Formel 1 Hamilton im Herz der Tifosi: „Emotionale Achterbahnfahrt“
Am Sonntag vor 50 Jahren triumphierte Niki Lauda und gewann in Monza seinen ersten WM-Titel - im Ferrari. Die Erinnerung lebt auf - wie sehr hilft das Lewis Hamilton?

Monza - Für einen Moment musste Lewis Hamilton nach den passenden Worten suchen. Der 40 Jahre alte Rekordweltmeister der Formel 1 hat schon viel erlebt: 105 Grand Prix gewonnen, 104 Mal die Pole Position geholt, siebenmal die WM gewonnen. Aber das, was Hamilton mitten in Mailand vor dem Heimrennen von Ferrari erlebte, hatte auch für den Briten mehr als Seltenheitswert.
Ein Versprechen an die Ferrari-Fans
„Es war so ein einzigartiges Erlebnis. Mittendrin zu sein, diese Leidenschaft zu spüren, es war intensiv“, sagte er und versprach den Tifosi: „Ich werde alles geben, so eine Unterstützung habe ich noch nie gesehen.“
Das Fest mit Zehntausenden Fans vor dem Großen Preis von Italien kam zur rechten Zeit. Drei Tage nach dem bitteren Aus durch einen Fahrfehler des Ausnahmepiloten in Zandvoort wich die Ratlosigkeit der Vorfreude auf das Wochenende auf dem Autodromo Nazionale von Monza, das für Ferrari und für Hamilton noch eine weitere Besonderheit parat hat.
Am Sonntag vor 50 Jahren sicherte sich Niki Lauda im Ferrari in Monza den ersten seiner drei WM-Titel. Zu Ehren werden die Autos von Hamilton und dessen Teamkollegen Charles Leclerc in Rot und Weiß lackiert. So wie der legendäre 312T des im Mai 2019 gestorbenen Österreichers, mit dem Hamilton auch eine Freundschaft verband, aus der Saison 1975.
Lauda: „Aus Niederlagen habe ich mehr gelernt“
Auch mit Laudas Unterstützung war der Brite einst bei Mercedes gelandet und dort zum insgesamt Rekordchampion geworden. Und nun, in einer Zeit, in der der Glanz schwere Kratzer abbekommt, wirkt ein Lauda-Credo wie eine wohl gemeinte Mahnung: „Gewinnen ist die eine Sache, aber aus Niederlagen habe ich mehr gelernt.“
Vielleicht überstand Lauda damals nicht nur deswegen seine Zeit bei Ferrari, sondern holte zwei seiner drei Titel im roten Rennwagen. Vielleicht hielt er deswegen den riesigen Erwartungen und der manchmal auch zerstörerisch wirkenden Kraft des Herstellers aus dem kleinen Örtchen Maranello Stand.
Was Vettel, Alonso und Hamilton gemeinsam haben
Rückblick zum Jahresbeginn: Hamilton drehte erstmals Runden in einem Formel-1-Ferrari - und war hin und weg. „Es war eines der besten Gefühle meines Lebens“, schwärmte er: „Es gibt Tage, von denen du weißt, dass du sie ewig in Erinnerung behalten wirst.“
Bei Sebastian Vettel klang das Anfang 2015 so: „Ich werde nie vergessen, was heute passiert ist.“ Vettel, gekommen als viermaliger Weltmeister von Red Bull, scheiterte beim Versuch, die titellose Zeit der Scuderia zu beenden. Vor dem gebürtigen Heppenheimer war das Gleiche dem zweimaligen Champion Fernando Alonso widerfahren.
2007 gewann zuletzt ein Pilot in einem Ferrari den Titel. Es war Kimi Räikkönen, der finnische „Iceman“, der vom komplett eskalierten Stallzoff zwischen dem damaligen Rookie Hamilton und dem damals schon hochdekorierten Alonso bei McLaren profitierte.
Fan-Event in Mailand für die Hamilton-Seele
Einen Niedergang bei Ferrari wie Hamilton erlebten aber auch Vettel und Alonso nicht. Als „nutzlos“ bezeichnete sich der Brite bereits, hilflos und ratlos wirkt er immer wieder. Sein Sieg beim Sprintrennen in China - eine Ausnahme.
Nicht ein Podestplatz in einem der bisher 15 Grand Prix - nur ein Ferrari-Neuzugang schnitt bisher schlechter ab: Didier Pironi blieb in seinen ersten 18 Rennen in den frühen 1980ern ohne Podestrang. „Es war eine emotionale Achterbahnfahrt“, bilanzierte Hamilton: Das Jahr sei für alle hart, es bereite sie aber auf bessere Zeiten vor.
Dass Hamilton ausgerechnet in Monza nun dort stehen wird, wo die ersten Drei mit Gänsehaut-Garantie auf die Menschenmassen vorzugsweise in Rot oder mit roten Fahnen schauen - irgendwie schwer vorstellbar. Wegen eines Vergehens in Zandvoort muss er per se fünf Startplätze zurück. „Obwohl wir nicht da sind, wo wir sein wollen, bin ich zuversichtlich, dass es in die richtige Richtung geht“, gab er zu Protokoll. Immerhin: Vor einem Jahr triumphierte Leclerc auch durchaus überraschend in Monza.
Die Favoriten in Monza sind andere
Der mittlerweile auch schon 27-jährige Monegasse, bereits zu Vettels Zeiten als der große WM-Hoffnungsträger der Italiener vorgestellt, liegt im Klassement als Fünfter auch nur einen Platz vor Hamilton. Spitzenreiter Oscar Piastri von McLaren holte schon mehr als doppelt so viele Punkte und dürfte auf dem Hochgeschwindigkeitskurs in seinem McLaren an diesem Sonntag (15.00 Uhr/Sky) zudem als Topfavorit antreten. Stallrivale Lando Norris wird indes vor der Abreise aus Europa seinen Rückstand auf Piastri (34 Punkte) nach seinem Defekt im Zandvoort-Rennen nicht noch weiter anwachsen lassen wollen.
Von den Tifosi schon vor den ersten Runden in Monza gefeiert worden zu sein, tat Hamilton merklich gut. Beim Gedanken, an diesem Freitag mit dem Wagen dann auf die Strecke zu fahren, kamen auch noch Erinnerungen an Michael Schumacher einst bei der Scuderia bei ihm auf. Auch das gehört eben zum Programm des eines emotionalen Ferrari-Heimauftritts.