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Kevin Kampl im Interview RB Leipzig: Kevin Kampl: "Es ist verrückt wie alles gekommen ist"

Von Martin Henkel 16.11.2017, 09:00

Leipzig - Am letzten Tag der Sommer-Transferperiode konnte RB Leipzig seinen Wunschsspieler Kevin Kampl von Bayer Leverkusen loseisen. Seitdem kickt der Slowene für die „Roten Bullen“.

Über sein besonderes Verhältnis zu Ralph Hasenhüttl und Ralf Rangnick und das anstehende Duell bei seinem Ex-Verein spicht Kampl im Interview mit der MZ.

Herr Kampl, was macht das mit Ihnen, wenn Sie sich vorstellen, Samstag auf alte Kollegen, Weggefährten, Freunde und auch auf Menschen zu treffen, die es Ihnen übelnehmen, nach Leipzig gewechselt zu sein?
Kevin Kampl: Es wird emotional werden. Bayer ist mein Jugendverein.  

Nicht jeder Fan wird Sie empfangen wie den verlorenen Sohn.
Wir sind immer gut miteinander ausgekommen. Aber ich kann verstehen, dass nicht jeder meinen Wechsel gutheißt. Dass sie traurig oder sauer sind, ist okay. 

Kurz nach Ihrem Wechsel fiel der Unmut teils heftig aus. Wie hat sich das angefühlt?
Na ja, ich bin ein Bayer-Kind. Ich denke, viele haben in mir jemanden gesehen, der der neue Kießling (Stefan, Stürmer, seit 2006 bei Bayer, 338 Spiele, 131 Tore, Anm. Red.) werden kann. Sie haben gehofft, dass ich noch lange bei Bayer spiele. Dann der Wechsel zu RB. Aber für mich war das die beste Entscheidung, nochmal einen Schritt nach vorne zu machen. Jeder, der Fußball versteht, kann das auch nachvollziehen. 

Sie haben bereits kurz vor Ende der Saison und wenige Wochen nach der Entlassung Ihres Trainers und Ziehvaters, Roger Schmidt, klargemacht, dass sie nicht bei Bayer bleiben wollen. Wieso?
So deutlich habe ich es nicht gesagt. Ich habe gesagt, wenn die Möglichkeit besteht, würde ich gern noch mal wechseln. Ich bin kürzlich 27 geworden und wollte nochmal etwas Anderes erleben bzw. einen Schritt nach vorn machen, ich finde das ist legitim.

Die erste Offerte kam aus China, wohin Roger Schmidt gewechselt ist. Welchen Schritt nach vorn hätte das bedeutet?
China hatte ausschließlich etwas mit Roger zu tun. Ohne ihn wäre das nie eine Option gewesen. Ich habe ihm viel zu verdanken in meiner Karriere. Und als er mich gefragt hat, habe ich Ja gesagt.

Der Wechsel scheiterte am Geld. Bedauern Sie es?
Als am Ende die Option China näher gerückt ist, habe ich mir mehr Gedanken gemacht. Vor allem der Familie wegen. Wie schnell komme ich zurück, wenn mal was passiert? Aber es ist müßig, darüber nachzudenken. Ich bin froh, dass ich jetzt in Leipzig bin. Und zwar bei Leuten, die mich noch aus Salzburg kennen sowie bei einem Verein, der auch insgesamt sehr gut aufgestellt ist. 

Was hat Sie nach Leipzig geführt?
Persönlich: Ralf Rangnick und Trainer Ralph Hasenhüttl. Sportlich: die Perspektiven. Ich war schon lange mit Ralf in Kontakt, seit meiner Zeit in Salzburg (2012 bis 2014, Anm. Red.), wir haben immer wieder mal telefoniert und uns ausgetauscht. Auch letzten Sommer. Nur da ging es nicht so einfach. Es wurden hohe Summen gefordert. Als Oliver Burke dann diesen Sommer gewechselt ist, wurden Kapazitäten für mich frei. Ich fand es großartig, wie Ralf sich bemüht hat. Es wechselt sich leichter, wenn man weiß, dass man gebraucht und gemocht wird.  

Sie kennen Ihren Trainer aus einer gemeinsamen Zeit beim VfR Aalen. Ihre Zusammenarbeit dauerte allerdings nur zwei Monate. Am letzten Transfertag sind sie nach Salzburg gewechselt. Es ist bekannt, dass Ralph Hasenhüttl Probleme damit hatte, den Wechsel sportlich zu nehmen. Wie ist Ihre Wiederbegegnung verlaufen?
(lacht) Äußerst herzlich.  

bis 2010 Jugend von Bayer Leverkusen
7/2010 SpVgg Greuther Fürth
7/2011 VfL Osnabrück
7/2012 VfR Aalen
8/2012 RB Salzburg
1/2015 Borussia Dortmund
8/2015 Bayer Leverkusen
8/2017 RB Leipzig

Zeit heilt Wunden?
Ach, so dramatisch ist das, denke ich, damals nicht gewesen. Es ging alles sehr schnell. Roger Schmidt rief mich an, er wollte mich zuvor schon nach Paderborn holen. Er hat gesagt: Pass auf Kevin, ich brauch dich hier! Das war nach dem denkwürdigen Champions-League-Playoff-Aus gegen Düdelingen (damals luxemburgischer Meister, Anm. Red.). Ralf Rangnick war gerade Sportchef geworden. Dann haben beide entschieden, sie wollen nochmal nachlegen.

Es fiel Ihnen leicht, aus der zweiten deutschen Liga nach Österreich zu wechseln?
Ich muss gestehen, bis zu dem Anruf wusste ich nichts über Fußball in Österreich. Ich war hin und hergerissen.

Lassen Sie uns raten, Ralf Rangnick hat Sie rumgekriegt.
Ja, ich bin einen Tag vor Transferschluss nach Salzburg gefahren, meine Mutter und meine Freundin waren dabei, wir haben uns alles angehört, vor allem, dass sich vieles ändern wird, dass auf junge Spieler mit einer klaren Spielidee gesetzt wird. Und ich hatte kaum Zeit, um nachzudenken, ich musste mich sofort entscheiden. Ich hab’ dann um zwei Uhr nachts gesagt: Okay, ich mach’s! Weil ich überzeugt war, dass das passt. 

Und Ralph Hasenhüttl?
Klar war der Trainer sauer. Ich glaube, er hatte noch das alte Salzburg im Kopf, das mit den vielen Spielern, die kurz vor ihrem Karriereende kamen. Ich denke, er wollte mich davor schützen. Er hatte zu mir noch gesagt: Mach’ es nicht, da gehen nur die Alten hin. 

Vergnügt Sie die Vorstellung, dass er letztendlich denselben Weg gegangen ist?
Irgendwie schon. Aber wir wussten damals beide noch nicht genau, welcher Weg in Salzburg bzw. in Leipzig eingeschlagen werden würde. Es ist verrückt, wie alles gekommen ist.

Hat sich Ihr Trainer verändert in dieser Zeit?
Jeder Trainer verändert sich und reift. Auch sie lernen mit jedem Job. Ralph ist ein Toptrainer! Ich finde es super, dass er sich sehr gut in die Lage der Spieler hineinversetzen kann, er ist ein guter und herzlicher Mensch und kann uns perfekt auf jedes Spiel einstellen. Und er hat fußballerisch sehr, sehr viel Ahnung. Das sieht man auch daran, wie flexibel wir spielen.

Es ist bekannt, dass sie nicht nur Roger Schmidt und Ralf Rangnick viel zu verdanken haben, sondern sich auch Red Bull sehr verbunden fühlen. Was ist das mit Ihnen und dem Hauptsponsor?
Ich habe allen Beteiligten extrem viel zu verdanken. Als ich in Aalen war, steckte ich irgendwie in der zweiten Liga fest. Nach Salzburg zu gehen, hat mich damals da herausgebracht. Außerdem kenne ich jede Menge Spieler von damals, zudem spielt RB einen Fußball, der mir unheimlich liegt.  

Kevin Kampl wurde am 9. Oktober 1990 in Solingen geboren. Er besitz die slowenische und die deutsche Staatsbürgerschaft, spielt aber für die Nationalmannschaft von Slowenien (24 Einsätze, 2 Tore, Stand: 11/2017).

Für RB Leipzig absolvierte in der laufenden Saison bislang 14 Einsätze in Bundesliga, Champions League und DFB-Pokal.

Dann war Ihr Wechsel eine Art Familienzusammenführung?
(lacht) So kann man das nennen. Ich war damals in Salzburg wirklich traurig, wegzugehen. Vor allem des Zusammenhalts wegen. Das ist auch hier in Leipzig einen Tick anders als bei meinen anderen Vereinen. 

Womit hat Sie Ralf Rangnick noch geködert?
Musste er gar nicht. Ich hab’ ja Augen im Kopf, hab gesehen, was RB vergangene Saison geleistet und welch großes Potential der Klub hat, und ich wusste durch meine Zeit in Salzburg sehr gut, was auch in Leipzig geht. 

Was ist das?
Alle sind hungrig, Spieler, Verantwortliche, Mitarbeiter. Es macht einfach Spaß in so einem Umfeld. Alle sind zudem jung und hochtalentiert. Ich mag diese Philosophie. Mit jungen Spielern etwas zusammenzustellen, was davon lebt, dass jeder noch was erreichen will. Das macht alle besser und ist eine Sache, wo RB, wie ich finde, ein Ausrufezeichen auch gegenüber anderen Vereinen setzt. Keine großen Summen ausgeben, sondern moderat bleiben und mit jungen Talenten arbeiten. 

Sie haben 20 Millionen Euro gekostet?
Zahlen kommentiere ich nicht. Aber Im Gegensatz zu den beinahe utopischen Summen, die gerade im Weltfußball gezahlt werden, wäre das immer noch viel Geld, aber es ist kein völliger Irrsinn.

Wie fanden das Ihre Mitspieler?
Kann ich nicht sagen. Ich hatte nie das Gefühl, dass das eine Rolle spielt. Ich bin einer unter vielen. Das ist mein Empfinden. Ich bin erst am letzten Transfertag gekommen, hatte bei RB keine Vorbereitung und war sofort drin in der Mannschaft. Ich bin gleich mit zum nächsten Auswärtsspiel gefahren und habe bislang 80 Prozent aller Partien gemacht. Ich fühle mich sehr wohl und das muss ich, um meine Leistung zu bringen.

Ihr bislang bestes Spiel war das gegen Dortmund, auch einer Ihrer Ex-Vereine.
Ich finde, das war das bisher beste Spiel von uns allen. Vom Spielerischen, vom Läuferischen, vom Zweikampfverhalten und den Ereignissen: Der Roten Karte, der Führung von uns, der BVB kommt nochmal ran, wir halten den Vorsprung – und das in Dortmund. Das war extrem gut! Da hat man gesehen, RB kann das hohe Level konservieren. Viele Leute von Außen, auch welche, die ich kenne, haben schon in der letzten Winterpause gesagt: Ach, das können die nicht halten. RB hat es gehalten. Jetzt im Sommer haben wieder viele gesagt: Die brechen ein! Aber man sieht, wenn man hungrig ist und wenn man einen ausgewogenen Kader hat wie wir, dann kann man sich oben festbeißen.

RB ist Zweiter in der Tabelle, im Pokal gegen die Bayern allerdings schon ausgeschieden. Und in der Champions-Leeague nur noch mit Chancen auf die K.o.-Runde, die RB nicht in der eigenen Hand hält. Wie erklärt sich der Unterschied?
Es ist ein Lernprozess. In der Champions League wird wirklich jeder kleine Fehler bestraft. Dort spielen die Besten Europas, alles erfahrene Mannschaften. Du verlierst in einer gefährlichen Zone einen Ball oder einen Zweikampf, und das kann sich sofort rächen. In der Bundesliga kannst du dir etwas mehr erlauben. Aber ich finde, wir haben uns trotzdem in jedem Spiel, auch in denen, die wir verloren haben, gut präsentiert. Wir waren nie unterlegen, aber wir müssen noch abgeklärter werden. Jetzt haben wir noch zwei Partien, es ist nichts verloren. 

Was bedeutet der zweite Platz in der Liga?
Ich finde, wir stehen sehr gut da. Wir sind wieder auf dem Weg wie letzte Saison, auch wenn ich nicht weiß, wie viele Punkte es zum jetzigen Zeitpunkt waren. 

Ihr früherer Salzburger Teamkollege Naby Keita scheint dieses Jahr in das Mahlwerk des Elitefußballs zu geraten. Zwei Mal musste er schon mit Rot bzw. Rot-Gelb vom Platz, zudem setzt ihm gerade der Strafbefehl wegen eines angeblich gefälschten Führerscheins zu. Wie nehmen Sie ihn wahr?
Er ist okay. Wir sind seine Mitspieler. Ich finde, wir sind dazu da, dass er sich wohlfühlt, dass er Spaß am Fußball hat. Und ich mische mich ungern in die privaten Dinge anderer Menschen ein. Wenn sie Hilfe brauchen, bin ich da, aber man sollte jedem seinen Privatraum lassen.

(mz)