1. MZ.de
  2. >
  3. Varia
  4. >
  5. 30-jähriger Jessener rast Polizisten davon

Landgericht 30-jähriger Jessener rast Polizisten davon

Angeklagter soll auf der Flucht unter anderem ein Verkehrszeichen mitgeschleift haben. Verteidiger zweifelt an, dass sein Mandant von Beamten erkannt werden konnte.

Von Andreas Behling Aktualisiert: 14.12.2021, 17:47
Das Portal des Landgerichts Dessau-Roßlau
Das Portal des Landgerichts Dessau-Roßlau Foto: Thomas Ruttke

Jessen/Dessau/MZ - Der Mann aus Jessen schweigt zu den Vorwürfen. Sein Verteidiger Hans-Jürgen Baatz hält es für erforderlich, einen Sachverständigen hinzuzuziehen. Und ein eventuell nicht ganz unwichtiger Zeuge musste sich wegen eines positiven Corona-Testes zunächst entschuldigen. Fazit: Das Berufungsverfahren vor der 4. Strafkammer des Landgerichts Dessau-Roßlau wird am 29. Dezember fortgesetzt.

Ob dann ein Urteil gefällt werden kann, blieb zum Auftakt am Montagvormittag offen. Der Vorsitzende Richter Thomas Knief meldete Zweifel an. „Wir sehen uns hier noch regelmäßig und bilden über einen längeren Zeitraum eine harmonische Gemeinschaft“, formulierte er.

Der 30 Jahre alte Angeklagte muss sich wegen mehrerer Delikte verantworten. Laut der Anklagebehörde hatte er sich eines verbotenen Kraftfahrzeugrennens, des Fahrens ohne Fahrerlaubnis und des unerlaubten Entfernens vom Unfallort schuldig gemacht.

Mit 80 Sachen statt 30 km/h durch Wohngebiet

Das Amtsgericht Wittenberg hatte den Mann am 21. Juni 2021 zu einer siebenmonatigen Bewährungsstrafe verurteilt. Außerdem war ihm eine eineinhalb Jahre währende Sperre für die Erteilung einer neuen Fahrerlaubnis auferlegt worden. Der mutmaßliche Tathergang spielte sich wie folgt ab: Zunächst soll er sich am 28. Mai vorigen Jahres mit seinem Pkw einer Polizeikontrolle entzogen haben, indem er das Stopp-Signal ignorierte und die Flucht ergriff.

Dabei durchfuhr er auf der Arnsdorfer Reihe ein Wohngebiet, in dem ein Tempolimit von 30 km/h galt, mit sehr hoher Geschwindigkeit. „Ich schätze, es waren um die 80 km/h“ sagte ein Beamter.

Um sich selbst und andere Personen nicht zu gefährden, gaben die Polizisten, die wegen eines Aushangs an der Pinnwand des Reviers wussten, dass der Fahrer keine Fahrerlaubnis besaß, die weitere Verfolgung auf und verloren den Sichtkontakt. Im Verlauf des Geschehens soll dann der Angeklagte in Höhe des Rastplatzes „Tor zur Glücksburger Heide“ in einen sandigen Feldweg abgebogen sein.

Bei dem Manöver übersah er offenbar ein Verkehrszeichen. Er überfuhr und ramponierte dieses, indem er es unter dem Fahrzeug mitschleifte. Der so entstandene Sachschaden belief sich auf knapp 290 Euro. „Zwei Spaziergänger, die mit ihren Hunden unterwegs waren, schilderten uns, wie er mit dem weiterhin sehr schnellen Wagen über eine Kuppe sprang und dabei das Schild verlor“, so der Polizist.

Auf dem sandigen Untergrund seien auch Spuren von durchdrehenden Reifen sichtbar gewesen. Das Auto selbst - das noch fast die Hunde touchiert haben soll - konnte allerdings „nicht mehr festgestellt“ werden.

Der Beamte war davon überzeugt, den Angeklagten hinter dem Steuer des schwarzen BMW erkannt zu haben, als er von rechts kommend den Streifenwagen passierte. „Er ist bekannt aus dem Stadtbild. Ich habe sein Gesicht im Profil und die Tätowierung am Arm gesehen.“ Die Kollegin des Zeugen war sich ebenfalls sehr sicher, dass es sich beim Fahrer um den Angeklagten handelte. „Ich kenne ihn durch den Fußball“, so die Polizistin. „Und es war das Auto, für das er im Ort bekannt war.“

Verteidigung will Gutachten zur Erkennbarkeit während der Fahrt

Das vom Verteidiger geforderte Gutachten zielt nun darauf ab, den Nachweis zu erbringen, dass es den Polizisten während der zufälligen Begegnung nicht möglich war, den Fahrer des Autos individuell zu erkennen. Für die Identifizierung hätten lediglich 0,14 Sekunden zur Verfügung gestanden, hieß es im Antrag. Diese Zeit reiche nicht aus, um eine Täterschaft zweifelsfrei zu belegen.

Die Staatsanwältin trat dem Ansinnen entgegen. Es gehe nicht um die nachträgliche Überprüfung eines Fotos oder einer Videoaufzeichnung. Bei dem Wiedererkennen handele es sich um innere Tatsachen der Zeugen, argumentierte Heidrun Voss. Anhand der auf einem Kartenauszug ablesbaren Abstände und Winkel könne das Gericht „aus eigener Sachkunde“ die Schilderungen nachvollziehen, begründete sie ihre Ablehnung des Beweisantrags. Die Kammer selbst traf noch keine Entscheidung.