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Spektakuläre Stürze bei Olympia Spektakuläre Stürze bei Olympia: Beim Skicross ist nichts planbar

Von Benedikt Paetzholdt 21.02.2018, 08:59
Ein Ski-Freestyler verliert die Kontrolle und stürzt.
Ein Ski-Freestyler verliert die Kontrolle und stürzt. The Canadian Press/AP

Pyeongchang - Der deutsche Skircrosser Tim Hronek stand gerade im Zielraum, als ein Raunen den Phoenix Snow Park in Bokwang erfüllte. Auf der Videoleinwand konnte man beobachten, wie der ehemalige Weltmeister Chris del Bosco (Kanada) in der Luft ins Trudeln kam, und aus großer Höhe auf die Piste klatschte und dort noch ein Stück weiterschlitterte.

Er blieb zunächst mal regungslos liegen, musste mit dem Rettungsschlitten abtransportiert werden. Hronek sagte daraufhin: „Wahrscheinlich hat es beim Springen hinten reingedrückt auf die Fersen, dann kannst du nicht mehr reagieren.“

Etliche Stürze bereits bei den Snowboardern

In diesem Moment schien sich also zu bewahrheiten, dass bei einem Skicross-Rennen nicht unbedingt die drei anderen Fahrer die größten Konkurrenten sind, auch wenn sie einem schon mal in die Parade fahren. Sondern die olympische Strecke, die so idyllische in den Bergen liegt. Beim Wettbewerb der Snowboarder am Donnerstag waren bereits etliche Fahrer gestürzt, der Österreicher Markus Schairer hatte sich einen Halswirbel gebrochen.

„Ich habe ein Problem damit, mit jedem Sprung mein Genick zu riskieren“, hatte der Deutsche Snowboarder Constantin Schad daraufhin gesagt. Für die Skifahrer wurde die Strecke dann etwas entschärft, die Zielsprünge verkürzt. „Wenn Rückenwind ist, wird es vor allem für die Jungs eher Skispringen“, hatte Skicross-Sportdirektor Heli Herdt sarkastisch angemerkt.

Bei seinen Fahrern stand gestern aber nicht der Ärger über die Strecke im Vordergrund, sondern die eigene Leistung. Hronek, Tobias Wilmsmann und Pauk Eckert, der kurz vor den Olympischen Spiele noch einen Weltcup gewonnen hatten, scheiterten schon im Achtelfinale. Wilsmann lag zwischenzeitlich gut im Rennen, nahm in einer entscheidenden Kurve aber einen zu weiten Weg und hatte dann den Anschluss verloren.

Planung unmöglich

„Beim Skicross kannst du kein Rennen planen. Bei Olympia, wo es um so viel geht, noch weniger als sonst“, sagte Eckert. Dass nun wie schon 2014 in Sotschi keine spektakulären Fahrten der deutschen Athleten, sondern spektakuläre Stürze hierzulande im Gedächtnis hängenbleiben, macht er sich selbst zum Vorwurf. „Wir waren halt nicht vorne dabei.“

Allen drei Deutschen wollten die üppige Zeit zwischen dem eigene Ausscheiden und der Siegerehrung für den kanadischen Olympiasieger Brady Leman dafür nutzen, mit gewissen Missverständnissen aufzuräumen. Nicht über die Leistung, daran gab es nichts zu beschönigen, in den Freestyle-Disziplinen hängt Deutschland anderen Nationen weit hinterher. Einzig Heidi Zacher gehört zur Weltspitze, galt sogar als Goldanwärterin. Ihr Einsatz beim Frauen-Skicross am Freitag verhindert aber ein Kreuzbandriss, den sie sich kurz vor den Spielen zuzog.

Die weit verbreitete Meinung, dass man geradezu lebensmüde sein muss, wenn man sich gegen drei Konkurrenten auf dieser Strecke ins Tal stürzt, und dieser Eindruck war zuletzt entstanden, stört sie. „Man muss im Hinterkopf haben, dass was passieren kann, aber darf definitiv nicht mit dem Gedanken an den Start gehen“, sagt Eckert, „aber wenn was passiert, sieht es natürlich krass aus.“

Del Boscos Sturz werteten alle drei vor allem als Fahrfehler, genauso wie den Unfall des Franzosen Terence Tchiknavorian (Schienbeinbruch) und des Österreichers Christoph Wahrstötter (Gehirnerschütterung). „Ein Fahrfehler kann dir auf jeder Strecke passieren, das ist beim Alpinski nicht anders“, sagte Wilmsmann.

Skicross-Kodex gehört dazu

Gefahren zu verdrängen, das gehört zum Skicross-Kodex. Teamkollegin Celia Funkler hatte sich wegen eines vermeintlich lapidaren Fahrfehlers nicht mal nur eben eine Prellung, sondern sofort eine Brustwirbelkörperfraktur zugezogen. „Du darfst nicht eine Sekunde unkonzentriert sein“, sagt Hronek. Aber selbst diesen durchtrainierten Adrenalin-Junkies fällt das offensichtlich schwer bei der Mixtur aus Geschwindigkeit, Technik und Positionskampf.

Dass man für Olympische Spiele die Grenzen ausreizt, um spektakuläre Bilder zu produzieren, ist jedenfalls unbestritten. Auf einer normalen Weltcupstrecke werden um die 100.000 Kubikmeter Schnee verbaut, in Bokwang sollen es um die 240.000 sein. Bei den Ski- und Snowboard-Freestylern wird das olympische Motto von „Höher, schneller, weiter“ offenbar besonders ernstgenommen. „Bestimmt wird für Olympia versucht, nochmal eine Schippe draufzusetzen“, bestätigt Hronek. „Im Großen und Ganzen ist die Strecke aber sicher fahrbar.“ Berufsrisiko eben.