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50 Jahre Sportschulen 50 Jahre Sportschulen: Der «Windhund» von Peißen

Von Rüdiger Fritz 12.08.2005, 18:51

Halle/MZ. - Am Anfang stand auch im Sport die Bescheidenheit, gerade zehn Jahre nach dem Ende des zweiten Weltkrieges. Wie die Träumereien haltloser Phantasten hörte sich daher das Vorhaben an, auch in Halle mit der Gründung der Kinder- und Jugendsportschule (KJS) "Friedrich Engels" Spitzenathleten zu formen. Doris Schliebe-Bauch sind diese Gründerzeiten noch in Erinnerung, gehörte sie doch 1955 dem ersten Schuljahrgang an.

Als begabte Turnerin war sie der neuen Einrichtung empfohlen worden. Doch ihre ersten Mitschüler in Peißen bei Halle ahnten, dass die sportlichen Fähigkeiten von Doris Bauch in anderem bestanden. "Windhund haben sie mich gerufen", erzählt die nunmehr 60-Jährige. "Weil ich beim Wettrennen immer vornweg war." Von ihrem Opa Fritz, der Bahnrad-Profi war und auch die Dortmunder Westfalenhalle mit begründete, erbte sie das Sportler-Gen.

"Mangels Möglichkeiten diente der lange Flur auf der zweiten Schuletage im heutigen Herder-Gymnasium zum Hürdentraining. Für den Weitsprung und auch die Sprints musste neben der Turnhalle auch der Schulhof herhalten", erinnert sie sich. "Viele Eltern halfen beim Bau eines Sportplatzes."

Der erste KJS-Klassenlehrer und Trainer Günter Ixmeier erkannte bei Doris Bauch beizeiten das Sprinttalent. Sie ließ die Schulrekorde zwischen 1956 und 1963 nur so purzeln. Ihre 1957 über 60 Meter gelaufenen 8,3 Sekunden bestanden über Jahrzehnte als Bestleistung. Die spätere Athletin vom SC Chemie Halle gewann über 100 Meter drei Mal den Titel einer deutschen Jugendmeisterin. Sie siegte bei Auslandstarts in Leningrad, Budapest, Liberec und lief im schwedischen Malmö.

Auf einer damals üblichen Aschenbahn lief Doris Bauch ihre 100-Meter-Bestzeit von starken 11,8 Sekunden. 1963 bezwang sie über 50 Meter in 6,6 Sekunden Karin Balzer, die im Jahr darauf in Tokio Olympiasiegerin im 80-Meter-Hürdenlauf wurde. Die Olympischen Spiele in Japan sollten auch der Höhepunkt in der Laufbahn von Doris Bauch werden, für die sie als Läuferin in der DDR-Staffel über 4x100 Meter vorgesehen war. Aber beim Ausscheid für das gesamtdeutsche Team lief die Staffel der Bundesrepublik die schnellere Zeit.

1966 beendete die Hallenserin ihre sportliche Karriere und war bis zur Wende als landwirtschaftlich-technische Assistentin tätig. Danach arbeitete sie als selbstständige Handelsvertreterin für Spirituosen und engagiert sich im Gemeindekirchenrat ihres Wohnortes Peißen in der Seniorenbetreuung.

"Die Jahre an der Kinder- und Jugendsportschule bis hin zum Abitur haben mich geprägt", urteilt sie über einen wichtigen Abschnitt in ihrem Leben. "Meinen Ehrgeiz, die Ausdauer, den Teamgeist und das positives Denken verdanke ich mit dem Aufenthalt an der Schule."

Auch aus anderem Grund hat sich die KJS-Zeit fest eingeprägt. Klassenkamerad von Doris Bauch war vier Jahre lang Jürgen Schliebe, der es bis zur Fußball-Stadtauswahl Halles an der Seite des späteren Idols Bernd Bransch gebracht hat. Seit 37 Jahren sind sie ein Ehepaar.