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Rudern Rudern: Langes lange Leidenschaft

Von Petra Szag 21.10.2015, 09:14
Thomas Lange heute
Thomas Lange heute Schulz Lizenz

Halle - Ein Lächeln huscht über das Gesicht von Thomas Lange, als er sein Konterfei auf der „Ahnentafel“ sieht. Mehr als 20 Jahre ist die Aufnahme alt. Natürlich kennt er sie - wie überhaupt die gesamte Foto-Wand, auf der im altehrwürdigen Ruderhaus am halleschen Saaleufer alle Erfolgreichen dieser Sportart seit Vereinsgründung verewigt werden. Lange kommt schließlich regelmäßig aus Ratzeburg in seine sportliche Heimat. Und er kommt gern. Auch das kann man aus seiner Mimik ableiten.

Im Gästezimmer des Ruderhauses

Zwar hat er mittlerweile keine Verwandten mehr in der Region. Dafür aber gute Freunde. Seinen Ex-Trainer Lothar Trawiel zum Beispiel, mit dem er sich hin und wieder zu einem Schwatz zusammensetzt. Oder den aktuellen Vereinscoach Frank Köhler. Diesmal feiert Lange zusammen mit vielen ehemaligen Mitstreitern den Tag, an dem sich zum 100. Mal die Grundsteinlegung des halleschen Ruderhauses jährt. „Ich übernachte auch gleich hier mit meiner Frau“, sagt der 51-jährige und zeigt mit dem Daumen nach oben in Richtung Gästezimmer. Das ist praktisch, zweifellos. Und auch ein bisschen nostalgisch? Schließlich könnte sich der Arzt ein nobles Hotelzimmer leisten. Doch Lange braucht offenbar zum Wohlfühlen nicht diesen Sterne-Komfort. Beim Wort Nostalgie lacht er wieder und nickt. Jede Menge Erinnerungen hat er an diesen Ort, die meisten davon sind angenehm. In Halle hatte sich der gebürtige Eisleber zu einem Weltklasseathleten entwickelt. Mit seinem Olympiagold im Einer 1988 und 1992 sowie Bronze bei den Spielen vier Jahre später hat Lange etwas erreicht, was hierzulande seinesgleichen sucht. 1999 hatte eine Expertenjury den Ausnahmeathleten zu Deutschlands Ruderer des Jahrhunderts gewählt.

Mit den Söhnen in einem Boot

Dass er noch immer gut im Training steht, lässt seine Figur erahnen. „Ich habe nie aufgehört mit Rudern“, bestätigt der Arzt, und seit geraumer Zeit bestreitet der 1,91-Meter-Mann auch wieder Wettkämpfe. Für den Mediziner, der sich als Plastischer Chirurg in den Verbund der Ostseeklinik einbringt und zudem ein gefragter Handspezialist ist, gibt es nichts besseres, um „abzuschalten“. In seiner ihm eigenen ruhigen Art erklärt er weiter: „Das ist der schönste Sport für mich, mir wird das Training nie zu viel.“ Besonders viel Spaß bereitet er ihn, wenn er mit seinen Söhnen Martin (30) und Arne (27) in einem Boot sitzt. Da stellt sich natürlich die Frage, ob es schon einmal den reinen Lange-Vierer gab. Schließlich kommt Ehefrau Heike ja auch aus dem Rudersport. „Das“, verneint Lange, „haben wir noch nie gemacht“.

Dafür aber hat er nun mit Peter-Michael Kolbe eine Renngemeinschaft gebildet. Kurz vor der Wende hatte Lange sich mit dem Westdeutschen, der fünfmal Einer-Weltmeister werden konnte und dreimal Olympia-Zweiter, legendäre Duelle geliefert. Bei der 86. Langstreckenregatta „Quer durch Berlin“ vor zwölf Tagen auf der Innenstadt-Spree ruderten sie erstmals zusammen in einem Masters-Doppelvierer zum Sieg. Hätte er sich das früher vorstellen können? „Ganz sicher nicht“, sagt Lange. Zu grundsätzlich waren ihre Ansichten damals, beide galten als Vorzeigesportler ihrer jeweils politischen Systeme. Freunde sind sie heute noch immer noch nicht. „Das wäre zu viel gesagt“, meint Lange. „Aber wir verstehen uns ganz gut und respektieren einander.“ Kolbe so erzählt er weiter, lebt heute gerade mal gut 20 Kilometer von seinem Wohnort entfernt in Lübeck.

Ganz der Alte

Optisch hat sich der Ex-Hallenser kaum verändert. Und auch sonst scheint er noch ganz der Alte. Pragmatisch kommt er herüber, wirkt zurückhaltend. In seiner Aktivenzeit sagte man ihm Zielstrebigkeit und ein hohes Maß an Selbstdisziplin nach. Eigenschaften, die ihm damals geholfen haben, ein ganz Großer zuwerden. Und auch heute helfen diese ihm, Familie, Beruf und seine sportliche Leidenschaft unter einen Hut zu kriegen. (mz)