Ski-Rennlauf Ski-Rennlauf: Nach 794 Tagen Leiden: Susanne Riesch gibt Comeback

Levi/München/SID - Susanne Riesch kann sich noch ganz genau an den Moment erinnern, als Gernot Schweizer das erste Mal ihr linkes Knie berührte. „Wie er es in die Hand genommen hat“, sagt sie, „da habe ich gleich gemerkt, dass der was drauf hat.“ Das war im April, Schweizer erwischte Riesch in einem schwachen Moment. Die jüngere Schwester von Doppel-Olympiasiegerin Maria Höfl-Riesch urlaubte auf Zypern und dachte über ihre Zukunft als Ski-Rennläuferin nach. „Ich habe überlegt, ob das alles noch Sinn macht“, sagt die 25-Jährige. Schweizer gab ihr den Sinn zurück.
Dank ihres eisernen Willens, aber auch dank des Physiotherapeuten aus Esslingen gibt Riesch am Samstag beim Weltcup in Levi/Finnland ihr Comeback - 794 Tage nach jenem verhängnisvollen Trainingsunfall, der fast ihre Karriere beendet hätte. Am 14. September 2011 stürzt sie im Trainingslager in Chile schwer, ihr linkes Knie wird dabei regelrecht zertrümmert: Kreuzbandriss, Bruch des Schienbeinkopfes, Meniskusriss. Das Ende? Ja, denkt Riesch danach immer wieder. „Die Suse hat eine verdammt harte Zeit hinter sich“, sagt ihre Schwester Maria.
Doch im Frühjahr 2013 wird aus dem „Ja“ ein „mal sehen“ und über die Monate letztlich ein entschiedenes „Nein!“. „Ich freue mich auf meine Rückkehr“, sagt Riesch jetzt mit dem Blick auf ihr erstes Weltcup-Rennen seit dem 18. März 2011. Sogar von Olympia träume sie bereits. Sotschi im Februar wären Rieschs zweite Winterspiele. Was bei den ersten vor vier Jahren passiert, ist typisch für die unglückliche Karriere einer der talentiertesten deutschen Skifahrerinnen der letzten Jahre. Beim Slalom, dem letzten Rennen in Whistler, ist Riesch Vierte nach dem ersten Durchgang.
Nicht die stärksten Nerven
Im Finale fährt sie stark, Bronze scheint ihr sicher, doch zwölf Tore vor dem Ziel fädelt sie ein. Aus! Susanne sitzt weinend im Ziel, als Maria wenige Minuten später ihre zweite Goldmedaille feiert. Riesch kam zwei Mal in ihrer Weltcup-Laufbahn aufs Podium, doch allzu oft spielten ihr die Nerven einen Streich. Beim WM-Slalom 2007 scheidet sie ebenso im ersten Lauf aus wie 2009, als Maria erstmals Weltmeisterin wird. 2011, bei der Heim-WM in Garmisch, ist im zweiten Durchgang vorzeitig Schluss.
Als Maria im Frühjahr bei der WM in Schladming erneut Weltmeisterin wird, trainiert Suse zwar nur wenige Kilometer entfernt in Haus erstmals wieder im Stangenwald, doch danach schmerzt ihr Knie. „Ich war am Boden“, sagt sie. Riesch zweifelt, fliegt nach Zypern - und trifft dort Schweizer, der zufällig im selben Hotel wohnt. Nach einigen Gesprächen mit dem Therapeuten von Slalom-Weltmeister Marcel Hirscher entscheidet sie, sich in dessen Wohnort Abtenau eine Ferienwohnung zu nehmen. Sie bleibt vier Monate, übt täglich sechs Stunden. „Training, Essen, Schlafen - mehr gab's da nicht für mich. Viele hätten das nicht geschafft, der Gernot ist zäh.“
Riesch hält durch, ihr Knie auch. „Jetzt“, sagt sie lächelnd, „kann ich wieder fahren, ohne dass ich mein Knie zerstöre oder mit 35 ein künstliches Gelenk brauche.“ Maria (28) versuchte, ihre Schwester in all den Monaten so gut es ging zu stützen. Nach zwei Kreuzbandrissen weiß sie, wie hart „die Suse“ arbeiten musste - und noch muss. „Nach so einer Verletzung ist es wahnsinnig schwer im Leistungssport“, sagt sie. Susannes größte Stärke war es einst, bei eisigen Verhältnissen aufzutrumpfen, wenn andere zurückzogen. Jetzt schmerzt ihr bei solchen Verhältnissen das Knie. Maria wirkt nachdenklich, wenn sie über die „Kleine“ spricht. Suses Knie, weiß sie, „wird sicher nie mehr richtig gut werden“.