Leichtathletik Cologne Athletics: Erfolgreich, aber nicht unumstritten
Ein neuer Verein und seine Ableger sorgen für Aufsehen und Diskussionen - erst recht durch deutsche Meistertitel wie jetzt in Dresden.

Dresden - Immer wieder hallte die Ansage bei den deutschen Leichtathletik-Meisterschaften durch das Dresdner Heinz-Steyer-Stadion. „Im Trikot von Cologne Athletics“ waren sogar deutsche Meister wie Hochsprung-Ass Tobias Potye und der neue 5.000-Meter-Rekordler Mohamed Abdilaahi unterwegs.
Vereinschef Claus Dethloff durfte sich auf der Tribüne über Titel und Medaillen freuen, zu einem Gespräch des früheren Hammerwerfers aus Köln mit der Spitze des Deutschen Leichtathletik-Verbandes kam es indes nicht - es solle aber zeitnah vereinbart werden, erklärte der DLV-Vorstandsvorsitzende Idriss Gonschinska.
Ein Austausch würde nicht schaden. „Der DLV ist keine attraktive Marke für die Wirtschaft“, sagte Dethloff der Deutschen Presse-Agentur. „Ich will was in die Gänge bringen.“ Seine Marke sei einfach gestrickt: Städtename plus Standort, pro Metropole jeweils ein Großverein. Er versuche nicht, die Welt neu zu erfinden, sondern sehe sich als Ergänzung und Bereicherung für die deutsche Leichtathletik. Doch dafür gebe es von regionaler Verbandsseite kein Interesse, sondern nur Gegenwind.
Wo gibt es Schnittstellen?
„Wir freuen uns sehr über jedes Engagement für die Leichtathletik und alle Ideen, die den Sport voranbringen und langfristig helfen. Ich bin sehr gespannt, im Detail zu erfahren, was er konkret in Zukunft plant, welche Visionen er hat“, entgegnete Gonschinska im dpa-Gespräch. „Jeder, der sich für unseren Sport einbringt, ist willkommen. Und dann müssen wir herausfinden: Wo gibt es Schnittstellen und wo nicht?“ Niemand spreche darüber, dass es in seinem noch jungen Club, der auch regionale Ableger hat, einen Unterbau im Nachwuchs gebe, monierte Dethloff.
Vorwurf: Fertige Athleten werden abgeworben
Wechsel von Sportlern nach Köln verliefen nicht immer geräuschlos. „Konkurrenz kann produktiv sein - wenn sie fair ist. In diesem Fall erleben wir jedoch ein Modell, das versucht, sich einen Vorsprung durch den Zugriff auf bereits fertig entwickelte Athleten und Athletinnen zu verschaffen“, sagte Julia Riedl, Geschäftsführerin der LG Stadtwerke München, bei „sportschau.de“.
Hochspringer Potye startete lange für diesen Club. „Ich kann verstehen, warum da manche Leute traurig oder enttäuscht sind. Für mich war das die richtige Entscheidung“, sagte der EM-Zweite von 2022 in Dresden. „Mit Munich Athletics hat sich die Perspektive für mich aufgetan, die ich gehen wollte, und das werde ich jetzt auch im Herbst tun.“
„Nicht immer dieses ganze Drumherum“
Langstreckler Abdilaahi verließ die LG Olympia Dortmund, weil ihn das Gespräch mit Dethloff überzeugte. Verdient habe er auch in Dortmund sehr gut, doch das Umfeld sei durch viele Veränderungen nicht mehr stabil gewesen.
Der zweimalige Olympia-Teilnehmer Dethloff wisse aus eigener Erfahrung, was wichtig für die Sportlerinnen und Sportler sei. „Er hat uns von vornherein gesagt: Ey Junge, Du hast es drauf, macht Euer Ding. Du musst einfach zur Ruhe kommen, nicht immer dieses ganze Drumherum, dieses ganze Schnickschnacks da, dann läuft’s auch.“
20 bis 30 Prozent Potenzial an zusätzlicher Leistung sieht Dethloff schlummern, wenn es gelinge, Athleten ein ruhiges Umfeld zu ermöglichen, in dem sie sich nur auf den Sport konzentrieren könnten.
Dreispringerin Jessie Maduka fühlte sich beim Traditionsclub Wattenscheid gut aufgehoben. Doch nun gebe es ein cooles Trainingsumfeld mit einer stark aufgestellten Gruppe. Der Wechsel zahle sich aus, auch wenn es nicht viel mehr Geld als in Wattenscheid vorher gebe. Es sei kein Riesensprung, aber eine Erleichterung. „Ich studiere schon länger nicht mehr, ich arbeite. Es macht einen Unterschied aus, wie viel Druck man hat, außerhalb vom Sport noch Leistung zu bringen“, sagte Maduka. Die 29-Jährige ist studierte Psychologin und als Referentin im betrieblichen Gesundheitsmanagement tätig.
Dethloff verweist auf Basisarbeit
Erfolge bescheren Vereinen - und damit auch Cologne Athletics - neben Prestige die Chance auf Sponsoren. Er bekomme nur Geld aus Deutschland und nicht aus Dubai, sagte Dethloff. Er betont, dass es ihm noch um ganz andere Dinge gehe - nämlich den Unterbau des Spitzensports und die Attraktivität der Sportart. Die deutsche Leichtathletik ist von einstigen Glanzzeiten weit entfernt und kann guten Nachwuchs gebrauchen.
„Wir machen attraktive Schulsport-Veranstaltungen“, erklärte der 56-Jährige. Die Verbindung zwischen Schulsport und Kinder-Leichtathletik müsse viel früher beginnen. Man wolle Sport-Lehrkräfte für die Leichtathletik gewinnen. Sein Verein investiere mehr Geld für Trainerstäbe bei Jugendlichen und Ausbildung, der Übergang in die duale Karriere aus Spitzensport und Beruf nach dem Schulabschluss müsse gelingen.
DLV sieht Veränderungen und mehr Frische
Auch der Unterhaltungswert der Leichtathletik könne noch gesteigert werden, zum Beispiel durch Städte-Wettkämpfe. Die deutschen Meisterschaften in Dresden bewiesen aber auch, dass ein traditionelles Format in frischerem Gewand noch immer funktioniert. Die Organisatoren hätten eigenen Angaben zufolge deutlich mehr als die gut 10.000 Karten für die beiden Hauptwettkampftage absetzen können.
Gonschinska sagte, die Begeisterung der insgesamt viertägigen Titelkämpfe stimme sehr positiv. „Das hat sehr viel Spaß gemacht - sowohl im ausverkauften Stadion als auch vor den Bildschirmen bei ARD und ZDF.“ Dennoch werde man weiter an kleinen und großen Stellschrauben drehen, um die Leichtathletik voranzubringen.