. Ab Dienstag beginnt ihr Urlaub - sozusagen für immer. Schlüssel und Dienststempel hat sie bereits an ihre Nachfolgerin, Ilona Müller, übergeben.

Wie meistert Anita Kohl die letzte Trauung ihrer fast 37-jährigen Laufbahn? Das Ritual ist ihr längst in Fleisch und Blut übergegangen. Souverän, aber ausgesprochen herzlich, waltet sie ihres Amtes. Wer es nicht weiß, kann es kaum ahnen. Anita Kohl zelebriert die 1 715. Eheschließung - mit Heimvorteil. Die Standesbeamtin kennt die jungen Leute quasi seit ihrer Geburt. Schon die Eheschließung der Eltern hat sie beurkundet.

Wieder ist der kleine Festsaal bis auf den letzten Platz besetzt. 40 Gäste verfolgen die Zeremonie, jede Regung und jedes Wort der Akteure am großen Schreibtisch. "Es ist immer wieder ein erhebender Moment", sagt Anita Kohl später. Das Ja-Wort ist gegeben, endlich werden die Ringe getauscht. Leise röhren die "Puhdys" aus den Lautsprechern.

Anita Kohl überreicht das Stammbuch. Nun sind Sven, der Landschaftsgestalter, und Kathrin, die technische Zeichnerin, offiziell ein Paar. Vor dem Rathaus jubelt laut die Hochzeitsschar. Viele Mitglieder des Löbejüner Schalmeien-Orchesters sorgen für Stimmung. Hupend fahren die Autos ab. Leere Bierbüchsen an den Auspuffrohren scheppern über das Altstadtpflaster. Im Dienstzimmer von Anita Kohl ist es dagegen still.

Behutsam trägt sie die Sektgläser weg, räumt die Schallplatten in den Schrank. Später platzt Frank Bujak, der stellvertretende Verwaltungsleiter, herein. "Ihn hätte ich gerne noch verheiratet", sagt Anita Kohl im Scherz. Und Bürgermeister Thomas Madl nimmt sie noch ein klein wenig übel, dass er seine Hochzeit auswärts gefeiert hat. Und ihr Sohn? Die Standesbeamtin: "Andreas sucht noch, er ist Junggeselle."

Dabei ist der Junge eigentlich sogar schuld daran, dass seine Mutter vom Konstruktionsbüro ins Löbejüner Standesamt gewechselt ist. "Ich wollte einfach mehr Zeit für das Kind haben, deshalb entschied ich mich für eine Arbeit in meiner Heimatstadt." Ruhestand - ein seltsames Wort, meint Anita Kohl. Doch es schreckt sie nicht. Ehemann Werner wartet. Allein machen ihm Haus und Hof keinen Spaß.

Anita Kohl: "Ich habe so viele Interessen, allen voran unser roter Hauskater Robert." Und sie freut sich auf den Frühling. "Da gibt es viel Arbeit in unserem großen Garten." Stichwort Blumen - da kommt die passionierte Züchterin ins Schwärmen. Rosen sind ihre Welt. "Daran kann ich mich gar nicht satt sehen." Auch deshalb ist sie den Brautpaaren dankbar. "Sie hatten immer herrliche Sträuße." Rentner haben manchmal große Pläne.

Im Fall von Anita Kohl bedeutet das eine Reise nach Österreich, wo die Musikanten leben, die ihr gefallen. Ihr heimlicher Wunsch: eine Begegnung mit Anton aus Tirol.