1899 Hoffenheim 1899 Hoffenheim: Bewusste Beschallung von Borussia-Fans?

Berlin/Sinsheim/dapd. - Grund: Seltsamer Lärm bis an die Schmerzgrenze imGästeblock bei der Bundesligapartie zwischen der TSG Hoffenheim undBorussia Dortmund am vergangenen Samstag. Dieser kam allerdingsnicht nur von den zahlreichen Dortmunder Fans, sondern auch auseiner seltsam anmutenden Apparatur, die sich unterhalb derenTribünenbereich befand. Wenn der BVB-Anhang den Hoffenheimer MäzenDietmar Hopp in Sprechchören oder Gesängen mit Schmähungen bedachte,erklang ein schriller Signalton.
Die TSG Hoffenheim hatte am Montag mitgeteilt, ein Mitarbeiterhabe «eine entsprechende Apparatur eigenmächtig zum Einsatzgebracht», als «Gegenmittel» gegen die Anti-Hopp-Gesänge. AlleKlubverantwortlichen distanzierten sich in der Pressemitteilungausdrücklich von der Aktion und entschuldigten sich bei denDortmunder Fans.
Die Heidelberger Polizei hat Ermittlungen wegen Körperverletzungeingeleitet. Bis zum frühen Dienstagnachmittag seien fünf Anzeigenund fünf weitere Hinweise per E-Mail von betroffenen Fanseingelaufen, sagte Sprecher Harald Kurzer auf dapd-Anfrage. DerHoffenheimer Angestellte habe die Apparatur am Dienstag auf dieDienststelle gebracht. Es handele sich um «zwei über einenVerstärker betriebene Druckkammer-Lautsprecher».
Am Dienstag aktualisierte der Klub auch sein Statement: DerMitarbeiter habe die Apparatur bereits bei vier Spielen der Saison2010/11 aufgebaut, «wohl aber nicht immer zum Einsatz gebracht». Eshandele sich um die Heimspiele gegen Köln (19. Februar), Mainz (26.Februar), Dortmund (12. März) und Frankfurt (16. April).
Zwtl: Frankfurter Fans beschreiben ähnlichen Vorfall
Axel Hoffmann befand sich im April im Frankfurter Block: «Als dieüblichen Gesänge kamen, gab es kurzzeitig einen merkwürdigen Ton imStadion, der für uns in dem Moment gar nicht greifbar war. Ich habees zuerst mit dem Gepfeife der Einheimischen assoziiert, aber es warklar, dass es das nicht ist», sagte er der dapd.
Die Beschreibung der Störquelle durch einen User in einemFanforum auf eintracht.de deckt sich mit dem hochauflösenden Fotoder Lautsprecher-Vorrichtung, aufgenommen am Samstag, das dieDortmunder Fanseite schwatzgelb.de der dapd zur Verfügung gestellthat. Neben der Apparatur sind drei Personen zu erkennen, zwei vonihnen sitzen auf einer Bierbank.
Zwtl: BVB-Fanprojekt: «Die Polizei wusste davon»
Aussagen von Beobachtern am Samstag lassen Zweifel an der vomKlub verbreiteten Einzeltäter-Version aufkommen. Auf der BVB-Seitehat man ein koordiniertes Vorgehen mehrerer Personen beobachtet.Thilo Danielsmeyer vom Dortmunder Fanprojekt stand am Samstagunmittelbar vor dem Gästeblock. Er sagt, dass mehrere umstehendePersonen über Sinn und Zweck des Beschallungsapparats im Bildewaren. «Die Polizei wusste davon. Der Ordnungsdienst hat es auchgewusst», sagte Danielsmeyer der Nachrichtenagentur dapd.
Ein Verantwortlicher habe ihm das System sogar erklärt. «Erdachte sich gar nichts dabei. Er sagte: Hinter dem Tor sitzt einerund macht ein Zeichen, sobald Schmährufe ertönen», sagteDanielsmeyer. Dann habe jemand den Signalton ausgelöst: «Das Gerätwurde definitiv von weiter weg bedient.»
Die Polizei bestätigte am Dienstag, die Apparatur sei von dergegenüberliegenden Stadionseite über ein rund 60 Meter langes Kabelbetrieben worden. Der Beschuldigte habe ausgesagt, die Anlage miteinem Bekannten gebaut und eigenverantwortlich betrieben zu haben.
Dass Polizisten die Lärmquelle wahrgenommen haben, hält SprecherKurzer für gut möglich. «Ich gehe schon davon aus, dass Beamte, dieim Bereich der Gästefanbetreuung tätig waren, dieses Gerät und seineFunktionsweise wahrgenommen haben», sagte Kurzer der dapd. Für dieEinsatzleitung könne er dies jedoch ausschließen. «Von uns wusstekeiner etwas», sagte Kurzer, der darauf hinwies, dass die Polizeiinnerhalb des Stadions «gar keine Funktion» habe, außer beiSchlägereien und sonstigen Notfällen.
Danielsmeyer geht davon aus, dass «auch Entscheidungsträger» vondem Lärmmacher wussten: «Der Bereich vor dem Gästeblock ist dersensibelste Bereich, den es im Stadion gibt. Normalerweise wird daselbst das kleinste Fitzelchen, das auf dem Boden liegt, weggemacht.Bei uns in Dortmund wüsste das zumindest ein Vorstandsmitglied.»
Zwtl: «Soundcheck» in der Arena vor dem Einlass
Dass es beleidigende Schmähungen gegen den in einigen Fankreisenmassiv abgelehnten Klub-Mäzen Hopp gegeben hat, ist unstrittig. «Eswaren Beleidigungen unter der Gürtellinie, darüber müssen wir nichtstreiten», sagte Nicolai Mäurer von schwatzgelb.de der dapd.
Mäurer bestätigt Augenzeugenberichte, wonach es bereits vor demoffiziellen Einlass Stunden vor der Partie am Samstag einen guthörbaren «Soundcheck» mit dem durchdringenden Signalton in der Arenagegeben haben soll. «Es haben Leute gesagt, dass sie das Geräuschschon vor dem Einlass hören konnten», sagte Mäurer.
Es könnte noch eine Weile dauern, bis wieder Ruhe einkehrt imschönen Kraichgau nach den Störgeräuschen, die am Samstag aufhorchenließen. Derzeit breitet sich die Schallwelle noch aus.