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Nach DFB-Nominierung Nach DFB-Nominierung: Timo Werner will sich mit Ronaldo und Messi messen

17.03.2017, 16:00

Leipzig - Er spielte 48 Mal für Deutschlands Junioren-Mannschaft. Nun aber beginnt für Timo Werner eine neue Station in seiner bereits rasanten Karriere. Die Berufung in die A-Nationalmannschaft für den Klassiker gegen England und das WM-Qualifikationsspiel gegen Aserbaidschan.

Timo Werner ist der beste deutsche Torjäger in der Fußball-Bundesliga. Und zum ersten Mal für den Kader der A-Nationalmannschaft nominiert. In einem vorab geführten Interview der Deutschen Presse-Agentur spricht der 21-Jährige vom Aufsteiger RB Leipzig unter anderem über seine Erwartungen, darüber, dass er schon einige aus dem Team und dem Trainerstab kennt oder welcher Typ Stürmer er ist.

Was zeichnet Ihrer Meinung nach einen Top-Mittelstürmer aus?
Timo Werner: Er muss schnell sein, muss einen guten Abschluss haben. Er braucht auch die nötige Cleverness vor dem Tor, immer wieder am richtigen Ort zu stehen. Da kann man aus der Bundesliga einige aufzählen, Robert Lewandowski oder Pierre-Emerick Aubameyang zum Beispiel. Viele sagen auch über beide, dass sind ja meistens nur Tore, die sie reinschieben. Das große Geheimnis ist aber, dort zu stehen und den Ball dann reinzudrücken – zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein. Es ist auch eine große Qualität, die Räume zu erkennen, in die man reinlaufen muss.

Kann man das trainieren?
Werner: Ich weiß nicht, wie man das im Kern trainieren sollte oder könnte. Ein richtig guter Stürmer weiß halt intuitiv, wie er sich vor dem gegnerischen Tor verhalten und wo er hinlaufen muss.

Sie sind an den genannten Stürmern in Sachen Tore ja schon recht nah dran. Wo sind denn noch ihre Defizite?
Werner: Ich kann mich auf jeden Fall im technischen Bereich noch verbessern. Die wissen noch ein bisschen eher - vielleicht auch dem Alter geschuldet - wo der Ball hinkommt und wie sie sich zu verhalten haben. So etwas kann man sich bei solchen Spielern natürlich auch ein Stück weit abschauen.

Als sie 12 oder 13 Jahre alt waren und in der Jugend des VfB Stuttgart gespielt haben - gab es da etwas, wovon Sie geträumt, was Sie aber für unerreichbar gehalten haben?
Werner: Mit 12 oder 13 war der Profi-Fußball allgemein noch unerreichbar. Man hat noch nicht sein volles Vermögen, ob körperlich oder fußballerisch. Selbst wenn man zu den Besseren oder Besten eines Jahrgangs gezählt hat. Viele von den Spielern, die jetzt bei den Profis sind, die haben nicht mit mir in den ersten beiden Jugendnationalmannschaften zusammengespielt. Die sind aber jetzt auch auf meinem Level, wenn nicht sogar darüber. Die Nationalmannschaft war damals jedenfalls noch gar nicht der Traum, man wollte erstmal Fußball-Profi werden. Das Hobby zum Beruf machen, das war das Unerreichbare und große Ziel für jeden.

Wann realisiert man, dass man das Zeug dazu hat, Nationalspieler zu werden?
Werner: Nach so einer Saison, wie nicht nur ich sie spiele, sondern unsere gesamte Mannschaft sie bislang spielt, realisiert man, dass man imstande ist, so gute Leistungen zu bringen. Auch über einen konstanten Zeitraum. Wirklich realisiert man es aber auch erst, wenn man als Stürmer auf die Toranzahl sieht und dann weiß: Wenn es so weiter geht, dann könnte der Fall vielleicht eintreten.

48 Mal haben Sie das DFB-Trikot schon in Junioren-Teams getragen. Was wird denn in Ihnen vorgehen, wenn Nummer 49 der Dress der A-Mannschaft im Klassiker gegen England und Nummer 50 im WM-Qualifikationsspiel gegen Aserbaidschan sein wird?
Werner: Ich will die 48 Einsätze nicht schmälern, aber die sind dann schon etwas ganz anderes als einer bei der A-Nationalmannschaft. Es ist für jeden Spieler, der so viele Spiele in den Jugendnationalmannschaften gemacht hat immer auch ein Traum, irgendwann das A-Nationalmannschaftstrikot tragen zu dürfen. Vielleicht auch so eine Art Vorspiel, um wirklich dorthin zu kommen. Wenn ich überlege: Mein U19-Trainer ist Co-Trainer, mein ehemaliger U17- und Profi-Trainer beim VfB ist auch Co-Trainer. Ich glaube, in dieser Hinsicht könnte ich es nicht besser erwischen.

Gibt das auch ein etwas beruhigendes Gefühl mit auf die Reise, dass Sie auch aus dem Trainerstab bereits einige kennen?
Werner: Auf jeden Fall. Und nicht nur die zwei Co-Trainer, weil ich sie schon lange Zeit kenne und mit ihnen gearbeitet habe. Sondern auch viele Spieler, mit denen ich auch beim VfB eine lange Zeit gespielt habe wie z.B. Serge Gnabry oder Joshua Kimmich. Wir kennen uns super. Julian Brandt war einer meiner besten Freunde in den Jugend-Nationalmannschaften. Ich glaube, das macht es mir auch wesentlich einfacher, mich dort einzubringen, weil ich von der Spielerseite her sehr viele kenne, die sich schon etabliert haben. Klar ist es etwas Besonderes und sehr aufregend, plötzlich neben einem Manuel Neuer, Toni Kroos, Mesut Özil oder Thomas Müller am Esstisch zu sitzen und mit denen zu trainieren. Auf jeden Fall wird es sehr aufregend, aber ich glaube, dass es andere wie Joshua, die allein hochgekommen sind, wesentlich schwerer gehabt haben. Ich habe doch schon Anlaufstellen aus den U-Nationalmannschaften, mit denen ich mich auch außerhalb des Platzes gut verstehe.

Mit welchen Erwartungen, Hoffnungen und Zielen starten Sie in diesen neuen Abschnitt?
Werner: Wenn ich hingehen und sagen würde, ich will gleich mal zwei Tore schießen, wäre das sehr vermessen. Ich will einfach die Stimmung genießen, die Atmosphäre. Ich möchte es einfach genießen, mit dieser Mannschaft spielen zu dürfen. Ich versuche, meine Aufregung und Nervosität runterzufahren und meine Leistung, wie ich sie bei RB Leipzig bringe, auch dort zu bringen.

Was machen Sie, um ihre Nervosität runterzufahren?
Werner: Ich muss sagen, mittlerweile bin ich nicht mehr ganz so nervös bei Bundesligaspielen. Es sind ja trotz meines jungen Alters schon einige geworden. Ich glaube es wird (bei der Nationalmannschaft) wie bei meinem ersten Bundesligaspiel sein: Je nachdem, wann man reinkommt oder ab wann man spielt, hat man am Anfang sehr wacklige Beine. Da muss man halt versuchen, die ersten paar Bälle einigermaßen gut an den Mann zu bringen. Niemand wird erwarten, dass ein Einzelner die Engländer alleine schlägt. Ich glaube und hoffe, ich kann befreit aufspielen.

Nach dem EM-Aus gab es eine große Diskussion, es fehle der echte Mittelstürmer. Diego Maradona meinte sogar, das Problem der deutschen Mannschaft sei der gegnerische Strafraum. Könnten Sie die Lösung dieses Problems sein?
Werner: Wenn das so wäre, würde ich mich drüber freuen. Ich muss aber jetzt erstmal den Schritt gehen, mich mit guten Leistungen für die nächsten Lehrgänge zu empfehlen, vielleicht auch dann später für den Confed Cup. Das gilt auch für meine Leistung bei RB, jeder wird doppelt draufschauen, wie man sich nach so einer Nominierung verhält. Man muss noch mehr Gas geben, um die Einladung zu rechtfertigen und wieder eingeladen zu werden.

Schaut man sich nur mal ein paar Namen deutscher Mittelstürmer an: Klose, Klinsmann, Rummenigge, Hrubesch, Seeler - welchem Spielertypen ähneln Sie denn am ehesten oder sind sie ein neuer Mittelstürmertyp?
Werner: Ich muss zugeben, viele habe ich ja gar nicht spielen sehen, weil sie einfach deutlich vor meiner Zeit aktiv waren. Vielleicht bin ich auch ein neuer Stürmertyp. Der Fußball hat sich in der Zeit einfach weiter entwickelt. Wenn man sich allein den Verlauf von der WM 2010 bis heute anschaut: 2014 wollte man den sogenannten Mittelstürmer fast komplett abschaffen, da war nur noch die Rede von zwei Zehnern oder einer hängenden Spitze. Mittlerweile wird eher wieder in die Richtung gegangen, mit zwei Stürmern zu spielen, so wie wir es bei RB machen. Es kommt ja einfach auch darauf an, welche Spielphilosophie man verfolgt und welche Spieler man dahinter hat. Und Deutschland hat sehr, sehr viele sehr, sehr starke Mittelfeldspieler, bei denen es passt, mit einem Stürmer zu spielen. Ob ich dann diese Position so einnehmen kann, wird man sehen. Für meine Spielweise gibt es in der Nationalmannschaft sehr viele Spieler, die mir den Ball durchstecken und mich in gefährliche Situation bringen können.

Wen sehen Sie denn da als potenzielle kongeniale Partner und Vorbereiter?
Werner: Ich glaube, da muss man aufpassen, dass man keinen vergisst. Wenn ich beim defensiven Mittelfeld anfange: Toni Kroos spielt super Bälle, Sami Khedira, mit seinem Bruder spiele ich ja hier in Leipzig zusammen, genauso. Mesut Özil ist ein begnadeter Fußballer, auch und vor allem, was das anbelangt. Julian Draxler von außen, Marco Reus, Thomas Müller. Da gibt es so viele Spieler, tut mir leid, wenn ich da jetzt einen vergessen habe. Ich kann mich da als Stürmer nicht beklagen. Da sind sehr viele Spieler hinter mir, die einen nach dem anderen Ball reinlegen können, wenn ich richtig laufe und auf Abseits aufpasse.

Denken Sie, dass durch eine Nationalmannschafts-Karriere die Anfeindungen, die Sie derzeit noch erleiden müssen, in gegnerischen Stadien aufhören?
Werner: Man muss das einfach auch richtig einordnen: Wenn von 60.000 Zuschauern im Stadion vielleicht 1.000 schreien, muss man den minimalen Prozentsatz berücksichtigen, die es machen. Das sind ja unter 1,5 Prozent und oft noch weniger. Ich habe meine Leistungen gebracht, ob auswärts oder daheim. Ich blende das aus, zumal bei diesem Thema auch viel zu viel Hysterie herrscht.

Ist man als Mittelstürmer etwas härter im Nehmen?
Werner: Man muss sich schon eine dicke Haut aneignen, man darf nichts zu nah an sich heranlassen. Durch den Erfolg ist es aber auch leichter zu verkraften. Man kann die positiven Dinge festhalten, sich darauf konzentrieren und daran hochziehen. Ich glaube aber auch, dass diese Phase, in der ich einen Fehler gemacht habe, mich stärker gemacht hat.

Wie wichtig ist es mit Blick auf die Nationalmannschaft, auch mit RB Leipzig international zu spielen?
Werner: Das ist sehr, sehr wichtig. Das haben Spieler wie Sané, Brandt, Kimmich oder Weigl mir einfach voraus, weil sie auf internationaler Bühne schon gezeigt haben, was sie können und es nicht geheißen hat: Okay, der kann es in der Bundesliga, aber auf dem ganz hohen Niveau konnte er es noch nicht unter Beweis stellen, weil er dort nicht spielt. Nicht nur für den Verein, für die Mannschaft - für jeden einzelnen ist es noch mal eine andere Stufe, sich zeigen zu können, sich weiterzuentwickeln. Es gibt so viele Dinge, die gerade die Champions League mit sich bringen würde. Wenn wir uns tatsächlich qualifizieren sollten, würden wir wohl in Topf vier kommen. Das heißt, wir würden zwei sehr starke Gegner bekommen. Das macht dann einfach Spaß, plötzlich neben einem Ronaldo aufzulaufen. Wir haben mit RB im vergangenen Jahr noch in der zweiten Liga gespielt, das sollte man nicht vergessen. Und nächste Saison könnte es dann gegen Real mit Ronaldo oder den FC Barcelona mit Messi gehen. Das ist schon was Besonderes, wo sicher jeder einzelne sich auch noch mal anders vorbereiten muss, wenn so große und erfahrene Stars neben einem stehen.

Zur Person: Timo Werner (21 Jahre alt) spielt seit dieser Saison für den Aufsteiger RB Leipzig. Er war vom Erstliga-Absteiger VfB Stuttgart gekommen. Mit bisher 14 Toren ist er der erfolgreichste deutsche Stürmer. Werner durchlief auch schon die Junioren-Mannschaften des Deutschen Fußball-Bundes. (dpa/mz)