Er will Tom Schwarz "das Kinn brechen" Tyson Fury will Tom Schwarz "das Kinn brechen"

Las Vegas - Er witzelte. Ja, er schmetterte zwischendurch sogar ein paar schräge Töne ins Mikrofon. Die gefürchteten Beleidigungen oder Geschmacklosigkeiten blieben diesmal aber aus. Bei der Pressekonferenz im David-Copperfield-Theater des MGM-Grand-Hotelkomplexes von Las Vegas zeigte sich ein völlig tiefenentspannter Tyson Fury von seiner unterhaltsamen Seite.
Vor dem Schlagabtausch des britischen Schwergewichtsboxers am Samstag in der benachbarten Grand-Garden-Arena mit dem Hallenser Tom Schwarz muss die Hitliste seiner peinlichsten Auftritte also nicht überarbeitet werden.
Dieses Ranking im Netz ist vor Monaten vom TV-Sender Sport 1 erstellt worden. Und das zeigt: Tyson Fury kann auch ganz anders. Fast schon legendär ist die Breitseite, die er vor drei Jahren Wladimir Klitschko verpasst hatte. Sein gewaltiger Körper wirkte damals schwabbelig, die Worte aber trafen wie eine harte Schlagsalve.
Showman Tyson Fury: Ein Meister der skurrilen Auftritte
„Sieh her, dieser fette Mann hat dich geschlagen“, ätzte Fury vor dem geplanten Rematch 2016 auf einer Pressekonferenz in Manchester gegen den Weltstar, während er seine beiden Pranken genüsslich auf die gerade vom T-Shirt befreite Wampe klatschte. „Schäme dich!“ Die Verbal-Attacke wird an zweiter Stelle geführt, gleich hinter einem skurrilen Medien-Termin im Batman-Kostüm.
Auch seinen nächsten Gegner wird Fury noch versuchen, vorab aus der mentalen Balance zu bringen, daran zweifelt kaum jemand. Bisher ging seine Taktik schließlich immer auf. Beim öffentlichen Training versprach er Schwarz schon mal: „Ich werde dir das Kinn brechen!“ Der wiederum versucht, mit Selbstbewusstsein zu kontern. Auf der PK verkündete der SES-Boxer: „Ich will in die Fußstapfen von Max Schmeling und Axel Schulz treten.“
Tyson Fury - Tom Schwarz: Live-Übertragung auch in Deutschland
Furys Entscheidung für den bislang nur Insidern und einheimischen Fans bekannten Deutschen erstaunt - allerdings nur auf den ersten Blick. Schließlich hat Schwarz eine blütenreine Weste. Durch seine Siege in den bisher 24 Kämpfen findet sich der 25-Jährige in den Ranglisten der verschiedenen Weltverbände weit vorn wieder. Auf dem Weg dahin hat Schwarz noch keinen großen Gegner aus dem Weg räumen müssen. Das macht ihn zum krassen Außenseiter.
Warum Tyson Fury ausgerechnet gegen Tom Schwarz boxt
Fury wiederum hatte im letzten seiner bislang 28 Kämpfe am 1. Dezember 2018 dem aktuellen WBC-Weltmeister Deontay Wilder ein Remis abgetrotzt. Danach war auch schon von einer Neuauflage des Duells die Rede. Nun hat sich Schwarz vorgedrängelt. Und das hängt auch mit Furys neuem TV-Partner zusammen.
Im Februar hatte der 30-Jährige mit dem US-amerikanischen Bezahlsender ESPN einen Vertrag über fünf Kämpfe abgeschlossen. Laut britischer Medien soll er dafür 80 Millionen Pfund einstreichen - das sind mehr als 90 Millionen Euro. Eine Niederlage - gegen wen auch immer - würde jetzt also einem sportlichen und finanziellen K.o. gleichkommen.
Doch nicht allein die Sorge vor einer Pleite im Ring verhindert aktuell den Kampf Wilder - Fury 2.0. Der Champion aus den USA nämlich steht bei Showtime und Fox unter Vertrag. Und die sind natürlich überhaupt nicht daran interessiert, dass ihr Star den Nimbus der Unbesiegbarkeit verliert, so wie man bei ESPN Fury nicht am Boden sehen will.
Tyson Fury: Gerüchte um Doping, Kokain und Depressionen
Dort hatte sich der 2,06 Meter große Koloss übrigens schon des öfteren wiedergefunden. Nach seinem Überraschungssieg über Klitschko schlug sich der Titelträger von vier Verbänden mit Motivationsproblemen herum. Wenn man alles erreicht hat, was soll einem da noch anspornen, hatte er seinerzeit geklagt. Ein Titel wurde ihm aberkannt, weil er eine Pflichtverteidigung ablehnte, die drei anderen gab er zurück und erklärte, sich aus dem Boxgeschäft zurückziehen zu wollen.
Offenbar umging er damit auch eine Sperre. Denn Dopinggerüchte machten die Runde, von Kokain war die Rede und Depressionen. Bis auf über 170 Kilo soll sich der Anti-Athlet zwischenzeitlich hochgefressen haben. Dazu kamen Alkohol-Exzesse. Noch immer soll sich der dreifache Vater in Behandlung befinden. Der Kampf mit sich selbst wird ihn wohl ein Leben lang begleiten.
Sexistische und homophobe Äußerungen ließen eine weitere große Schwäche des Hünen erkennen: Fury plappert oftmals einfach drauflos, posaunt heraus, was ihm in den Sinn kommt. Durch seine geschmacklosen Provokationen machte er sich in Sport und Politik viele Feinde.
Furys Provokationen gegen Frauen und Homosexuelle
Doch den selbst ernannten „Gypsy-King“, der seinen Vornamen dem vom Vater verehrten Mike Tyson verdankt, zeichnet auch eine Stärke aus. Als er ganz unten war, hat er sich wieder aufrappeln können. Den Kampf gegen seine Pfunde hat er zumindest schon mal gewonnen.
Nun will er auch den gegen Schwarz gewinnen. Der sieht in ihm den aktuell weltbesten Schwergewichtler. „Er ist unberechenbar, das macht ihn so gefährlich“, sagte Schwarz über den im Ring so unorthodox agierenden Ex-Champion Fury.
Der könnte eine erneute Titelchance möglicherweise schneller bekommen als gedacht. Denn in Las Vegas hält sich hartnäckig das Gerücht, dass der Weltverband WBO das Duell zwischen Fury und Schwarz kurz vor Ultimo zum WM-Kampf erklärt. Dazu müsste er jedoch Andy Ruiz jr. den Titel aberkennen. Der Mexikaner hatte sich den Gürtel gerade erst von Anthony Joshua (USA) geholt. Beide sollen bereits einen Rückkampf ausgehandelt haben, während der Verband eine Pflichtverteidigung favorisiert.
Egal ob nun Titel-Fight oder nicht, Fury will Samstagnacht aus allen Rohren schießen. Schließlich weiß der boxende Entertainer, was von ihm erwartet wird. Und diese Rolle wird er ausfüllen. (mz)