Nachwuchstraining trotz Corona? Nachwuchstraining trotz Corona? : Jugend braucht Sportchance

Jessen - Saisonabbruch. Dieser Schritt ist in den meisten Sportarten im Seniorenbereich in Sachsen-Anhalt aufgrund der Corona-Pandemie unausweichlich. Im Basketball und im Handball ist er bereits Realität.
Der Fußball dürfte am Samstag folgen. Auch was die Trainingsmöglichkeiten angeht müssen sich die Kontaktsportler weiter in Geduld üben. Die Beschlussvorlage des Bundes vom Mittwoch sieht lediglich Individualsport mit maximal fünf Personen aus zwei Haushalten vor - jedoch erst ab einer Sieben-Tage-Inzidenz unter 100. Der aktuelle Wert für Wittenberg laut Robert-Koch-Institut am Freitagfrüh beträgt: 97,6.
Fragwürdiger Inzidenzwert?
Bei Kinder- und Jugendlichen stellt sich die Situation anders dar. Das Spielende bei den Erwachsenen bedeutet nicht automatisch, dass auch im Jugendbereich Saison-Schluss ist.
Denn hier stehen die Zeichen günstiger: Kinder und Jugendliche bis 14 Jahren dürften nach der neuen Beschlussvorschlage in Gruppen von 20 Teilnehmern Sport treiben, jedoch ist auch hier eine Sieben-Tage-Inzidenz von unter 100 ausschlaggebend. Doch da die Infektionszahlen wieder leicht steigen, ist es ungewiss, ob dieser Wert konstant erreicht werden kann.
Heißt: Stand jetzt fehlt den Kindern weiter eine Perspektive.
Doch dieser Zustand ist spätestens mit Wiedereröffnung der Schulen in dieser Woche fragwürdiger denn je. Vormittags zusammen in Klassenzimmern, nachmittags ist aber kein gemeinsames Training drin? Kaum vermittelbar. Auch die Kinder wollen sich endlich wieder in der Gruppe verausgaben, kicken, rennen, Spaß haben.
Und tun das gelegentlich auch schon - auf gerade gesperrten Bolzplätzen. Die Rufe, die Kids endlich offiziell zurück in ihre „Reviere“ zu lassen, werden lauter. In einem Offenen Brief an Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte der organisierte Sport vor dem Corona-Gipfel am Mittwoch mit den Ministerpräsidenten ein Ende des Stillstandes angemahnt. „Die negativen Auswirkungen von mangelnder Bewegung und Lebensfreude durch gemeinschaftliches Training sind insbesondere bei Kindern und Jugendlichen, aber auch bei Senioren, deutlich sichtbar“, heißt es unter anderem.
Auch der Fußballverband Sachsen-Anhalt wandte sich mit einem Brief an Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) und appellierte, zumindest den Trainingsbetrieb, speziell für Kinder und Jugendliche, zum 7. März zuzulassen.
In Kreis wird die Forderung unterstützt. „Der Nachwuchs ist ein sensibles Thema. Die Kinder sollten so schnell wie möglich wieder auf den Platz“, sagt Jessens Abteilungsleiter Sebastian Müller.
„Es ist wichtig, dass wieder Normalität in den Alltag einzieht“, sagt Julius Sahr, der in Elster bereits die A- und B-Jugend trainiert hat. Wünschenswert sei es, dass im Nachwuchs die Hinrunde noch zu Ende gespielt werde. Er habe da aber kaum Hoffnung.
Auch deshalb hat der VfB Gräfenhainichen die Aktion „Gebt dem Sport eine Chance“ ins Leben gerufen. „Wir wollen auf die schwierige Situation unserer Sportler, vor allem aber unserer Kinder aufmerksam machen, die seit Monaten keine Chance auf Training haben“, erklärt VfB-Vize Martin Otto im MZ-Gespräch am Freitag. Sich mit Individualsport „am Leben halten“, das könne keine die Dauerlösung sein, schon gar nicht für Kinder.
„Und deshalb wollen wir eine Rückkehr auf den Platz“, so Otto. Dass diese Rückkehr natürlich nur schrittweise möglich sei, das sei klar. „Mit den nun steigenden Temperaturen, steigt auch der Drang nach Bewegung nach einer so langen Zeit ohne Sport umso mehr. Und wo kann man den nicht besser ausleben, als bei einem Training an der frischen Luft“, so der Vizepräsident.
Er fordert: „Es muss ein Umdenken geben, denn Sport erst ab einem gewissen Inzidenzwert möglich zu machen, das gleicht einem Sportverbot auf Dauer und kann nicht die Lösung sein. Sport ist nicht das Problem, sondern Teil der Lösung. Wir brauchen Aussicht auf Lösungen und keine Durchhalteparolen, die keinem helfen, sondern die Situation nur verschärfen. Wir wollen nichts leugnen oder kleinreden, aber wir wollen Spaß am Sport in unser Leben zurück“, so der Vizepräsident deutlich.
Der Landesverband will am Samstag - Otto hofft noch auf eine andere Lösung - die Saison bei den Männern abbrechen. In den Kreisen könnten zumindest die Wettbewerbe für die Kids fortgesetzt werden. Angesichts oft kleiner Staffeln ist das denkbar, meint Otto. „Ich halte Wettkämpfe ab April für möglich. Die Kinder würden sich freuen“, betont der Experte, der davon überzeugt ist, dass auch eine kreisliche Lösung im Männerbereich möglich sei.
Die Kreisoberliga umfasst 14 Teams. Neun Vereine sind es in den beiden Kreisliga-Staffeln.
„Es ist schon für den Nachwuchs schwer“, sagt dazu Wittenbergs Spielausschusschef Andre Göricke. „Aber wenn das gewollt ist, werden wir dass mit den Vereinen bereden“, so der Verantwortliche, der für Montag eine Vorstandssitzung des Kreisfachverbands ankündigt. Trotzdem dämpft er den Gräfenhainichener Optimismus. Der Rahmen für die Möglichkeiten werde von der Politik abgesteckt.
Im März fliegt kein Ball?
Im Handball ist die Situation noch deutlich komplizierter. Hier gibt es keine Chance mehr auf Punktspiele. Bei einem Re-Start werden Freundschaftsturniere gespielt, betont Uwe Kunert.
Allerdings glaubt der Abteilungsleiter vom SV Grün-Weiß Wittenberg-Piesteritz nicht, dass noch „im März ein Ball in die Hand“ genommen werde. Er gehe davon aus, dass im April „an der Luft“ trainiert werden könnte. Die Leidenschaft für Handball könne so kaum vermittelt werden. Trotzdem glaubt der Experte, dass die älteren Jahrgänge dem Verein die Treue halten. „Bei den Jüngsten habe ich aber Bauchschmerzen“, erklärte der Abteilungsleiter. (mz)