SV Halle Lions - Osnabrück SV Halle Lions - Osnabrück: Machtlos gegen Egoismus

Halle (Saale) - Die enttäuschten Zuschauer hatten längst die Erdgas Sportarena verlassen. René Spandauw saß noch auf seinem rot-weißen Plastik-Stuhl am Spielfeldrand. Da kam Kristen McCarthy als abgesandte seines Basketball-Teams aus der Kabine. Dorthin hatten sich die Lions-Spielerinnen zur internen Manöverkritik zurückgezogen und waren offensichtlich zu einer kleinlauten Erkenntnis gekommen, wie die peinliche 81:91-Pleite (41:46) gegen das Bundesliga-Schlusslicht aus Osnabrück zustande gekommen sei. McCarthy bat also den Coach, sich die Erklärung anzuhören. Doch der lehnte mit bestimmten Worten ab: „Nein, ich komme nicht.“
Diese Abfuhr zeigte die tiefe Enttäuschung, die in René Spandauw tobte. 40 Minuten lang hatte die Mannschaft ihm nicht zugehört, jetzt wollte er nichts von der Mannschaft hören. Punkt. Soll die sich doch bitte beim nach einem Heimspiel obligatorischen Sponsoren-Treffen im Vip-Raum von den Geldgebern Kritik zu einer unterirdischen Leistung anhören. „Sie können sich schämen.“ Er hatte keine Lust, sich mit seiner breiten Brust zum Schutz vor die Spielerinnen zu stellen. McCarthy trabte also mit hängendem Kopf wieder ab, um die Botschaft des bockigen Holländers zu überbringen.
Klare Führung zu Beginn
Der redete derweil aus seinem Stuhl heraus Klartext. „Ich habe es mit bösen Worten probiert, später mit lieben. Nichts fruchtete, niemand hörte zu, jede machte, was sie wollte. Wir haben heute vielleicht 15 Prozent von dem gespielt, was ich ich im Spiel angesagt hatte, was wir zuvor trainiert hatten“, sagte Spandauw völlig konsterniert darüber, wie wenig Einfluss er auf dieses Spiel nehmen konnte, wie sehr ihm die jungen Damen auf der Nase herumgetanzt waren. „Ich habe mich gefühlt wie ein Prediger, dem niemand zuhört. Irgendwann war ich machtlos.“
Ziemlich zeitig war das. Nachdem die Lions locker 8:0 geführt hatten und alles auf das erwartete Kinderspiel hingedeutet hatte, erzielte ausgerechnet die ehemalige Lions-Centerin Sophia Ederaine zunächst den Ausgleich zum 15:15 (5:40) und kurz darauf die Gästeführung (15:17). Von da an gelang den Hallenserinnen niemals mehr der Ausgleich. Und immer, wenn das Team in Schlagdistanz kam (53:56/ 25. Minute), setzte sich das Tohuwabohu in der Abwehr fort.
Trainer ruft zum Sondertraining
Also kündigte René Spandauw für den heutigen Montag eine Trainingseinheit in der extra scharfen Version an. „Schließlich kann ja niemand von diesem Spiel müde sein. Gekämpft wurde ja nicht.“ Damit meinte er zunächst die Defensivarbeit: „Gegen ein Team, das bisher im Schnitt pro Spiel nur 59 Punkte geschafft hat, lassen wir 91 zu. Unglaublich.“
Zugleich zeigte sich an diesem Samstagabend das Problem, das pure Statistiken völlig kaschieren: Der „Egoismus“ der Stars, gepaart mit einer gehörigen Prise „Überheblichkeit“, so nannte es René Spandauw, als die Sprache auf Sasha Tarasava und Kristen McCarthy kam. 60 Punkte fabrizierte das Duo - 35 davon Tarasava, 21 durch Dreier. Sieht auf der Abzeigetafel prima aus und für die präzisen Würfe gab es auch jede Menge Beifall. Problem nur: Das Duo machte fast alles auf eigene Faust. Die Lions-Statisten aus dem Rest-Team wussten zum einen nicht mehr, welche Randfiguren-Rolle ihnen die beiden Überflieger überhaupt noch zubilligten. Zum anderen bekamen sie das Alibi, sich bei der Zwei-Frauen-Show verstecken zu dürfen.
„Die beiden haben das Spiel unnötig forciert, viel zu zeitig abgeschlossen, offenbar gedacht, sie müssen das Spiel allein entscheiden. Oft gingen sie direkt zum Korb - ohne einen Pass auf eine Mitspielerin“, sagte Spandauw sauer. „Natürlich sollen sie Verantwortung übernehmen, aber nicht so“, meinte der Trainer, dem auch nicht entgangen war, dass Chantelle Pressley mit zwölf Prozent und Kaneisha Horn mit 14 Prozent Treffern unterirdisch warfen.
Später standen Mareike Müller und Inken Henningsen vor dem Fahrstuhl, der sie in die zweite Etage in den Vip-Raum bringen würde. Frage an sie: Woran hat denn die Niederlage gelegen? „Wir waren kein Team“, sagten sie. Genau. (mz)