Der Kaderschmied geht Der Kaderschmied geht: Warum Ralf Rangnick von RB Leipzig zu RB wechselt

Leipzig - Er hat es getan. Nach wochenlangen Spekulationen legt Ralf Rangnick sein Amt als Sportdirektor von RB Leipzig nieder. Der 30. Juni wird sein letzter Tag beim sächsischen Fußball-Bundesligisten sein.
Danach übernimmt der 38 Jahre alte Markus Krösche von Bundesliga-Aufsteiger SC Paderborn seinen Job, samt Eckbüro in der Akademie am Cottaweg - mit Blick auf den Trainingsplatz der Profimannschaft, die Rangnick in den vergangenen Jahren zusammengestellt und zweimal trainiert hat. Einmal in der Aufstiegssaison vor drei Jahren – und das zweite Mal in der abgelaufenen Spielzeit. Er wurde Dritter, qualifizierte das Team für die Champions League, stand im Pokalfinale, das RB gegen die Bayern verlor.
Bei Mintzlaff rief der Abschied auf der Pressekonferenz ein „weinendes Auge“ hervor
Dieser Mann also, der RB Leipzig in beiden Funktionen sportlich in die Nähe der Branchenriesen Bayern München und Borussia Dortmund geführt hat, geht jetzt plötzlich von Bord? Was sich am Montagabend in der Gerüchteküche zu einem Donnergrollen verdichtete, weil es zuvor Anzeichen gegeben hatte, dass Rangnick und Klubchef Oliver Mintzlaff sich über die Frage nach der Zukunft des sportlichen Leiters entzweit haben, erwies sich einen halben Tag später allerdings als warmer Frühsommerregen.
Bei Mintzlaff rief der Abschied auf der Pressekonferenz ein „weinendes Auge“ hervor, wie dieser verriet. Ralf Rangnick legt sein Amt zwar nieder, das aber nur, um ein neues aufzunehmen. Mintzlaff ist überzeugt, „dass das die beste Lösung für den Verein ist“: Rangnick wird ab dem 1. Juli „Head of Sport and Global Developement“.
Hinter dem sperrigen Titel verbirgt sich der Job eines Supersportchefs im Universum der Fußballklubs des österreichischen Getränkefabrikanten Red Bull, der beim FC Salzburg Hauptsponsor ist, dem zu 99 Prozent RB Leipzig gehört, der zu 100 Prozent den US-amerikanischen MLS-Klub Red Bull New York besitzt und kürzlich den brasilianischen Zweitligisten Clube Atlético Bragantino gekauft hat.
Das ist Rangnicks neues Reich. Der 60-Jährige bekommt nicht nur einen neuen Titel, sondern auch ein neues Arbeitspapier. Rangnick wird künftig beim Klubbesitzer der Sachsen angestellt sein. Die 50+1-Regel des DFB will es so. Entweder Red Bull oder RB - kein Geldgeber darf sich über Personal oder Anweisungen in die operativen Belange eines Profiklubs einmischen.
Ralf Rangnick als Berater für RB
Rangnick wird deshalb offiziell nur noch als Berater für RB arbeiten, wie Mintzlaff erklärte, steht er aber „für alle Sportdirektoren und sportlichen Belange weiter zur Verfügung“. Er zieht in neue Räume außerhalb der Akademie um, die es laut eigener Aussage noch nicht gibt, und wird sich
in den kommenden Wochen ein Team zusammenstellen, das ihm helfen soll, trotzdem ganz nah dranzubleiben am Rasenballsport-Verein, seinem Zögling.
Und ihn weiterentwickeln will. Darum geht es nämlich bei diesem Stühlerücken. Rangnick bleibt der Spiritus Rector und kehrt letztendlich nur in jene Rolle zurück, die er sich in den vergangenen 13 Jahren auf die Persönlichkeit geschneidert hat. Woanders zu arbeiten, etwa noch mal als Trainer, „dem andere die Spieler hinstellen“, interessiere ihn „null“, erklärte er.
Rangnick will entwickeln können, und zwar Spieler wie Klubs. So wie er das von 2006 bis 2011 bei der TSG Hoffenheim 1899 getan hat, die er von der 3. Liga zur Herbstmeisterschaft in der 1. Liga geführt hat. Und so wie er RB Leipzig geformt hat. „Ich habe immer dann Spaß an meiner Arbeit und bin erfolgreich“, sagte er, „wenn ich mehr sein kann als der trainierende Übungsleiter.“
Was Ralf Rangnick antreibt
Oder eben nur der Sportdirektor eines Vereins, bei dem die meiste Arbeit getan ist. Leipzig ist nach sieben Jahren unter seiner Leitung ein bestens funktionierendes Gebilde. Und das mit einem Kader, dessen Marktwert mittlerweile auf knapp 432 Millionen Euro geschätzt wird. Das ist nach den Bayern und dem BVB der dritthöchste Wert.
Doch jetzt wird es beschwerlich, den Abstand zu den 772 Millionen Euro des Bayern-Personals und den 602 Millionen Euro der Dortmunder zu verringern, was vor allem für die Etat-Zuwächse gilt. Die Lösung heißt deshalb: Braganca und New York. Beide Red-Bull-Standorte auf Leipziger Niveau zu führen, ist Teil der Zukunftsvision, den Abstand auf die europäische Elite mit anderen Mitteln zu erreichen, als das große Geld für Topspieler auszugeben, was bei RB ohnehin arg eingeschränkt ist, weil das Financial Fairplay der Uefa die Zuwendungen von Red Bull begrenzt.
Denn wozu 40 Millionen Euro, die man ja sowieso nicht hat, in einen Profi investieren, wenn man für dieselbe Summe, wie in Leipzig, eine ganze Akademie errichten und sich seine Topspieler selber machen kann?
„Das“, so Ralf Rangnick, sei es, was ihn letztendlich bewogen hat, einer Eingebung unter der Dusche im Weihnachtsurlaub voriges Jahr nachzugeben, als sich „mir die Frage gestellt hat, was ich machen will“, wenn im Sommer Julian Nagelsmann den Trainerjob übernimmt und Rangnick auf die alte Stelle zurückkehrt, wo er bis auf die Kaderplanung wenig zu tun hat. „Wenn wir das richtig gut machen, können wir uns in großen Schritten an allen Standorten so entwickeln, dass wir im internationalen Vergleich aufschließen können zu Klubs, die jetzt noch weit entfernt sind. Das ist es, was mich antreibt.“
Ralf Rangnick: Erster Bundesliga-Job in Stuttgart
Vor sieben Jahren begann Ralf Rangnick für die Sachsen zu arbeiten - als Gesamtsportdirektor für die Red-Bull-Klubs in Leipzig und Salzburg. Unter seiner Führung marschierte Leipzig aus der vierten Liga in die Bundesliga. In der Aufstiegssaison 2015/16 war er der Zweitliga-Cheftrainer.
Im Oberhaus spielt der Klub vom Leipziger Cottaweg also seit drei Jahren. Rangnicks Bilanz - und die von Trainer-Vorgänger Ralph Hasenhüttl (bis Sommer 2018): einmal Vizemeister, einmal Sechster, einmal Dritter. Zweimal qualifizierte sich der Klub für die Königsklasse, einmal für die Europa League. Das erste DFB-Pokalfinale wurde gerade 0:3 gegen Meister FC Bayern München verloren.
Zuvor hat der mittlerweile 60-Jährige in der Bundesliga ab der Saison 1998/99 den VfB Stuttgart übernommen. 2001 wechselte er zu Hannover 96 und 2004 zu Schalke 04 - wo er im Dezember 2005 gehen musste.
Im Sommer 2006 stieg er bei der TSG Hoffenheim als Trainer ein. Den Regionalligisten - damals dritte Liga - führte er, gefüttert von den Millionen des SAP-Gründers Dietmar Hopp, bis zur Herbstmeisterschaft in der Fußball-Bundesliga 2008.
2010 ging Rangnick erneut zu Schalke 04 - stieg dort im September 2011 nach einer Niederlage gegen die Bayern aus. Danach widmete er sich den RB-Klubs. (mz)