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Kommentar zum Selke-Transfer Kommentar zum Selke-Transfer: Der Preis ist eine Sensation

Von Martin Henkel 01.06.2017, 17:30

Leipzig - Davie Selke wird RB Leipzig verlassen. Mit dieser Sicherheit durfte am Donnerstag arbeiten, wer es mit dem jungen Stürmer hält und ihm nach zwei Jahren am Cottaweg wünscht, dass die häufigen Ortswechsel zwischen Ersatzbank und Startelf ein Ende finden.

Ist nämlich Gemütsbelastend, allemal in den entwicklungspsychologischen Kernjahren eines Fußballers. Jetzt also ein neuer Verein, vielleicht ja auch ein neues Glück. Sportdirektor Ralf Rangnick hatte schon vor drei Wochen erklärt, man werde Selke keine Steine in den Weg rollen.

Nur wohin – das war bis Donnerstag die Frage ohne Antwort. Dann eröffnete Sky Sport News HD den Sommerpausentag mit der Meldung: Selke wechselt für fünf Jahre zur Hertha. Krawumm! Berlin? Hatte kein Gerüchtekoch auf dem Zettel. Eigentlich hieß es, der Nachwuchsnationalspieler gehe entweder zurück zu Werder Bremen oder aber er reist in die Premier League. Insofern: sensationell.

Davie Selke bei RB Leipzig: Top oder Flop?

Der Meldung folgte später am Nachmittag die Bestätigung des Wechsels durch die Berliner und die ersten Zahlen zur Transfersumme. Erfahrungsgemäß stimmen die nicht auf den Punkt, aber zwischen Fantasieziffer und konservativer Zahl ist die Wahrheit noch immer zu Hause gewesen. Insofern ist auch der Preis eine Sensation. Sky spekulierte: Elf bis 14 Millionen Euro werden fällig. Der Kicker mutmaßte, es seien acht Millionen Euro plus Bonuszahlungen.

Zwei Jahre ist Selke nur in Leipzig gewesen, und wie immer, wenn ein Spieler in so kurzer Zeit kommt und geht, stellt sich die Frage: Gewinn oder Verlust? Sowie Flop oder Top? Und so viel lässt sich für RB Leipzig sagen: Auch wenn beide Geschäftspartner die kolportierten Summen weder bestätigen noch korrigieren wollten, wird Selke nicht als Toptransfer in die Annalen des jungen Bundesligisten eingehen. Aber auch nicht als Verlust.

Davie Selke steigert seinen Marktwert - von der Ersatzbank aus

Es ist schon erstaunlich, wie RB es geschafft hat, einen Reservespieler für Minimum die Summe abzugeben, die der damalige Zweitligist vor zwei Jahren an Werder überwiesen hat, nämlich acht Millionen Euro. Man kann sich die Mühe machen und einen Vergleichsfall in der Bundesligageschichte suchen. Einen finden wird man nur schwerlich.

Normalerweise fällt der Preis, wenn die Einsatzzeiten schrumpfen wie bei Selke. Von 90 Minuten zu Beginn der Zweitligasaison über 45-Minüter und Halbestunde-Auftritte Ende 2015 bis elf oder mal 23 Minuten Sommer 2016 auf 436 Minuten in 21 Partien bei 34 Erstligaspielen insgesamt. Also 9,156 Minuten im Schnitt und vier Treffern obendrauf.

Für Davie Selke war die Sturm-Konkurrenz bei RB Leipzig zu stark

Es ist ja auch nicht so, dass der U-21-Nationalspieler ein derart vielseitiger Spieler ist, dass man getrost den Favreschen Terminus technicus vom polyvalenten Profi als Etikett anheften könnte, der den Preis erklärt. Selke, so der Stand nach zwei Jahren bei RB, ist ein klassischer Strafraumspieler. Aus der Tiefe kommen hingegen – ist nicht so seins. Gewitzt pressen – auch nicht. Kurzpassspiel – ebenso wenig. Selkes Dribblingkünste sind okay, aber nicht besonders. Ein Sprinter ist er auch nicht. Und eine Chance ein Tor – auch das ist nicht sein Markenzeichen.

Noch nicht jedenfalls. In Berlin glauben sie fest an Selke und seine verborgenen Talente. Es mag gut sein, dass ein Teil der Summe sich aus dem guten Ausbildungsruf ergibt, den RB in der Branche genießt. Dass er U-21-Nationalspieler ist zudem. Ebenso mögen seine zwei Tore gegen die Hertha im drittletzten Saisonspiel zur Preisgestaltung beigetragen haben.

Und schließlich ist da der Champions-League-Qualifikationsfaktor der Sachsen, dem Gedanken folgend: Wer bei so einem Klub hinter dem Stürmerpaar Yussuf Poulsen und Timo Werner Ersatz ist, der muss keine Niete sein, sondern ist wahrscheinlich eben nur ein Nuance weniger talentiert. Also immer noch top für die Europa League, in der Hertha kommende Saison antritt.

Davie Selke zu Hertha: Alle Seiten profitieren vom Transfer

Ach ja, und dass die Berliner unlängst für den Verkauf von Anthony Brooks 20 Millionen Euro vom VfL Wolfsburg überwiesen bekommen haben, dürfte Hertha ermutigt haben, mit Rangnick nicht um jeden Euro zu feilschen.

Wie auch immer aber man sich einen Reim drauf machen möchte, unterm Strich macht dann doch jeder an dem Transfer Beteiligte einen kleinen oder großen Reibach. RB hat seinen ersten großen Verkauf ohne Verlust getätigt. Selke gewinnt eine neue Möglichkeit, seine Karriere in Schwung zu bringen. Und Hertha hat die Flop-Thematik zwar mit an die Spree geholt, aber selbst wenn sich die acht Millionen Euro plus X als Fehlinvestition erweisen sollten, mit den Einnahmen aus dem Brooks-Deal wird das kein Loch in die Finanzen reißen.

(mz)