Halles Diskus-Ass holt Silber Nadine Müller Vize-Europameisterin im Diskuswerfen

Berlin - Die Erinnerungen haben sie urplötzlich eingeholt. Als die enorme Anspannung abgefallen war und sich die 60.500 Zuschauer für die silberne Flugshow ihres Diskus’ mit tosendem Applaus bedankten, da musste Nadine Müller an ihre ersten großen Meisterschaften in eben denselben Wurf-Ring im Berliner Olympiastadion vor neun Jahren denken.
Bei der Weltmeisterschaft 2009 hatte sich die Hallenserin mit ihrem sechsten Platz in die Weltspitze katapultiert. Neun Jahre später gehört sie immer noch dazu. Das hat die mittlerweile 32-Jährige mit ihrem zweiten Platz bei den Europsmeisterschaften am Samstagabend bewiesen.
Nadine Müller bei EM in Berlin: Diskuswerferin war lange sogar auf Goldkurs
„Die letzten zwei Jahre waren nicht einfach“, sagte Nadine Müller später in den Stadionkatakomben. Letzte Saison hatte eine Fußverletzung sie aus dem Tritt gebracht und in diesem Jahr wollte der Rücken zwischenzeitlich nicht mitspielen.
Doch als es darauf ankam, da spielte die groß gewachsene Blondine ihre ganze Routine aus. Während ihre Konkurrentinnen die Ein-Kilo-Scheibe einfach nicht über die 60-Meter-Marke wuchten konnten, gelang ihr das bei nahezu jedem der sechs Würfe.
Bis zum fünften Durchgang führte die Hallenserin mit ihren glatt 63 Metern unangefochten. Dann ließ die seit einer gefühlten Ewigkeit als unschlagbar geltende Kroatin Sandra Perkovic ihre Klasse aufblitzen und rückte mit 67,62 Metern die Diskuswelt wieder gerade.
Von Traurigkeit über den so haarscharf verpassten Gold-Coup aber keine Spur. „Dass Sandra hier Gold holt, war für mich klar. Mit ihr muss man immer bis zum letzten Versuch rechnen. Da hätte sie rückwärts drehen müssen, um das hier nicht für sich zu entscheiden“, sagte die so knapp Geschlagene. Silber - das war diesmal das Maximum.
Diese EM-Vizemeisterschaft ist für sie ein Meilenstein. So wie das Jahr 2009 auch einer war. „Damals“, sagt die von der Bundespolizei geförderte Athletin, „hatte Gerhard Böttcher mich das letzte Mal betreut“. Der verdienstvolle Trainer, der 2014 nur fünf Jahre nach seinem Wechsel in den Ruhestand gestorben war, hatte das Fundament für ihre späteren Erfolge gelegt, ,,deshalb widme ich ihm diese Medaille“.
Auf dem Platz, auf dem Böttcher seinerzeit im Stadion gesessen hatte, um ihr mit Tipps und Gesten beizustehen, hatte sich diesmal René Sack positioniert. Auch Böttchers Nachfolger, mit dem sie ebenfalls ein tolles Gespann bildet, gab ihr Hilfestellung. „Es war alles wie damals“, sagte Nadine Müller. Mit Sack will sie sich auf Olympia 2020 vorbereiten und dort in Tokio die Medaille holen, die ihr noch fehlt in der Sammlung. Der Fahrplan bis dahin steht.
„Wenn ich auch mal ein Jahr durchtrainieren kann, dann bin ich auch wieder in der Lage, 65 Meter und mehr zu werfen“, weiß die Hallenserin. 2019 werde die Zusammenarbeit mit der Sportklinik deshalb nochmals intensiviert. So soll die nötige Stabilität in den Problemzonen Hüfte, Knie und Fußgelenk aufgebaut werden, damit später in Ruhe in die Kraft und in die Würfe gegangen werden kann.
Nadine Müller: Diskuswerferin macht 2018 noch drei Wettkämpfe
Den Aufwind der EM - es war Nadine Müllers bester Wettkampf des Jahres - will sie noch für einige Meetings nutzen, das Brüsseler Diamond League Finale, die World Challenge in Perkovic’ Heimatstadt Zagreb und den Intercontinental-Cup in Ostrava.
Zeit für einen Feiermarathon bleibt also nicht. Fürs erste muss die ausgelassene Nacht zum Sonntag mit Freunden und Familie im Deutschen Haus im Hotel Intercontinental reichen. (mz)