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Gruppe L.E. United L.E. United: Gefahr von rechts formiert sich in der RBL-Fanszene

Von Ullrich Kroemer 21.12.2017, 06:00
Zaunfahne von L.E. United neben dem Leipziger Gästeblock in Wolfsburg.
Zaunfahne von L.E. United neben dem Leipziger Gästeblock in Wolfsburg. privat

Leipzig - Beim jüngsten Auswärtsspiel von RB Leipzig in Wolfsburg hing die schwarze Fahne mit dem Totenkopf samt Fischerhut und der Aufschrift L.E. United zum ersten Mal gut sichtbar am Zaun des Leipziger Fanblocks. Die Fratze mit den hohen Wangenknochen und der markanten Zahnreihe grinste in Richtung Spielfeld; aber vielmehr auch in den Gästeblock hinein – als Zeichen an die RB-Fanszene.

Der Schädel mit der Anglermütze ist das Logo der Fangruppierung L.E. United (L.E.U), die seit ihrem ersten Auftritt auf Schalke im April 2017 in der Fanszene von RB Leipzig für Unruhe sorgt. L.E.U hatte sich zu Beginn dieses Jahres als Auswärtsfangruppierung zusammengeschlossen, um sich und andere zu schützen – im Ernstfall auch mit Gewalt.

„Wenn uns einer an die Wäsche will und keine Polizei zur Stelle ist, werden wir von unserem guten Recht Gebrauch machen, uns selbst zu schützen. Das kann uns niemand verwehren”, hatte  ein Sprecher der Gruppe, der seinen Namen nicht nennen wollte, im Juni der MZ gesagt.

L.E. United sorgt für Unruhe in Leipzigs Fanszene

Nicht verwunderlich, dass es rund um die ersten Auswärtsauftritte der Gruppe, deren Mitglieder sich größtenteils aus offiziellen Fanclubs rekrutieren, auch handgreifliche Auseinandersetzungen gegeben hatte. Da in der Leipziger Fankurve Gewaltfreiheit und Antidiskriminierung zentrales Motiv und auch im Kodex der Fanklubs verankert sind, stießen Auftreten, Ansinnen und Verhalten der Gruppe auf viel Ablehnung, bei einigen jedoch auch auf offene Ohren.

Im Sommer war es zunächst scheinbar ruhiger um die umstrittene Gruppierung geworden. Doch spätestens seit dem Herbst treten L.E.U wieder verstärkt offensiv auf. Das mündete vorerst in zwei gewalttätigen Aktionen gegen Mitglieder der Ultra-Fangruppierung Red Aces nach Heimspielen von RB Leipzig vor Bobbys Sportsbar, Stammkneipe von L.E.U in der Jahnallee unweit des Stadions.

Dabei wurde einem 26 Jahre alten Mitglied der Red Aces das Nasenbein gebrochen. Über den genauen Hergang, wer wen provoziert oder zuerst attackiert hat beziehungsweise wer sich lediglich verteidigt habe, gibt es verschiedene Versionen. Die Polizei teilte auf Anfrage mit, dass am Abend des 4. November nach gegenwärtigem Stand der Ermittlungen etwa zehn vermummte, unbekannte Personen an der Auseinandersetzung auf der Straße beteiligt gewesen seien. Danach kam es laut MZ-Recherchen zu zwei weiteren Attacken in und um die Sportsbar am gleichen Abend und drei Wochen später.

L.E.U. geht juristisch gegen die Abmahnung von RB Leipzig vor

Der Verein sprach daraufhin eine Abmahnung gegen L.E.U aus, gegen die die Gruppe nun juristisch vorgeht. Klubboss Oliver Mintzlaff erklärte das Thema L.E. United jüngst bei einem Fanclub-Treffen zur Chefsache. Grund genug, L.E.U genauer unter die Lupe zu nehmen.

Nach MZ-Recherchen besteht die gewaltbereite und nach rechts offene Gruppe aus inzwischen 30 Mitgliedern, die meisten sind 35 bis 50 Jahre alt, darunter Angestellte, Arbeiter, auch Personen, die Firmen leiten. Viele haben jahrzehntelange Erfahrungen in Fanszenen anderer Vereine, darunter auch in gewaltbereiten Gruppierungen von Lok und Chemie Leipzig. Nicht mehr nur bei Auswärtsspielen, sondern seit einigen Wochen auch im Leipziger Stadion tritt L.E.U geschlossen in schwarzer Montur mit schwarzen Fischerhüten samt Aufschrift auf. Auf der Facebook-Seite der Gruppe posieren die Mitglieder komplett schwarz gekleidet in martialischen Posen.

Fangruppe L. E. United: Wer steckt dahinter?

Wie andere Fans der MZ beschrieben, baut L.E.U im Stadion durchaus eine „Drohkulisse mit aggressiv-dominantem Auftreten” im Fansektor B auf; auswärts richte sich das Verhalten auch gegen Fans anderer Klubs. So soll es bereits mehrfach verbale Einschüchterungsversuche gegen andere RB-Anhänger gegeben haben. Aus politischem ebenso wie privatem Anlass.

Wie die MZ von Augenzeugen erfuhr, wurden zwei Personen wegen eines privaten Zwists sogar von einem (Ex-)Mitglied von L.E.U vor dem Champions-League-Spiel gegen den FC Porto mit dem Tode bedroht. Der Satz „Ihr kommt hier nicht mehr lebend raus”, soll gefallen sein. Zudem habe es eine Attacke mit der flachen Hand auf den Kopf eines der Opfer gegeben. Andere Mitglieder von L.E. United beobachteten die Szenerie. Beide flüchteten daraufhin noch vor Anpfiff aus dem Block und waren seither aus Angst nicht mehr im Stadion.

L.E.U: Viele Mitglieder sind politisch stark rechts

L.E. United bestreitet, dass die beschuldigte Person zum damaligen Zeitpunkt noch Mitglied war. Ohnehin hat die Gruppe schon einige Mitglieder, die sich nicht an Regeln und Gesetze hielten, bereits verbannt. Doch ob aktives oder Ex-Mitglied ist in diesem Punkt nicht so entscheidend. Fakt ist, dass sich in der Gruppe und um sie herum ein Klientel versammelt, das mit den friedlichen und antidiskriminierenden Werten der Kurve nicht viel gemein hat.

Auch weltanschaulich und politisch. L.E.U verweist zwar stets darauf, dass die Gruppe unpolitisch sei. „Einer unserer Grundsätze ist, dass Politik in unserer Kurve und unserer Gruppe nichts zu suchen hat”, hatte der Sprecher im Juni gesagt. „Wir wollen uns von niemandem vor den Karren spannen lassen – weder von Links, noch von Rechts.”

Doch das ist belegbar anzuzweifeln. Wie die MZ erfuhr, ist es sehr wohl Ansinnen der Gruppe, gegen ihrer Meinung nach politische Botschaften in der Fankurve vorzugehen. Dass etwa „Refugees-Welcome”-Banner oder Botschaften gegen Homophobie und Rassismus in der Kurve hochgehalten wurden, ist L.E.U ein Dorn im Auge.

So war es laut MZ-Recherchen durchaus eines der Gründungsziele, ein Gegengewicht zur teils links geprägten aktiven RB-Fanszene zu bilden. Die Red Aces, heißt es, seien von Anfang an Feindbild von L.E.U gewesen.

Facebook-Profile der Mitglieder zeichnen ein deutliches Bild

Schaut man sich die Facebook-Profile der Mitglieder und Personen aus dem Umfeld der Gruppe an, zeichnet sich durchaus ein fremdenfeindliches Profil vieler Mitglieder. Wie Screenshots, die der MZ vorliegen, belegen, waren auf der Facebook-Seite eines durchaus prominenten Mitglieds von L.E.U und der Leipziger Fanszene, das auch schon auf Werbeplakaten und Spots zu sehen war, bis vor einigen Monaten noch Symbole wie etwa die Reichskriegsflagge zu sehen. Noch heute sind dort fremdenfeindliche Einträge hinterlegt.

Einem anderen gefällt neben diversen Neonazi- und Hooligan-Kleidungsmarken auch die NPD. Wieder ein anderer ist Anhänger  von Organisationen der sogenannten Neuen Rechten wie der Identitären Bewegung und Defend Europa. Diese Liste ließe sich fortführen.

Und es liegt sogar ein Strafverfahren wegen Verwendens von Kennzeichen verfassungsfeindlicher Organisationen gegen ein (Ex-)Mitglied von L.E.U vor. Bei RB Leipzigs erstem Testspiel der Saison am 14. Juli in Dessau hatte der 46 Jahre alte Mann aus Markkleeberg, dessen Name der MZ bekannt ist und von der Staatsanwaltschaft bestätigt wurde, den Hitlergruß gezeigt. Ordner und Polizei entfernten das damalige L.E.U-Mitglied aus dem Gästeblock. Inzwischen hat die Staatsanwaltschaft einen Strafbefehl samt Geldstrafe beantragt, der in Kürze rechtskräftig wird.

L.E. United wird zum Härtetest für den Verein RB Leipzig

Aufgrund dieses Vorfalls war es zu Unruhe in den Reihen von L.E.U gekommen. Um weiter in seinem angestammten offiziellen Fanclub Mitglied bleiben zu können, trat mindestens eine Person bei L.E.U aus.

Aktuell befindet sich die Klubführung von RB Leipzig sowohl mit L.E. United als auch mit den Red Aces in Gesprächen. Doch eine Einigung ist derzeit nicht absehbar. Nicht eben förderlich beim derzeitigen Dialog ist, dass Enrico Hommel – langjähriger Fanbeauftragter des Klubs, der im Sommer vermittelte – kürzlich fristlos gekündigt wurde.

So schwelt der Zwist, der die Fanszene von RBL spaltet, vorerst weiter. Weitere Eskalationen sind wohl nur eine Frage der Zeit. Ein Härtetest für Verein und Fans, ob die RB-Kurve auch in Zukunft für Gewaltfreiheit und antidiskriminierende Werte steht. (mz)